Der spanische Online-Reiseagentur travelgenio bietet zusätzlich zur Flugbuchung ein Zusatzservice "FLEXIBLES Ticket" zum Preis von EUR 99,00 an.
Beim Buchungsvorgang beschrieb sie dieses Service wie folgt:
"Ihr Ticket erlaubt keine Änderungen? Keine Sorge! Wir garantieren Ihnen, dass Sie immer zu
den von Ihnen gewünschten Zeiten fliegen.
- ALLE Arten von Änderungen inkludiert:
◦ HINFLUG
◦ RÜCKFLUG
◦ HIN- UND RÜCKFLUG [sic]
◦ 1 FLUGSEGMENT
◦ MEHRERE SEGMENTE
- KEINE Tarif-Einschränkungen
- KEINE Bearbeitungskosten"
Über die empfindlichen Einschränkungen des "FLEXIBLEN Tickets" wurde der Konsument nur bei Anklicken eines auf Höhe der Überschrift "FLEXIBLES Ticket" angebrachten "i"-Zeichens informiert.
Demnach sind ua Änderungen eines Tickets
- nur mindestens 48 Stunden vor dem geplanten Abflug und
- nicht für "teilweise verwendete" Tickets
möglich. Tatsächlich kann der Flug daher nur 48h vor Antritt des Hinflugs geändert werden.
Das Handelsgericht beurteilte die Beschreibung des Tickets als unzureichend und falsch und damit als irreführende Handlung iSd § 2 Abs 1 UWG:
Das Gericht folgerte, dass der Kunde bei der bloßen Abbildung eines "i"-Zeichens auf Höhe der Überschrift nicht erwarte, dass sich dahinter weiterführende Informationen fänden. Vielmehr verstehe der Kunde das "i"-Zeichen nur als Hinweis darauf, dass die Beschreibung unter den jeweiligen Überschriften die Information darstellt.
Selbst aber wenn der Verbraucher das Zeichen als Link zu weitergehenden Informationen verstehen würde, seien ihm die darin enthaltenen Einschränkungen nicht zumutbar, weil die Überschrift und die Beschreibung eine gegenteilige Erwartungshaltung erwecken würden.
In der unzureichenden Aufklärung über die Einschränkungen des "FLEXIBLEN Tickets" sah das Gericht auch einen Verstoß gegen § 4 Abs 1 Z 1 FAGG verwirklicht. Die Norm verpflichtet den Unternehmer zur Bereitstellung klarer und verständlicher Information über die wesentlichen Eigenschaften der Dienstleistung.
Auch die bezughabenden AGB-Klauseln, mit denen die Einschränkungen des FLEXIBLEN Tickets in den Geschäftsbedingungen festgeschrieben wurden, beurteilte das Gericht als unzulässig:
Die Klausel
"Für teilweise verwendete Tickets sind keine Änderungen mehr möglich."
sei intransparent (§ 6 Abs 3 KSchG), weil für den Durchschnittsverbraucher nicht erkennbar sei, was unter einem "teilweise verwendeten Ticket" zu verstehen ist. Nach Verständnis der Beklagten kann das Ticket nach Antritt des Hinflugs nicht mehr geändert werden. Der Durchschnittsverbraucher werde demgegenüber aber davon ausgehen, für den Hin- und den Rückflug zwei Tickets zu erwerben, die er für die jeweilige Flugbeförderung einlösen kann. Dass mit dem Antritt des Hinflugs die Möglichkeit der Inanspruchnahme des "FLEXIBLEN Tickets" verwirkt sei, könne der Durchschnittsverbraucher daher nicht vorhersehen.
Ebenso intransparent (§ 6 Abs 3 KschG) sei auch die Klausel
"Die Änderung der Buchung muss innerhalb der Öffnungszeiten unseres Kundenservices erfolgen, sowie mindestens 48 Stunden vor dem geplanten Abflug."
Da nach Auffassung des Gerichts schon nicht verständlich sei, was unter einem teilweise verwendeten Ticket" zu verstehen sei (s vorgenannte Klausel), sei auch nicht ersichtlich, welche Abflugzeit gemeint sei. Der Verbraucher könne damit die 48-Stunden-Bestimmung nicht richtig einordnen.
Überraschend und nachteilig (§ 864a ABGB) sowie gröblich benachteiligend (§ 879 Abs 3 ABGB) beurteilte das Gericht schließlich die Klausel
"Wenn die Services FLEXIBLES Ticket und REISERÜCKTRITTSVERSICHERUNG oder REISERÜCKTRITTSVERSICHERUNG PLUS zusammen verwendet werden, werden durch die Verwendung des Services FLEXIBLES Ticket die abgeschlossenen Versicherungen annulliert."
Die (gröbliche) Benachteiligung der Bestimmung ergäbe sich daraus, dass der Kunde trotz Umbuchung möglicherweise in der Lage sein will, vom Vertrag zurückzutreten, etwa wegen einer Erkrankung. Der automatische Verlust dieser Möglichkeit bei Buchung des "FLEXIBLEN Tickets" sei sachlich nicht gerechtfertigt. Weil sich überdies der Umstand der Annullierung des Tickets nicht auch unter dem Punkt "Reise- und Rücktrittsversicherung" fände, sei die Klausel auch überraschend.
Auch den prozessualen Einreden der Beklagten folgte das Handelsgericht Wien nicht:
Den von der Beklagten erhobenen Einwand der Unzuständigkeit wies es zurück und hielt fest, dass es sich bei Ansprüchen aus unlauterem Wettbewerb um unerlaubte Handlungen iSd Art 7 Nr 2 EuGVVO handle. Die genannte Bestimmung sähe neben dem Gericht des Handlungsorts auch die Zuständigkeit des Gerichts am Erfolgsort vor. Der Erfolgsort sei gegenständlich jedenfalls in Österreich, weil die Webseite in Österreich abgerufen werden könne und Interessen österreichischer Verbraucher beeinträchtigt werden würden.
Dass der Kläger im Zusammenhang mit der begehrten Unterlassung den (örtlichen) Zusatz "in Österreich" erst im Verlauf des Verfahrens in das Klagebegehren aufnahm, beurteilte das Gericht - anders als die Beklagten nicht als Klagseinschränkung (mit entsprechenden Kostenfolgen), sondern als bloße Präzisierung und Verdeutlichung des Begehrens: Denn nach dem Klagsvorbringen sei der Kläger nur zur Wahrnehmung von österreichischen Verbraucherinteressen befugt und habe außerdem in der Klage Bezug auf die österreichische ".at"-Seite genommen. Die Aufnahme des Zusatzes in das Klagebegehren sei daher durch die Klagsbehauptung gedeckt und diene nur dessen Verdeutlichung.
Das Urteil ist nicht rechtskräftig (Stand: 13.6.2019).
HG Wien, 22.05.2019, 53 Cg 21/17k
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Klagsvertreter: Dr. Thomas Höhne, RA in Wien