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Urteil: Lufthansa - Aufpreis bei Entfall eines Teilfluges rechtwidrig

Der VKI hat - im Auftrag des Konsumentenschutzministeriums - eine Verbandsklage gegen die Deutsche Lufthansa AG hinsichtlich der sogenannten "Hin- und Rückflug" Klausel und hinsichtlich der verlangten Bearbeitungsgebühr von € 35,00 bei Rückforderung von Steuern und Gebühren bei Nichtgebrauch des Tickets eingebracht. Das OLG Wien hat diese Klauseln nun als für die Kunden überraschend und nachteilig bzw als gröblich benachteiligend beurteilt.

Nach dem OLG Wien hat es Lufthansa zu unterlassen, folgende Klauseln zu verwenden: 

"3.3.1.Wird die Beförderung auf einer vorangehenden Teilstrecke nicht oder nicht in der im Flugschein vorhergesehenen Reihenfolge angetreten, so wird derjenige Flugpreis berechnet, der zum Zeitpunkt der Buchung für ihre abweichende, tatsächliche Streckenführung maßgeblich gewesen wäre. Sofern dieser Flugpreis höher ist, als für die im Flugschein angegebene Strecke, können wir die weitere Beförderung davon abhängig machen, dass Sie den anfallenden Aufpreis nachentrichten. 

3.3.3.1 Insbesondere sind wir im Falle der Nichtinanspruchnahme des im Flugschein eingetragenen Rückfluges berechtigt Ihnen, vorbehaltlich Nichteingreifens von Art. 3.2.3., den für einen One-Way-Flug zugrunde liegenden Flugpreis zum Zeitpunkt der ursprünglichen Buchung in Rechnung zu stellen. Dieser kann höher sein als der ursprünglich bezahlte Flugpreis."

Bereits das Erstgericht hat die Klausel als ungewöhnlich und nachteilig gemäß § 864a ABGB und als gröblich benachteiligend gemäß § 879 Abs 3 ABGB beurteilt. Die Bearbeitungsgebühr von € 35,00 sei ebenfalls gröblich benachteiligend gemäß § 879 Abs 3 ABGB. 

Das Berufungsgericht bestätigte die erstinstanzliche Entscheidung. In seiner Begründung folgte es im Wesentlichen der kurz zuvor ergangenen Entscheidung hinsichtlich der im wesentlichen ähnlichen Klauseln in den Beförderungsbedingungen der Austrian Airlines (siehe OLG Wien, 23.5.2012, 15 R 203/11z). In rechtlicher Hinsicht führte das Gericht aus, dass vorweg klarzustellen sei, dass Klauseln im Rahmen einer Verbandsklage im "kundenfeindlichsten" Sinn auszulegen sind und eine geltungserhaltende Reduktion nicht stattfinde. Nach ständiger Rechtsprechung gehe die Inhaltskontrolle gemäß § 879 ABGB der Geltungskontrolle nach § 864a ABGB nach. Zu § 864a ABGB führte das Gericht einleitend aus, dass die Ungewöhnlichkeit des Inhalts objektiv zu verstehen sei, wobei sich die Subsumtion an der Verkehrsüblichkeit beim betreffenden Geschäftstyp zu orientieren habe. Ein Abstellen auf die subjektive Erkennbarkeit sei daher ausgeschlossen (RS 0014627). Objektiv ungewöhnlich sei eine Klausel, die von den Erwartungen des Vertragspartners deutlich abweiche, mit der er also nach dem Umständen vernünftigerweise nicht zu rechnen brauche. Einer ungewöhnlichen Klausel müsse weiters ein Überrumpelungs- oder Übertölpelungseffekt innewohnen. Eine gröbliche Benachteiligung iSd § 879 Abs 3 ABGB sei nicht erforderlich. 

Im ersten Schritt bejahte das Gericht die Teilbarkeit der Leistung. Unteilbar sei eine Leistung dann, wenn die Einzelleistung für sich alleine für den Leistungsempfänger nicht von Wert wäre (RS0051685). Es sei objektiv kein Grund ersichtlich, warum die Leistungen (Hin-und Rückflug) nach dem dem Reisenden erkennbaren Willen der Beklagten unteilbar sein sollen, weil sich die Gesamtleistung (Hin- und Rückflug) in der Beschaffenheit nicht von den einzelnen (Teil)-Flügen unterscheide. Bei einem Verzicht auf eine Teilleistung liege ein (teilweiser) Gläubigerverzug vor. Den Gläubiger treffe zur Abnahme der Leistung nur eine Obliegenheit, jedoch keine Verpflichtung. Als Zwischenergebnis sei daher festzuhalten, dass der Fluggast berechtigt ist, nur einen Teil der vereinbarten Beförderungsleistung in Anspruch zu nehmen. 
Zu den im Verfahren vorgebrachten Entscheidungen des BGH (BGH 29.4.2010, Xa ZR 5/09 und Xa ZR 101/09) führte das OLG Wien aus, dass dahingestellt bleiben könne, ob die durch den BGH vorgenommene Inhaltskontrolle gemäß § 307 BGB auch auf die österreichische Rechtslage übertragbar sei, weil in den zitierten Entscheidungen die Frage einer überraschenden oder mehrdeutigen Klausel (im Sinne der mit § 864a ABGB vergleichbaren Regelung des § 305c BGB) nicht zu beurteilen war. Nach österreichischem Recht gehe die Geltungskontrolle vor, sodass bei Vorliegen der Voraussetzungen nach § 864a ABGB keine weitere Inhaltskontrolle erforderlich sei. 

