Ein spanisches Gericht hatte sich mit der Frage zu beschäftigen, ob im Zusammenhang mit einem Verbraucherkredit die vereinbarten Verzugszinsen zulässig waren. Das Gericht ging davon aus, dass die Klausel mit einem Verzugszinssatz von 29 % unzulässig ist und nahm auf Grundlage der spanischen Gesetze eine Vertragsanpassung dahingehend vor, dass der Verzugszinssatz mit 19 % angenommen wurde.
In der Folge legte das Instanzgericht den Fall dem Europäischen Gerichtshof vor, und zwar u.a. mit der Frage, ob die Vorgaben der Richtlinie 93/13 über missbräuchliche Klauseln in Verbraucherverträgen eine derartige Vertragsanpassung erlauben.
Der EuGH weist darauf hin, dass Art. 6 Abs 1 der RL 93/13 vorgibt, dass die Mitgliedstaaten ausdrücklich vorsehen müssen, dass missbräuchliche Klauseln für den Verbraucher unverbindlich sind.
Nach Art 7 Abs 1 der RL 93/13 und auf Grund des 24. Erwägungsgrundes sind dafür angemessene Mittel vorzusehen, damit der Verwendung missbräuchlicher Klauseln eine Ende gesetzt wird.
Wenn es einem nationalen Gericht freistünde, den Inhalt von missbräuchlichen Klauseln abzuändern, würde dies den Abschreckungseffekt beseitigen, der für die Unternehmer darin besteht, dass missbräuchliche Klauseln gegenüber Verbrauchern schlicht unangewendet zu bleiben haben. Nur die Nichtanwendung einer Klausel bietet daher nach dem EuGH einen wirksamen Schutz des Verbrauchers.
Eine geltungserhaltende Reduktion ist vor dem Hintergund dieser Entscheidung des EuGH nicht mehr möglich. Gleiches gilt auch für eine ergänzende Vertragsauslegung, es sei denn diese liegt im Interesse der betroffenen VerbraucherInnen. Sofern im dispositiven Recht eine Regelung vorgesehen ist, kommt diese zur Anwendung.
Die Folgen eines Wegfalls missbräuchlicher Vertragsklauseln sind somit weitaus drastischer als bisher.
Der OGH ging bisher zwar davon aus, dass bei intransparenten Klauseln im Individualprozess keine geltungserhaltende Reduktion stattfindet (vgl. etwa 10 Ob 67/06k). Bei gröblich benachteiliegenden Klauseln war nach der Rechtsprechung des OGH seit der Einführung des § 6 Abs 3 KSchG eine geltungserhaltende Reduktion auch bei Verstößen gegen § 879 Abs 3 ABGB nicht möglich (vgl. etwa OGH 7 Ob 179/03d). Eine ergänzende Vertragsauslegung blieb aber - zumindest in einigen Fällen - denkbar und wurde von Unternehmerseite auch immer wieder argumentiert. Damit ist nun Schluss.
Eine ergänzende Vertragsauslegung erscheint mit dem vorliegenden EuGH Urteil somit nur mehr dann möglich, wenn sich dies zu Gunsten von VerbraucherInnen auswirkt.
EuGH 14.6.2012, C-618/10 Banco Espanol de Credito