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Urteil: EuGH zum Widerrufsrecht bei Fernabsatz

In gegenständlicher EuGH-Entscheidung geht es um die Frage, welche Informationen ein Unternehmer einem Verbraucher erteilen muss, wenn beim gewählten Fernkommunikationsmittel für die Darstellung der Informaionen nur begrenzter Raum bzw begrenzte Zeit zur Verfügung steht.


Der Anlassfall: Ein Unternehmer ließ einen sechsseitigen Werbeprospekt im Format von 19 x 23,7 cm als Beilage zu verschiedenen Zeitschriften und Zeitungen verbreiten. Dieser Prospekt enthielt einen Bestellschein in Form einer heraustrennbaren Postkarte. Auf das Widerrufsrecht wurde sowohl auf der Vorder- als auch auf der Rückseite der Postkarte, auf der auch die Telefon- und Faxnummer, die Internetadresse und die Postanschrift des Unternehmers genannt waren, hingewiesen. Auf der angegebenen Website erschienen unter dem Link "AGB" (Allgemeine Geschäftsbedingungen) die Widerrufsbelehrung und das Muster Widerrufsformular.

An sich muss ein Unternehmer den Verbraucher, bevor dieser durch einen Vertrag im Fernabsatz oder einen außerhalb von Geschäftsräumen geschlossenen Vertrag oder ein entsprechendes Vertragsangebot gebunden ist, umfassend informieren, insb über ein allfälliges Bestehen des Widerrufsrechts informieren und ihm das Muster Widerrufsformular gemäß deren Anhang I Teil B zur Verfügung stellen (Art 6 Abs 1 der VR-RL (RL 2011/83); § 4 Abs 1 FAGG).

Für den Fall, dass der Vertrag mittels eines Fernkommunikationsmittels geschlossen wird, auf dem für die Darstellung der Informationen nur begrenzter Raum bzw begrenzte Zeit zur Verfügung steht, muss der Unternehmer nur über das jeweilige Fernkommunikationsmittel vor dem Abschluss des Vertrags nur einige bestimmte vorvertraglichen Informationen erteilen, darunter die in Art 6 Abs 1 lit h der VR-RL genannte Information über das Widerrufsrecht. In einem solchen Fall müssen dem Verbraucher die anderen vorvertraglichen Informationen in klarer und verständlicher Sprache in einer den benutzten Fernkommunikationsmitteln angepassten Weise erteilt werden (Art 8 Abs 4 VR-RL).

Wie aus dem ErwGr 36 VR-RL hervorgeht, sollten bei Fernabsatzverträgen die Informationspflichten so angepasst werden, dass den technischen Beschränkungen, denen bestimmte Medien unterworfen sind, Rechnung getragen werden kann, wie zum Beispiel der beschränkten Anzahl der Zeichen auf bestimmten Displays von Mobiltelefonen oder dem Zeitrahmen für Werbespots im Fernsehen. In diesen Fällen sollte sich der Unternehmer an Mindestanforderungen hinsichtlich der Information halten und den Verbraucher an eine andere Informationsquelle verweisen, beispielsweise durch Angabe einer gebührenfreien Telefonnummer oder eines Hypertext-Links zu einer Internetseite des Unternehmers, auf der die einschlägigen Informationen unmittelbar abrufbar und leicht zugänglich sind.

So kann es dem Unternehmer, wenn er für den Abschluss eines Vertrags mit einem Verbraucher auf ein bestimmtes Fernkommunikationsmittel zurückgreift, unmöglich sein, dem Verbraucher im Rahmen dieser Kommunikation alle in Art 6 Abs 1 VR-RL genannten Informationen zu erteilen.

Die Frage, ob in einem konkreten Fall auf dem Kommunikationsmittel für die Darstellung der Informationen nur begrenzter Raum bzw begrenzte Zeit iSv Art 8 Abs 4 VR-RL zur Verfügung steht, ist unter Berücksichtigung sämtlicher technischer Eigenschaften der Werbebotschaft des Unternehmers zu beurteilen. Hierbei ist zu prüfen, ob unter Berücksichtigung des Raumes und der Zeit, die von der Botschaft eingenommen werden, und der Mindestgröße des Schrifttyps, der für einen durchschnittlichen Verbraucher, an den diese Botschaft gerichtet ist, angemessen ist, alle in Art 6 Abs 1 VR-RL genannten Informationen objektiv in dieser Botschaft dargestellt werden könnten. Hingegen sind die vom betreffenden Unternehmer getroffenen Entscheidungen hinsichtlich der Aufteilung und der Nutzung des Raumes und der Zeit, über die er gemäß dem Kommunikationsmittel verfügt, für das er sich entschieden hat, für diese Beurteilung irrelevant.

Sollte festgestellt werden, dass auf dem Fernkommunikationsmittel für die Darstellung der Informationen nur begrenzter Raum bzw. begrenzte Zeit zur Verfügung steht, ist dann zu prüfen, ob der Unternehmer gemäß Art 8 Abs 1 und 4 VR-RL dem Verbraucher die anderen in Art 6 Abs 1 VR-RL genannten Informationen auf andere Weise klar und verständlich erteilt hat.

Die Pflicht des Unternehmers, unter allen Umständen die in Art 8 Abs 4 Satz 1 VR-RL genannten Informationen zu erteilen, betrifft nur bestimmte der Informationen, deren Mitteilung an den Verbraucher vor Abschluss des Fernabsatzvertrags gemäß Art 6 Abs 1 dieser Richtlinie verpflichtend ist. Zu diesen Informationen, die dem Verbraucher in jedem Fall erteilt werden müssen, gehört diejenige zum Widerrufsrecht, in der in Art 6 Abs 1 lit h VR-RL genannten Form.
Angesichts der Bedeutung des Widerrufsrechts für den Verbraucherschutz ist die vorvertragliche Information über dieses Recht für den Verbraucher von grundlegender Bedeutung und erlaubt ihm, die Entscheidung, ob er den Fernabsatzvertrag mit dem Unternehmer abschließen soll oder nicht, in Kenntnis der Sachlage zu treffen. Um von dieser Information vollumfänglich profitieren zu können, muss der Verbraucher im Vorhinein die Bedingungen, Fristen und Verfahren für die Ausübung des Widerrufsrechts kennen.

Wird der Vertrag mittels eines Fernkommunikationsmittels geschlossen, auf dem für die Darstellung der Informationen nur begrenzter Raum bzw begrenzte Zeit zur Verfügung steht, ist der Unternehmer nicht verpflichtet, dem Verbraucher zeitgleich mit dem Einsatz dieses Kommunikationsmittels das Muster Widerrufsformular zur Verfügung zu stellen. Zum einen ist nämlich der Umstand, anhand dieses Mittels vor dem Abschluss des Vertrags über ein solches Musterformular zu verfügen, nicht geeignet, die Entscheidung des Verbrauchers zu beeinflussen, einen Fernabsatzvertrag zu schließen oder nicht; zum anderen würde eine Pflicht, dem Verbraucher dieses Musterformular unter allen Umständen zur Verfügung zu stellen, die Gefahr in sich bergen, dem Unternehmer eine unverhältnismäßige – oder in bestimmten Fällen wie insbesondere telefonisch geschlossenen Verträgen – sogar untragbare Last aufzuerlegen. Insoweit ist die Mitteilung dieses Musterformulars auf andere Weise in klarer und verständlicher Sprache ausreichend.

EuGH 23.1.2019, C-430/17 (Walbusch Walter Busch)

Das Urteil im Volltext.

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