Zum Inhalt

Urteil: "Hutchison Drei" hat kein Recht zur unbeschränkten Entgeltänderung

Auch das Oberlandesgericht Wien (OLG Wien) gab nun dem VKI Recht und beurteilte eine Klausel als nichtig, die uneingeschränkt einseitige Entgeltänderungen ermöglicht. Eine einseitige Entgelterhöhung ist nur unter den Voraussetzungen der Konsumentenschutzbestimmungen und zulässig.

Der VKI führt im Auftrag des Sozialministeriums eine Verbandsklage gegen den Mobilfunkanbieter Hutchison Drei, um die einseitige Entgelterhöhung und die der Entgeltänderung zugrundeliegende Klausel zu bekämpfen, und bekam nun auch vor dem OLG Wien Recht.

Hutchison Drei erhöhte im September 2016 bei 16 Tarifen das monatliche Grundentgelt um bis zu EUR 3,00 und führte unter anderem eine jährliche Servicepauschale von EUR 20,00 ein.

Den Kern des gegenständlichen Verfahrens bildet die Frage, ob das grundsätzliche Änderungsrecht des § 25 TKG (Telekommunikationsgesetz) inhaltlich oder umfangmäßig begrenzt ist.

Gemäß § 25 Abs 2 TKG haben Betreiber von Kommunikationsnetzen oder -diensten "Änderungen ihrer Allgemeinen Geschäftsbedingungen und Entgeltbestimmungen [...] vor ihrer Wirksamkeit der Regulierungsbehörde anzuzeigen und in geeigneter Form kundzumachen. Für den Teilnehmer nicht ausschließlich begünstigende Änderungen gilt eine Kundmachungs- und Anzeigefrist von zwei Monaten. Im Übrigen bleiben die Bestimmungen des Konsumentenschutzgesetzes, BGBl. Nr. 140/1979, (KSchG), sowie des Allgemeinen bürgerlichen Gesetzbuches unberührt." Gemäß § 25 Abs 3 TKG ist "[d]er wesentliche Inhalt der nicht ausschließlich begünstigenden Änderungen [...] dem Teilnehmer mindestens ein Monat vor In-Kraft-Treten der Änderung in geeigneter Form, etwa durch Aufdruck auf einer periodisch erstellten Rechnung, mitzuteilen. Gleichzeitig ist der Teilnehmer auf den Zeitpunkt des In-Kraft-Tretens der Änderungen hinzuweisen sowie darauf, dass er berechtigt ist, den Vertrag bis zu diesem Zeitpunkt kostenlos zu kündigen. [...]."

Hutchison Drei verwendet im geschäftlichen Verkehr mit Verbrauchern folgende Klausel, die das OLG Wien für unzulässig erklärt hat:

"7.3 Wie erfolgt die Änderung von AGB und Entgeltbestimmungen?
Von Drei beabsichtigte Änderungen der Allgemeinen Geschäftsbedingungen und Entgeltbestimmungen werden durch Veröffentlichung in geeigneter Form (zB: im Amtsblatt zur Wiener Zeitung oder im Internet unter www.drei.at) kundgemacht. Für Änderungen, die den Kunden nicht ausschließlich begünstigen, gilt dabei eine Kundmachungsfrist von zwei Monaten. Der wesentliche Inhalt sowie der Zeitpunkt des Inkrafttretens dieser den Kunden nicht ausschließlich begünstigenden Änderungen werden dem Kunden mindestens einen Monat vor Inkrafttreten in geeigneter Form, etwa durch Aufdruck auf einer periodisch erstellten Rechnung, mitgeteilt. In dieser Mitteilung wird der Kunde gemäß § 25 Abs. 3 TKG auch darauf hingewiesen, dass er berechtigt ist, den Vertrag bis zum Zeitpunkt des Inkrafttretens kostenlos zu kündigen. Auf Ersuchen des Kunden wird der Volltext der Änderungen übermittelt
."

Bei kundenfeindlichster Auslegung ist die Klausel so zu verstehen, dass die Beklagte die Entgelthöhe und den Leistungsumfang ohne jegliche inhaltliche Schranke einseitig ändern darf. Ein allumfassendes einseitiges Vertragsänderungsrecht ist laut OLG Wien als intransparent und gröblich benachteiligend einzustufen.

Das OLG Wien prüfte, ob der "Unberührtheitsvorbehalt" des § 25 Abs 2 TKG die Anwendung von § 6 Abs 1 Z 5 und Abs 2 Z 4 KSchG bei Vertragsänderungen betreffend die Entgelthöhe erforderlich macht und bejahte dies.

