Der Anleger wollte Auszahlungen aus einer Lebensversicherung in Höhe von Euro 35.000 sicher veranlagen, um die zukünftige Versorgung seines behinderten Kindes sicherzustellen. Die Raiffeisenlandesbank NÖ-Wien schlug ihm daraufhin vor, er solle sein Geld in den MPC Hollandfonds 50 investieren. Ein paar Monate später erfolgte eine weitere Investition iHv Euro 27.000 in den MPC-Fonds Holland 54, der von der Raiffeisengruppe exklusiv vertrieben wurde.
Nach Ansicht des HG Wien liegen gleich mehrere gravierende Beratungsfehler vor, weil der Anleger weder im ersten noch im zweiten Beratungsgespräch konkret und ausführlich über die besonderen Eigenschaften des von ihm zu erwerbenden Produktes aufgeklärt wurde. So wurde er pflichtwidrig nicht darüber informiert, dass
- er nicht nur einen Fonds, sondern eine gesellschaftsrechtliche Position erwirbt
- es sich bei den Ausschüttungen nicht um Gewinne handelt
- ein Totalverlustrisiko besteht
- erst nach zehn Jahren eine erstmalige Kündigungsmöglichkeit besteht, wobei ein Auseinandersetzungsguthaben auch dann nur in Raten ausbezahlt wird
Kein Mitverschulden: Dass der Anleger vor Unterfertigung die Risikohinweise auf den Beitrittsformularen nicht gelesen hat, weil er "die Beklagte für eine seriöse Bank hielt und davon ausging, die bestmögliche Beratung erhalten zu haben", begründet nach dem HG Wien - entgegen dem Einwand der beklagten Bank - kein ersatzminderndes Mitverschulden. Vielmehr besteht aufgrund der positiven Anpreisungen der Berater keinerlei Grund zur Annahme, dass sich auf den Beitrittserklärungen bzw dem Anlegerprofil weitere Informationen befinden könnten, die auf wesentliche Risiken hindeuten, über welche der Anleger nicht aufgeklärt wurde.
Keine Verjährung: Der Schadenersatzanspruch ist nicht verjährt, weil der Anleger erst 2013 über die Medien erfuhr, dass es bei den von ihm erworbenen Holland-Fonds Probleme gibt. Dass er zuvor bereits die an ihn verschickten Kurzreporte der Treuhandgesellschaft regelmäßig gelesen hat und im Jahr 2007 vom geplanten Umstrukturierungskonzept unterrichtet worden war, begründet keine fristauslösende Kenntnis iSd § 1489 S 1 ABGB.
Das Urteil ist nicht rechtskräftig (Stand 07.04.2015).
HG Wien 03.04.2015, 59 Cg 1/14h
Klagsvertreter: Dr. Sebastian Schumacher, RA in Wien