Die Klausel selbst erfasse nur Fälle, in denen die Preise für die einzelnen verrechneten (Teil)Flüge insgesamt höher lägen als jener für die Buchung der Gesamtstrecke. Würde beispielsweise separater Hin- und Rückflug jeweils € 400,00 kosten, der gemeinsam gebuchte Flug jedoch nur € 300,00, so müsste der Kunde weitere € 100,00 zahlen um den Preis für die gesonderte Buchung nur eines Fluges von € 400,00 auszugleichen. Würde der gemeinsam gebuchte Flug allerdings € 600,00 kosten, dann wäre kein Aufpreis zu zahlen, weil sich für die konsumierte Einzelleistung (die € 400,00) koste kein "Aufpreis" errechne. 

Es sei grundsätzlich nicht objektiv ungewöhnlich, dass im Fall einer nachträglichen (einseitigen) Leistungsänderung wie einer Umbuchung eine Aufzahlung fällig werden könne. Das gelte allerdings nicht bei einem Verzicht auf einen Teil der vereinbarten Beförderungsleistung. Hier müsse der Reisende nicht mit einer Nachzahlung rechnen, obwohl er bereits für die Gesamtleistung durch die Beklagte einen nach marktwirtschaftlichen Erwägungen gestalteten Preis bezahlt habe. In diesem Fall sei nur erkennbar, dass die Beklagte in diesem Umfang keine Leistung erbringen müsse. Die Beklagte habe keine zusätzlichen oder anderen Leistungen zu erbringen, sondern ziehe daraus sogar eine Reihe von Vorteilen bzw entstehe ihr kein Schaden. So würde auch niemand bei einem vergleichbaren Beförderungsvertrag mit einem Bahn- oder Busunternehmen annehmen, dass er ein weiteres Entgelt leisten müsse, wenn er bereits einen (geringeren) Gesamtpreis für die Hin- und Retourfahrt beglichen habe, wovon er jedoch nur eine Fahrt antrete. Bei vernünftiger Betrachtung weiche die Klausel daher deutlich von den Erwartungen eines durchschnittlichen Fluggastes ab, sodass die Voraussetzungen des § 864a ABGB vorlägen und die Klausel aus diesem Grund rechtswidrig sei. Ein besonderer Hinweis im Sinne des § 864a ABGB ergäbe sich auch nicht durch den Hinweis bei der Buchung "Dieser Flugpreis ist nur gültig, wenn die Flüge in gebuchter Reihenfolge absolviert werden. Andernfalls erfolgt eine Neukalkulation des Flugpreises auf Basis des tatsächlichen Reisewegs." Auch ein allgemein gehaltener Verweis bei der Buchung auf die AGB reiche dafür nicht aus, weil nicht davon ausgegangen werden könne, dass ein verständiger Verbraucher nur "die Bedingungen lesen müsse, um Klarheit darüber zu erlangen", dass bei einer bereits bezahlten Gesamtleistung trotz Verfalls eines Teils eine Nachzahlung in Betracht kommen könne. Die Frage, ob auch eine gröbliche Benachteiligung bzw ein Verstoß nach § 6 Abs 3 KSchG, § 6 Abs 1 Z 5 KSchG, § 6 Abs 2 Z 1 KSchG oder § 6 Abs 1 Z 9 KSchG vorliege, prüfte das Gericht daher leider nicht mehr. 

Wie schon das Erstgericht sieht auch das OLG Wien im Hinweis auf der Webseite der Beklagten auf die Verrechnung der Bearbeitungsgebühr von € 35,00 eine gröblich benachteiligende Vertragsbestimmung. Im Sinne der Rsp erscheine es wohl zulässig, die Kosten für die Rückerstattung von Gebühren und Steuern auf den Vertragspartner zu überwälzen. Eine gröbliche Benachteiligung liege aber jedenfalls dann vor, wenn der verrechnete Betrag die entstandenen Kosten übersteige, was hier der Fall sei. Der ermittelte Pauschalbetrag (unter Berücksichtigung der Gemeinkosten) sei nicht "gerade einmal kostendeckend" wie von der Beklagten vorgebracht, sondern übersteige die Kosten wesentlich. Außerdem würden die Gebühren in vielen Fällen den verrechneten Betrag nicht übersteigen, was Kunden durch die Höhe des Pauschalbetrages davon abschrecken würde, von ihrem Recht auf Rückerstattung Gebrauch zu machen.

Die Entscheidung ist nicht rechtskräftig. Mit einer Revision der Beklagten ist zu rechnen. 

OLG Wien, 29.5.2012, 1 R 96/12p
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Klagevertreter: Dr. Stefan Langer, RA in Wien

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