§ 6 Abs 1 Z 5 KSchG beschränkt einseitige Änderungen des Entgeltes durch den Unternehmer. Gemäß § 6 Abs 1 Z 5 KSchG sind für den Verbraucher solche Vertragsbestimmungen nicht verbindlich, nach denen dem Unternehmer auf sein Verlangen für seine Leistung ein höheres als das bei der Vertragsschließung bestimmte Entgelt zusteht, es sei denn, dass der Vertrag bei Vorliegen der vereinbarten Voraussetzungen für eine Entgeltänderung auch eine Entgeltsenkung vorsieht, dass die für die Entgeltänderung maßgebenden Umstände im Vertrag umschrieben und sachlich gerechtfertigt sind sowie dass ihr Eintritt nicht vom Willen des Unternehmers abhängt.

Die Bestimmung berücksichtigt - wie das OLG Wien ausführt - einerseits das vor allem bei längeren vertraglichen Beziehungen legitime Bedürfnis des Unternehmers, den Preis bei nachträglicher Änderung der hierfür maßgeblichen objektiven Faktoren anzupassen. Andererseits soll sie die Vertragstreue sichern, den Verbraucher vor überraschenden Preiserhöhungen schützen und dazu beitragen, dass der unmittelbar vor dem Vertragsabschluss vorgenommene Preisvergleich nicht verfälscht wird.

Nach dem OLG Wien weist die Zielsetzung des § 6 Abs 1 Z 5 KSchG augenscheinliche Parallelen zu jenen, die im Zusammenhang mit der Entgelthöhe in der Universaldienstrichtlinie statuiert werden, auf. Legt man diese ausdrücklich festgehaltene Zielsetzung der Universaldienstrichtlinie, nämlich die Tariftransparenz und Vertragssicherheit der Auslegung des § 25 TKG, mit dem Art 20 der Universaldienstrichtlinie innerstaatlich umgesetzt wurde, zugrunde, so muss laut OLG Wien in richtlinienkonformer Interpretation der im österreichischen Gesetz normierte Unberührtheitsvorbehalt des § 25 Abs 2 TKG dahingehend verstanden werden, dass auch § 6 Abs 1 Z 5 KSchG von dieser Norm, als dasselbe Ziel verfolgend, nämlich die Vorhersehbarkeit und Rechtssicherheit über das geschuldete Entgelt, unberührt geblieben ist.

Eine teleologische Auslegung unter Berücksichtigung der unionsrechtlichen Vorgaben durch die Universaldienstrichtlinie führt auch aus einer weiteren Überlegung des OLG Wien zu dem Ergebnis, dass Entgeltänderungen der Höhe nach nur bei Vereinbarung eines Änderungsvorbehaltes nach § 6 Abs 1 Z 5 KSchG erfolgen dürfen:

Wenn die Richtlinie nämlich einen Mindestinhalt der vertraglich festgelegten Entgeltbestimmungen vorschreibt, und dabei erwähnt, dass die Einzelheiten über Preise und Tarife im Vertrag in klarer und umfassender Form anzuführen sind, würde ein gleichzeitig uneingeschränktes einseitiges Änderungsrecht in diesem Bereich (Entgelthöhe) die in der Richtlinie geforderte Vertragsklarheit sofort wieder aushebeln können.

Zusammenfassend kommt das OLG Wien daher zu folgendem Ergebnis:

Mit § 25 Abs 2 und Abs 3 TKG wurde dem Betreiber von Kommunikationsnetzen oder -diensten grundsätzlich eine einseitige Ermächtigung zur Vertragsänderung eingeräumt, die jedoch zumindest im Bereich der vom Teilnehmer zu leistenden Entgelthöhe in ihrem Umfang durch § 6 Abs 1 Z 5 KSchG beschränkt wird.

Das bedeutet, dass die hier in Rede stehende Klausel mangels Hinweises auf diese inhaltliche Gestaltungsschranke (Notwendigkeit der Vereinbarung eines Entgeltänderungsvorbehaltes iSd § 6 Abs 1 Z 5 KSchG) dem Konsumenten kein klares Bild über seine Rechtsposition verschafft, sodass auch aus dieser Überlegung die Klausel als intransparent iSd § 6 Abs 3 KSchG zu bewerten ist.

Des Weiteren erkannte das OLG Wien "Hutchison Drei" für schuldig, "es im geschäftlichen Verkehr mit Verbrauchern künftig zu unterlassen, bei bestehenden Verträgen, in welchen keine wirksame Vereinbarung über die Durchführung von Entgeltänderungen getroffen wurde oder lediglich die oben genannte Klausel und/oder eine sinngleiche Klausel vereinbart worden ist, ohne Zustimmung des Kunden
1) Erhöhungen des Grundentgeltes - ausgenommen solchen, die sich aus der vertraglich vereinbarten Wertsicherungsklausel ergeben - vorzunehmen,
2) neue Wertsicherungsklauseln in den Vertrag einzuführen oder bestehende Wertsicherungsklauseln zu ihren Gunsten abzuändern,
3) neue Entgelt oder Gebühren, insbesondere eine Servicepauschale von EUR 20,00 in den Vertrag einzuführen, oder sinngleiche Praktiken anzuwenden
."

