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Urteil: EuGH zum Nacherfüllungsort nach der Verbrauchsgüterkauf-RL

Die Regelung des Nacherfüllungsorts obliegt zwar grundsätzlich den Mitgliedstaaten, der EuGH leitet aber aus den Vorgaben der Verbrauchsgüterkauf-RL zu den primären Gewährleistungsbehelfen Kriterien ab, die von den Mitgliedstaaten zu berücksichtigen sind.

Dem EuGH wurden in einem deutschen Fall Fragen zum Nacherfüllungsort nach der Verbrauchsgüterkauf-RL 1999/44 vorgelegt. Nach deutschem Recht richtet sich der Ort, an dem die primären Gewährleistungsbehelfe (Verbesserung und Austausch) zu leisten sind, in erster Linie nach einer entsprechenden vertraglichen Absprache oder in Ermangelung einer solchen nach den Umständen des Einzelfalls (wie insbesondere der Natur des Schuldverhältnisses).

Als Auffangregel ist der Wohn- oder Geschäftssitz des Unternehmers maßgeblich, wenn anders kein Ort bestimmt werden kann. Das vorlegende Gericht hatte Zweifel, ob die deutsche Rechtslage in diesem Punkt richtlinienkonform sei. Nach der Rsp des BGH müsse der Verbraucher nämlich in einem Fall wie dem Ausgangsfall, bei dem der Verbraucher telefonisch ein fünf mal sechs Meter großes Zelt bestellt und zu seinem Wohnsitz geliefert bekommen hatte, die mangelhafte Ware am Geschäftssitz des Unternehmers bereitstellen, um die primären Gewährleistungsbehelfe beanspruchen zu können.

Das vorlegende Gericht vermutete hier Probleme mit den Vorgaben der RL, insbesondere damit, dass Verbesserung und Austausch ohne erhebliche Unannehmlichkeiten für den Verbraucher vorgenommen werden sollten.     
Der EuGH erklärt in seiner Entscheidung, dass die Regelung des Nacherfüllungsort zwar grundsätzlich den Mitgliedstaaten obliege, der jeweilige Ort aber dafür geeignet sein müsse, dass innerhalb einer angemessenen Frist unentgeltlich der vertragsgemäße Zustand hergestellt werden kann, ohne dabei dem Verbraucher erhebliche Unannehmlichkeiten zu verursachen.

Um dem Erfordernis der Unentgeltlichkeit der primären Gewährleistungsbehelfe zu entsprechen, dürften sich aus der Regelung zum Nacherfüllungsort keine Kosten für den Verbraucher ergeben, die ihn von der Geltendmachung seiner Rechte abhalten könnten. Dies bedeute aber nicht, dass bei einem Nacherfüllungsort am Geschäftssitz des Unternehmers allgemein vom Verkäufer ein Vorschuss auf die Transportkosten zu leisten sei, sofern die Tatsache, dass der Verbraucher für die Transportkosten in Vorleistung treten muss, keine Belastung darstellt, die ihn von der Geltendmachung seiner Rechte abhalten könnte.

Berücksichtigt man bei der Regelung des Nacherfüllungsorts das Erfordernis der angemessenen Frist, innerhalb derer der vertragskonforme Zustand hergestellt werden muss, so könne je nach Ausgangsfall ein anderer Ort besser sein, um schnellstmöglich Reparatur oder Ersatz vorzunehmen. Der EuGH erläutert dazu, dass etwa in einem Fall, in dem der Geschäftssitz des Verkäufers in einem anderen Land ist als der Ort, an dem sich die Ware befindet, durchaus der Geschäftssitz der Ort sein könne, an dem der vertragskonforme Zustand am schnellsten hergestellt werden kann. Anderes könne gelten, wenn der Verkäufer in diesem Fall auch an dem Ort, an dem sich die Ware befindet, über ein Kundendienst- oder Transportnetz verfügt. Hier könne wiederum der Ort, an dem sich die Ware befindet, der geeignetste Nacherfüllungsort für eine schnelle Reparatur oder Ersatzlieferung sein.

Als drittes Erfordernis sei zu beachten, dass die Herstellung des vertragskonformen Zustands, unter Berücksichtigung der Art der Ware und des Zwecks, für den der Verbraucher sie benötigte, ohne erhebliche Unannehmlichkeiten für den Verbraucher zu erfolgen habe. Aus diesem Kriterium ergibt sich nach dem EuGH zwar nicht, dass der Verbraucher keinerlei Unannehmlichkeiten erleiden dürfe (Zeit und Aufwand im Zusammenhang mit Verpackung und Rückgabe). Die Unannehmlichkeiten dürften aber nicht dazu führen, dass die Belastung des Verbrauchers so groß sei, dass sie geeignet wäre, ihn von der Geltendmachung seiner Ansprüche abzuhalten.

Daraus folgt nach dem EuGH, dass etwa bei schweren, sperrigen oder zerbrechlichen Gegenständen der Geschäftssitz des Unternehmers als Nacherfüllungsort ungeeignet sein könne. Bei kompakten Waren ohne besondere Transportanforderungen die Beförderung zum Geschäftssitz des Unternehmers dagegen keine erheblichen Unannehmlichkeiten für den Verbraucher bedeuten müssten.    

EuGH 23.5.2019, C-52/18 (Fülla/Toolport)

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