Die Klägerin ZX kaufte online ein Flugticket für einen von Ryanair durchgeführten Flug von Porto (Portugal) nach Barcelona (Spanien). Für die Verspätung dieses Fluges begehrte die Klägerin eine Ausgleichszahlung iHv 250 EUR als Entschädigung. Sie reichte die Klage in Gerona in Spanien ein. Die Klägerin hat weder ihren Wohnsitz noch ihren gewöhnlichen Aufenthalt in Spanien. Die beklagte Ryanair hat ihren Sitz in Irland und eine Zweigniederlassung in Gerona (Spanien).
Die FluggastrechteVO (261/2004) enthält keine Vorschriften über die internationale Zuständigkeit der Gerichte der Mitgliedstaaten, so dass die Frage der internationalen Zuständigkeit eines Gerichts eines Mitgliedstaats anhand der EuGVVO (1215/2012) zu prüfen ist.
Die Klägerin hatte ihre Klage nicht auf Art 7 Nr 1 lit b EuGVVO gestützt (besondere Zuständigkeit aufgrund des Erfüllungsorts der Verpflichtung; mit der Begründung, dass der Abflug- oder der Ankunftsort des Fluges im Gerichtsbezirk dieses Gerichts liege; vgl EuGH C‑204/08, Rehder).
Die Bestimmungen von Artt 17 ff (Zuständigkeit bei Verbrauchersachen) kommen auf reine Beförderungsverträge nicht zur Anwendung (hingegen schon bei Pauschalreisen) (Art 17 Abs 3 EuGVVO).
Gerichtsstand der Zweigniederlassung (Art 7 Nr 5 EuGVVO)
Nach Art 7 Nr 5 EuGVVO kann eine Person, die ihren Wohnsitz im Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaats hat, in einem anderen Mitgliedstaat verklagt werden, wenn es sich um Streitigkeiten aus dem Betrieb einer Zweigniederlassung, und zwar vor dem Gericht des Ortes, an dem sich diese befindet.
Nach stRsp des EuGH kann anhand von zwei Kriterien ermittelt werden, ob ein gerichtliches Verfahren in Bezug auf den Betrieb einer Zweigniederlassung mit einem Mitgliedstaat verbunden ist. Zum einen setzt der Begriff "Zweigniederlassung" einen Mittelpunkt geschäftlicher Tätigkeit voraus, der auf Dauer als Außenstelle eines Stammhauses hervortritt. Dieser Mittelpunkt muss eine Geschäftsführung haben und sachlich so ausgestattet sein, dass er in der Weise Geschäfte mit Dritten betreiben kann, dass diese sich nicht unmittelbar an das Stammhaus zu wenden brauchen. Zum anderen muss der Rechtsstreit entweder Handlungen betreffen, die sich auf den Betrieb einer Zweigniederlassung beziehen, oder Verpflichtungen, die diese im Namen des Stammhauses eingegangen ist, wenn die Verpflichtungen in dem Staat zu erfüllen sind, in dem sich die Zweigniederlassung befindet.
Im vorliegenden Fall hatte die Klägerin das Flugticket online gekauft. Somit deutet nichts in dieser Entscheidung darauf hin, dass der zwischen der Klägerin und der Fluggesellschaft geschlossene Beförderungsvertrag über diese Zweigniederlassung geschlossen wurde.
Daraus folgt, dass es keine Anhaltspunkte für die Feststellung gibt, dass die Zweigniederlassung an dem Rechtsverhältnis zwischen Ryanair und der Klägerin beteiligt war, so dass das vorlegende Gericht nicht nach Art 7 Nr 5 EuGVVO zuständig sein kann.
Zuständigkeitsbegründung durch rügelose Einlassung (Art 26 EuGVV)
Sofern das Gericht eines Mitgliedstaats nicht bereits nach anderen Vorschriften der EuGVVO zuständig ist, wird es zuständig, wenn sich der Beklagte vor ihm auf das Verfahren einlässt. Dies gilt ua dann nicht, wenn der Beklagte sich einlässt, um den Mangel der Zuständigkeit geltend zu machen (Art 26 Abs 1 EuGVVO) (stillschweigende Anerkennung der Zuständigkeit).
Die Beklagte hatte beim spanischen Gericht keine Stellungnahme eingereicht, auch nicht zur eventuellen internationalen Zuständigkeit. Daher liegt keine Einlassung iSv Art 26 EuGVVO vor. Art 26 EuGVVO ist nicht anwendbar.
EuGH 11.4.2019, C-464/18 (ZX/Ryanair DAC)