Die Konsumentin hatte im Ausgangsfall ihren Koffer entgegen dem Hinweis auf der Buchungsbestätigung nicht mit Name und Adresse gekennzeichnet. Der Busfahrer, dem dies auffallen hätte müssen, wies die Konsumentin aber weder darauf hin, noch gab er ihr ein Gepäckband bzw einen Gepäckabschnitt, mit dem der Koffer gekennzeichnet und der Passagierin zugeordnet werden hätte können, als er den Koffer in den nur von außen zugänglichen Gepäckraum im Bauch des Busses räumte. Der Bus hielt auf der Strecke von Wien nach Bratislava an mehreren Haltestellen und die Passagiere, die jeweils ausstiegen, entnahmen selbstständig ihr Gepäck. Die Konsumentin, die als Letztes ausstieg, fand nur noch einen Koffer vor, nachdem der Busfahrer alle verbliebenen Gepäckstücke auf den Gehsteig gestellt hatte und die Passagiere diese selbstständig entnommen hatten. Die Konsumentin nahm den Koffer erst an sich, bemerkte aber schnell, dass dieser nicht der ihre war. Als sie dies beim Busfahrer reklamieren wollte, fuhr dieser bereits ab. Ihr eigener Koffer tauchte nicht mehr auf.
Das Busunternehmen hat bei Cross-Border-Linien selbstklebende Gepäckbänder in Verwendung, welche nummeriert sind. Der Fahrer sollte die Gepäckbänder von sich aus ausgeben, jedenfalls aber auf Nachfrage durch den Kunden. Eine Kontrolle der Gepäckabschnitte bei der Gepäckausgabe erfolgt aber "aus operativen Gründen" selten oder gar nicht. Die Konsumentin erhielt im vorliegenden Fall kein Gepäckband. Sie hatte den Fahrer nicht danach gefragt und dieser hat ihr ein solches auch nicht von sich aus angeboten.
In den AGB der Beklagte wird die Haftung für Verlust von Gepäckstücken, der nicht im Zusammenhang mit einem Unfall steht, sowie für Vertausch oder Diebstahl der Gepäckstücke wird die Haftung für leichte Fahrlässigkeit ausgeschlossen. In einer anderen Klausel wird dagegen bestimmt, dass bei einer Verletzung wesentlicher Vertragspflichten auch für leichte Fahrlässigkeit gehaftet würde.
Der VKI hatte Flixbus auf Schadenersatz für den Koffer samt Inhalt verklagt, da der Verlust des Koffers dem Busunternehmen zuzurechnen sei, weil die Gepäckausgabe nicht kontrolliert worden war. Flixbus hatte dagegen vorgebracht, dass die Gepäckbeförderung kostenfrei erfolge und keine Hauptleistungspflicht darstelle. Zudem treffe die Beklagte kein Verschulden. Wenn überhaupt, so bestehe nach § 46 Kfl-Bef Bed (Allgemeine Beförderungsbedingungen für den Kraftfahrlinienverkehr) für ordnungsgemäß aufgegebenes Reisegepäck auch nur eine Haftung bis zum Höchstbetrag von 200 EUR je Gepäckstück.
Das Erstgericht urteilte, dass die Beförderung des Gepäcks Teil des Vertrags sei und daher nicht kostenfrei erfolgte. Der Busfahrer habe weder die Verwendung von Gepäckbändern noch die Ausgabe des Gepäcks überwacht und damit leicht fahrlässig gehandelt. Der Haftungsausschluss in den AGB sei intransparent und daher nichtig. Die Passagierin treffe allerdings ein Mitverschulden, weil sie ebenso keine Kennzeichnung verwendet habe. Das Unternehmen hafte daher im Verhältnis 2:1. Da der Inhalt des Koffers allerdings nicht festgestellt werden konnte, sprach das Erstgericht nur einen Schadenersatz von zwei Drittel des Werts für den Koffer selbst zu.
