Zum Inhalt

Urteil: Internationale Zuständigkeit bei Verkehrsunfall

Die Kläger nahmen beim Gericht ihres Wohnsitzes in Österreich die in Italien ansässigen Beklagten auf Schadenersatz wegen eines Verkehrsunfalls in Italien in Anspruch. Die Erstbeklagte war die Halterin des Beklagtenfahrzeugs, die Zweitbeklagte die Haftpflichtversicherung.

Aus der Rsp des EuGH ergibt sich, dass der Geschädigte den Haftpflichtversicherer nach Art 13 Abs 2 iVm Art 11 Abs 1 lit b EuGVVO 2012 an seinem Wohnsitz klagen kann, wenn eine solche Direktklage zulässig ist. Art 13 Abs 2 EuGVVO begründet aber schon nach seinem Wortlaut nur einen Gerichtsstand für Klagen gegen den Versicherer. Das entspricht dem vom EuGH betonten Zweck der besonderen Vorschriften in Versicherungssachen, die dem (jeweiligen) Gegner des Versicherers als typischerweise schwächerer Partei besonderen zuständigkeitsrechtlichen Schutz gewähren. Weder Wortlaut noch Zweck dieser Bestimmungen erfasst die Klage gegen den Lenker oder Halter eines Kraftfahrzeugs.

Auf den Gerichtsstand der Streitgenossenschaft nach Art 8 Nr 1 EuGVVO können sich die Kläger schon deswegen nicht stützen, weil dessen Anwendung nach dem eindeutigen Wortlaut der Bestimmung den Wohnsitz eines der Beklagten im Staat des angerufenen Gerichts voraussetzt. Das bloße Interesse an einer einheitlichen Entscheidung kann die Anwendung von Art 8 Nr 1 EuGVVO bei Fehlen eines Wohnsitzes im Gerichtsstaat nicht rechtfertigen; auch die Regelung zu konnexen Verfahren (Art 30 EuGVVO) begründet keinen allgemeinen Gerichtsstand des Sachzusammenhangs.

Auch aus Art 13 Abs 3 EuGVVO kann nicht abgeleitet werden, dass dieses Gericht am Wohnsitz des Geschädigten auch für eine Klage des Geschädigten gegen den für den Schaden haftenden Versicherungsnehmer oder Versicherten zuständig wäre. Art 13 Abs 3 EuGVVO 2012 erfasst nur die Rechtsverfolgung durch den mit Direktklage in Anspruch genommenen Versicherer. Eine Regressklage des Versicherers gegen den Versicherungsnehmer oder Versicherten und damit auch eine insofern erfolgende Streitverkündung beruht auf dem Versicherungsvertrag und ist daher jedenfalls eine Versicherungssache iSd Art 10 ff EuGVVO 2012. Damit ist Art 13 Abs 3 EuGVVO 2012 jedenfalls anwendbar. Hingegen beruhen der Anspruch des Geschädigten gegen den gegnerischen Halter und Lenker ausschließlich auf dem allgemeinen Schadenersatzrecht. Der Umstand, dass diese Personen typischerweise zugleich Versicherte einer (Pflicht-)Haftpflichtversicherung sind, macht diesen Anspruch nicht zu einer Versicherungssache. Es wäre daher systemwidrig, ihn dennoch dem Regime von Art 13 Abs 3 EuGVVO 2012 zu unterstellen. Das Interesse des Geschädigten an einer einfachen Schadensabwicklung ist regelmäßig durch die nach der Rechtsprechung des EuGH unter Art 13 Abs 2 EuGVVO 2012 fallende Direktklage gegen den Haftpflichtversicherer gewahrt. Dem Versicherer kann wegen seiner wirtschaftlichen Stärke die Rechtsverteidigung im Ausland zugemutet werden; Lenker und Halter hingegen typischerweise nicht.

OGH 30.10.2018, 2 Ob 189/18k

Das Urteil im Volltext.

Lesen Sie mehr:

Diesen Beitrag teilen

Facebook Twitter Drucken E-Mail

Das könnte auch interessant sein:

Unzulässige Klauseln in Allgemeinen Geschäftsbedingungen der Belvilla AG

Unzulässige Klauseln in Allgemeinen Geschäftsbedingungen der Belvilla AG

Der VKI hat – im Auftrag des Sozialministeriums – die Bellvilla AG (Belvilla), ein Schweizer Unternehmen im Bereich der Ferienunterkunftvermietung, wegen 25 Klauseln in ihren Allgemeinen Geschäftsbedingungen geklagt. Da Belvilla zu der für den 19.3.2024 anberaumten Verhandlung nicht erschienen ist, erging über Antrag des VKI ein (nicht rechtskräftiges) Versäumungsurteil.

Gesetzwidrige Klauseln eines Pauschalreiseveranstalters

Die Bundesarbeiterkammer klagte ein Reiseveranstaltungsunternehmen; dieses veranstaltet insbesondere Maturareisen in Form von Pauschalreisen. Im Verbandsverfahren wurden alle 11 eingeklagten Klauseln für unzulässig erklärt.

Unzulässige Klauseln in Entschädigungsbedingungen der WESTbahn

Der VKI hat Westbahn wegen drei Klauseln in ihren Entschädigungsbedingungen abgemahnt, ua. eine Klausel, die einen Höchstbetrag von EUR 80 für das Hotel im Fall einer Übernachtung wegen Ausfall, Verspätung oder Versäumnis des letzten Anschlusses am selben Tag vorsieht. Die Westbahn hat zu allen Klauseln eine Unterlassungserklärung abgegeben.

Rückerstattungsklauseln bei SWISS sind gesetzwidrig

Rückerstattungsklauseln bei SWISS sind gesetzwidrig

In der EU haben Fluggäste eine Vielzahl an Schutzrechten. Bei gestrichenen Flügen kommt es dennoch öfter zu Problemen. Rückzahlungen kommen mitunter nicht bei den Verbraucher:innen an. Bei einigen Fluglinien regeln eigene Klauseln, wie eine Rückerstattung erfolgen soll – so auch bei der Swiss International Air Lines AG (SWISS). Drei dieser Rückerstattungsklauseln wurden vom Verein für Konsumenteninformation (VKI) im Auftrag des Sozialministeriums beanstandet. Das Oberlandesgericht (OLG) Wien hat die Ansicht des VKI jetzt bestätigt. Das Urteil ist rechtskräftig.

Weitere Klauseln von Laudamotion unzulässig

Der VKI hatte die Laudamotion GmbH wegen insgesamt 24 Klauseln aus deren Allgemeinen Beförderungsbedingungen geklagt. Bereits in der 2.Instanz wurden vom OLG Wien 19 Klauseln rechtskräftig für unzulässig befunden. Nun erklärte der OGH 4 weitere Klauseln für gesetzwidrig.

OGH: EasyJet verweigerte zu Unrecht die Beförderung

Die Fluggesellschaft EasyJet UK Limited („EasyJet“) verweigerte einem irakischen Staatsbürger zu Unrecht – wie der Oberste Gerichtshof (OGH) nunmehr rechtskräftig entschied – die Beförderung von Wien nach London. Obwohl seine Ehefrau den Flug in Anspruch nehmen hätte können, stellte die Beförderungsverweigerung ihres Ehemannes auch einer Beförderungsverweigerung ihr gegenüber dar.

unterstützt durch das

Sozialministerium
Zum Seitenanfang