In Beantwortung der Frage, gegen welches gesetzliche Gebot oder Verbot die Beklagte durch die einseitige Tariferhöhung und Neueinführung von neuen Entgeltbestandteilen sowie die Veränderung der vertraglich vereinbarten Wertsicherungsklausel verstieß, führte das OLG Wien insbesondere aus, dass eine einseitige Erhöhung des Entgeltes nur unter den Voraussetzungen des § 6 Abs 1 Z 5 KSchG und der Vereinbarung eines entsprechenden Änderungsvorbehaltes zulässig ist. Die beschriebenen Praktiken verstoßen daher konkret gegen § 6 Abs 1 Z 5 KSchG.

Die ordentliche Revision wurde zugelassen.

Das Urteil ist nicht rechtskräftig.
(Stand:9.4.2018)

OLG Wien 28.02.2018, 2 R 86/17g
Volltextservice
Klagsvertreter: Dr. Stefan Langer, Rechtsanwalt in Wien

Anmerkung (10.8.2018):

Der OGH hat mit der E vom 17.7.2018, 4 Ob 113/18y die Klage des VKI abgewiesen. Telekommunikationsanbieter haben - so die Entscheidung - ein gesetzliches einseitiges Änderungsrecht.

Lesen Sie mehr:

Diesen Beitrag teilen

Facebook Twitter Drucken E-Mail

This could also be of interest:

VKI: Gesetzwidrige Klauseln bei Streaming-Anbieter DAZN

VKI: Gesetzwidrige Klauseln bei Streaming-Anbieter DAZN

Der VKI hatte im Auftrag des Sozialministeriums die DAZN Limited (DAZN), mit Sitz in London, wegen unzulässiger Klauseln in den AGB geklagt. DAZN ist ein führender Anbieter von Onlinediensten zur Übertragung von Sportveranstaltungen.

Unzulässige Klausel zum Kundendatenabgleich bei Sky Österreich

Unzulässige Klausel zum Kundendatenabgleich bei Sky Österreich

Der VKI hatte die Sky geklagt, nachdem diese ihren Kund:innen angekündigt hatte, personenbezogene Daten mit der Österreichischen Post abgleichen zu wollen. Der OGH wertete die zugrundeliegende Vertragsbedingung und zwei weitere Datenschutzklauseln von Sky für unzulässig.

Klausel zur Abrechnung von Datenvolumen bei A1-Marke „Bob“ unzulässig

Der Verein für Konsumenteninformation (VKI) hatte im Auftrag des Sozialministeriums die A1 Telekom Austria AG (A1) wegen einer Klausel in den Entgeltbestimmungen des Tarifs minibob geklagt. Dort wurde festgelegt, dass die Abrechnung in ganzen Blöcken zu je einem Megabyte (MB) pro Session erfolgen sollte. Der Oberste Gerichtshof (OGH) bestätigte nun die Rechtsansicht des VKI, dass eine solche Verrechnungsklausel unzulässig ist. Es blieb vollkommen unklar, wie eine Session definiert sein soll.

Urteil: Irreführende „5G-Ready“-Werbung von T-Mobile

Der Verein für Konsumenteninformation (VKI) hat im Auftrag des Sozialministeriums den Telekommunikationsanbieter T-Mobile wegen irreführender Bewerbung der „5G-Ready“-Tarife geklagt und bekam nun vom Handelsgericht (HG) Wien Recht: Nach Auffassung des Gerichts erweckt die Werbung den unrichtigen Eindruck, Kunden könnten bei den mit „5G-Ready“ beworbenen Tarifen bereits den Kommunikationsstandard 5G nutzen. Tatsächlich handelte es sich bei „5G-Ready“ lediglich um eine Option, die es dem Kunden ermöglicht, zu einem späteren Zeitpunkt ohne Vertragsverlängerung und Zusatzkosten auf einen 5G-fähigen Tarif zu wechseln, sobald dieser verfügbar ist. Das Urteil ist nicht rechtskräftig.

Urteil: A1-Kundenhotline: Keine Zusatzkosten für Anrufe bei vorhandenen Freiminuten

Der VKI klagte - im Auftrag des Sozialministeriums - A1 wegen einer unzulässigen Geschäftspraktik und einer unzulässigen Klausel. Das OLG Wien bestätigte dem VKI im Verfahren gegen A1 (Marke "Georg"), dass in Tarifen inkludierte Freiminuten auch zur Helpline gelten müssen. Zudem muss es auch Internetkunden möglich sein, dass sie die bestehende Hotline zum Grundtarif erreichen können.

unterstützt durch das

Sozialministerium
Zum Seitenanfang