Das Berufungsgericht gab der Berufung des Klägers nicht Folge. § 46 Kfl-Bef Bed sehe zwar vor, dass das Unternehmen für ordnungsgemäß aufgegebenes Reisegepäck bei leichter Fahrlässigkeit je Gepäckstück mit maximal 200 EUR hafte. Eine generelle verschuldensunabhängige Haftung für den Verlust des Transportgutes werde aber nach Ansicht des Berufungsgerichts nicht normiert und es existiere auch keine Haftungsregelung für nicht ordnungsgemäß aufgegebenes Reisegepäck. Durch die Übernahme des Reisegepäcks in den dafür vorgesehenen Raum des Busses treffe die Beklagte nach dem Gericht nur die Verpflichtung, das Reisegepäck so zu platzieren, dass Gepäckstücke während der Fahrt nicht beschädigt werden. Daraus sei aber die Übernahme einer Pflicht zur Prüfung der Berechtigung der einzelnen Fahrgäste an - ohne Gepäckschein aufgegebenem - Reisegepäck nicht abzuleiten. Das Berufungsgericht verwies hierzu auf die Entscheidung 1 Ob 231/15z, nach der es von einer Beaufsichtigungsobliegenheit des Reisenden ausging und entsprechend jegliches Verschulden der Beklagten verneinte und die Klage abwies.
Der OGH gab nun der Revision des VKI Folge und entschied, dass Flixbus grundsätzlich für den Gepäckverlust hafte. Das Busunternehmen hafte nach § 46 Kfl-Bef Bed bis zum Höchstbetrag von 200 EUR. Für die Frage, ob die Beklagte im Rahmen des Beförderungsvertrags auch eine Aufsichtspflicht für das Reisegepäck zu übernehmen hat und gegebenenfalls in welchem Umfang, kommt es nach dem OGH mit Verweis auf seine Entscheidung 1 OB 231/15z insbesondere darauf an, welche Bereiche des Fahrzeugs den Passagieren für das Reisegepäck zur Verfügung gestellt werden und inwieweit diesen dort auch eine effektive Kontrolle ihres Reisegepäcks möglich und zumutbar sei. Bei einer Unterbringung des Gepäcks in einem nur von außen zugänglichen Gepäckraum sei eine ständige Kontrolle beim Ein-, Aus- und Zustieg von anderen Passagieren am Abreise- und Ankunftsterminal sowie an den dazwischen liegenden Haltestellen dem einzelnen Passagier nach dem OGH aber weder tatsächlich möglich noch zumutbar, sodass er insofern das Vertauschen oder den Diebstahl von Reisegepäck nicht durch eigene Aufsicht und Kontrolle effektiv unterbinden könne (anders als in der zitierten Entscheidung). Es sei daher davon auszugehen, dass insbesondere betreffend den Schutz des Reisegepäcks vor Verwechslung und Diebstahl die Beklagte eine Obhutspflicht treffe. Zweckmäßig sei hier nach § 34 Kfl-Bef Bed die Auf- und Ausgabe von Reisegepäck gegen einen Gepäckschein.
Die Haftungsbegrenzung für leichte Fahrlässigkeit nach den AGB sei nach dem OGH nicht relevant und daher nicht auf ihre allfällige Unzulässigkeit zu überprüfen, da der Beklagten im vorliegenden Fall grob fahrlässiges Verhalten anzulasten sei. Der Busfahrer hätte der betroffenen Konsumentin einen Gepäckschein ausstellen müssen und das Gepäckstück gegen Vorlage des Gepäckschein aushändigen müssen. Die eigenständige Gepäckentnahme durch die Passagiere erhöhe die Gefahr einer Verwechslung. Der Busfahrer habe hier grob fahrlässig gehandelt. Da die Konsumentin ihr Gepäck jedoch selbst auch nicht gekennzeichnet habe, trage sie ein Mitverschulden. Der Schaden sei daher im Verhältnis 2:1 vom Busunternehmen zu tragen. Der OGH hob daher die Entscheidung des Berufungsgerichts auf und wies das Verfahren zur neuerlichen Entscheidung an das Berufungsgericht, da dieses infolge seiner abweichenden Rechtsansicht die in der Berufung zur Schadenshöhe erhobene Tatsachen und Verfahrensrüge nicht erledigt habe (ungeklärt war die Bewertung des Inhalts des Koffers). Nach der allein noch zu klärenden Schadenshöhe wird die Beklagte nach dem OGH jedoch für 2/3 des Schadens zu haften haben.
Der Beschluss ist rechtskräftig.
OGH 24.4.2020, 7 Ob 184/19p
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Klagsvertreter: Dr. Gerhard Deinhofer, Rechtsanwalt in Wien