Zum Inhalt

Urteil: Unzulässige Vereinbarung einer "Erklärungsfiktion" in Banken-AGB

Das OLG Graz hat das erstinstanzliche Urteil gegen die Raiffeisenbank Graz-Straßgang bestätigt. Die umfassende Erklärungsfiktion in den Banken AGB ist gesetzwidrig. Das Gericht verwies ausdrücklich darauf, dass das Verbraucherkreditgesetz (VKrG) im Umfang des § 29 Abs. 3 VKrG auch auf Altfälle anwendbar sei.

Die Raiffeisenbank Graz-Straßgang hatte in ihren Allgemeinen Geschäftsbedingungen eine Klausel aufgenommen, wonach Änderungen des Leistungsumfanges und des Zinssatzes dann wirksam werden, wenn der Kunde nicht innerhalb von 2 Monaten nach der Information durch die Bank schriftlich widerspricht.

Im Jahr 2010 schrieb die Bank 1.200 ihrer Kreditnehmer an und verlangte unter Berufung auf diese Klausel in ihren AGB (Fassung 2009, dort Z45, Abs 3) und Verweis auf ihre Mehrkosten verursacht durch die globale Finanzkrise einen Zinszuschlag von den Kreditnehmern.

Aufgrund von Konsumentenbeschwerden strengte der VKI im Auftrag der AK Steiermark Klage auf Feststellung der Unwirksamkeit der Klausel an.
Das Erstgericht gab der Klage statt. Es urteilte, dass diese Klausel den Geboten der §§ 879 Abs 3 ABGB, 6 Abs 3 KSchG, 6 Abs 1 Z 2 KSchG nicht entspreche. Insbesondere werde, so das Gericht, durch die mögliche Änderung wesentlicher Konditionen massiv in Verbraucherinteressen eingegriffen, wodurch zwingende Bestimmungen des VKrG umgangen werden könnten. Die Widerspruchsmöglichkeit könne das grobe Missverhältnis zwischen den Interessen nicht ausgleichen. Der Verbraucher müsse von sich aus nachforschen, wie sich eine Änderung des Zinssatzes auf seinen Vertrag auswirke. Eine sachliche Rechtfertigung für eine derart umfangreiche Vertragsänderungsklausel sei nicht erkennbar, sodass sie gröblich benachteiligend iSd § 879 Abs 3 ABGB sei.

Die daraufhin von der Bank angestrengte Berufung blieb erfolglos. Das OLG Graz schloss sich der Rechtsauffassung des Erstgerichtes an. Das Gericht trat ausdrücklich der Auffassung der Bank entgegen, dass das Verbraucherkreditgesetz nicht auf die Darlehen anzuwenden sei, die vor Inkrafttreten des VKrG, dem 11. Juni 2012, abgeschlossen worden sind. Gemäß § 29 Abs 3 VKrG sei ua § 11 VKrG auch auf Altverträge anzuwenden. § 11 Abs 1 VKrG sehe aber vor, dass der Kreditgeber den Verbraucher über den angepassten Sollzinssatz, die angepasste Höhe der Teilzahlungen sowie über allfällige Änderungen in der Anzahl oder der Fälligkeit der Teilzahlungen zu informieren habe, bevor eine Änderung des Sollzinssatzes wirksam wird. Eine solche Information sah die bekämpfte Klausel jedoch nicht vor (und sie wurde mit dem Schreiben der Bank im Jahr 2010 auch nicht erteilt).

Eine Revision wurde nicht zugelassen.

OLG Graz 16.05.2012, 3 R 85/12p
Volltextservice
Klagevertreter: Dr. Stefan Langer, RA in Wien

Diesen Beitrag teilen

Facebook Twitter Drucken E-Mail

This could also be of interest:

Info: Verbrauchergerichtsstand nach EUGVVO

Der Verbrauchergerichtsstand (=Wohnsitz des Konsumenten) liegt auch dann vor, wenn der tatsächliche Vertragsabschluss nicht online, sondern direkt in den Geschäftsräumlichkeiten des Unternehmers in einem anderen EU-Staat erfolgt.

Urteil: Lufthansa - Aufpreis bei Entfall eines Teilfluges rechtwidrig

Der VKI hat - im Auftrag des Konsumentenschutzministeriums - eine Verbandsklage gegen die Deutsche Lufthansa AG hinsichtlich der sogenannten "Hin- und Rückflug" Klausel und hinsichtlich der verlangten Bearbeitungsgebühr von € 35,00 bei Rückforderung von Steuern und Gebühren bei Nichtgebrauch des Tickets eingebracht. Das OLG Wien hat diese Klauseln nun als für die Kunden überraschend und nachteilig bzw als gröblich benachteiligend beurteilt.

unterstützt durch das

Sozialministerium
Zum Seitenanfang