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Urteil: Kein außerordentliches Kündigungsrecht bei Entgeltänderung aufgrund Indexanpassung

Erfolgt im Telekommunikationsbereich eine Entgeltänderung aufgrund einer vertraglich vorgesehenen Anpassungsklausel mittels eines von einer staatlichen Stelle ermittelten objektiven Index (hier Verbraucherpreisindex), hat der Kunde kein außerordentliches Kündigungsrecht.

Die Entscheidung:
Die AGB eines Telekommunikationsanbieters sehen eine Entgeltanpassung an den VPI (Verbraucherpreisindex) vor; weiters dass der Unternehmer bei einer den Kunden nicht ausschließlich begünstigenden Änderung diesen zumindest 2 Monate vorher informiert und der Kunde ein außerordentliches Kündigungsrecht hat. Eine Entgeltänderung aufgrund des VPI berechtige den Kunden hingegen nicht zur außerordentlichen Kündigung.

Art 20 Abs 2 der UniversaldienstRL 2002/22/EG (idF der RL 2009/136/EG) verpflichtet die Mitgliedstaaten, sicherzustellen, dass die Teilnehmer das Recht haben, bei der Bekanntgabe von Änderungen der Vertragsbedingungen, die von den Unternehmen, die elektronische Kommunikationsdienste bereitstellen, vorgeschlagen werden, den Vertrag ohne Zahlung von Vertragsstrafen zu widerrufen.

Unternehmen, die elektronische Kommunikationsdienste bereitstellen, können ein berechtigtes Interesse daran haben, die Preise und Tarife ihrer Dienstleistungen zu ändern.

Die gegenständliche vertragliche Entgeltanpassung erfolgt anhand eines objektiven Verbraucherpreisindex, der von einer staatlichen Stelle, nämlich von Statistik Österreich, erstellt wird. Daraus folgt, dass die in dieser Weise vertraglich vorgesehene Entgeltanpassung, da sie auf einer klaren, präzisen und öffentlich zugänglichen Indexierungsmethode beruht, die sich aus zur staatlichen Sphäre gehörenden Entscheidungen und Mechanismen ergibt, die Endnutzer nicht in eine andere vertragliche Situation versetzen kann, als sie sich aus dem Vertrag ergibt, dessen Inhalt sich nach den allgemeinen Geschäftsbedingungen bestimmt, die die fragliche Klausel enthalten.

Wird eine Tarifänderung in dieser Weise vorgenommen, ist sie folglich nicht als Änderung der Vertragsbedingungen iSv Art 20 Abs 2 der RL 2002/22 einzustufen.

Art 20 Abs 2 der RL 2002/22 ist dahin auszulegen, dass eine Entgeltänderung gemäß einer Indexanpassungsklausel, die in den AGB eines Telekommunikationsunternehmens enthalten ist und vorsieht, dass eine solche Änderung anhand eines von einer staatlichen Stelle ermittelten objektiven Verbraucherpreisindex erfolgt, keine "Änderung der Vertragsbedingungen" iS dieser Bestimmung darstellt, die den Teilnehmer berechtigt, seinen Vertrag ohne Zahlung von Vertragsstrafen zu widerrufen.

EuGH 26.11.2015, C-326/14 (VKI/A1)
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Klagsvertreter: Dr. Stefan Langer, Rechtsanwalt in Wien



Anmerkung:
-    Das EuGH-Urteil erfolgte zur OGH-E 8 Ob 72/13s. Der OGH stellte hierzu die Frage, ob auch eine Änderung der Entgelte, die nur die bereits im Vertrag vereinbarte Anpassung an die Veränderungen des Wertes des Geldes umfasst, auch eine "Änderung der Vertragsbedingungen" oder nur eine Aufrechterhaltung des vereinbarten Äquivalenzverhältnisses zwischen Sach- und Geldleistung darstellt.

-    Vor der EuGH-E wurde in Teilen der Lit die Zulässigkeit der gegenständlichen Klausel bzw die Unzulässigkeit der außerordentlichen Kündigung damit begründet, dass es durch diese Entgeltanpassung nicht zu einer Vertrags- oder Leistungsanpassung kommt, sondern lediglich zum Vollzug einer ursprünglich vereinbarten Bestimmung (Hasberger, MR 2012, 55 [56]); Bollenberger, RdW 2014, 691 [693]). Diese KSchG-konforme Anpassung erhalte die bisherige Vertragsäquivalenz in vordeterminierbarer Weise, ihre Auslöser liegen nicht im Machtbereich des Anbieters (Zib, VbR 2014/5 [14]).

-    Der GA hatte kam in seinem Schlussantrag zum gleichen Ergebnis: Eine solche Entgeltänderung stelle keine Änderung der Vertragsbedingungen iSv Art 20 Abs 2 der UniversaldienstRL dar, sofern die Bezeichnung der vom Teilnehmer zu erbringenden Gegenleistung als "indexierter Preis" einen hinreichenden Gehalt an Vorhersehbarkeit, Transparenz und Rechtssicherheit aufweist, um annehmen zu können, dass sich die vertragliche Stellung des Teilnehmers nicht geändert hat.

-    Bollenberger meint gar, dass diese Betrachtungsweise, dass die VPI-Anpassung nur zur Aufrechterhaltung des vereinbarten Äquivalenzverhältnisses dient und nicht auch zu einer "Änderung der Vertragsbedingungen" eine allgemeine ist und nicht auf die Telekommunikationsbranche beschränkt sei (RdW 2014, 691 [692]). Dem ist aber entgegenzuhalten, dass es hier eine spezielle Thematik handelt: Der OGH schränkt dies in dem Vorlagebeschluss ausdrücklich auf den Bereich der Universaldienstrichtlinie ein. Es geht hier nur um "Änderungen der Vertragsbedingungen" iSv Art 20 Abs 2 der Universaldienstrichtlinie, bei deren Vorliegen dem Konsumenten ein Sonderrecht, nämlich die außerordentliche Kündigung zusteht. Aus vorliegender EuGH-E kann aber nicht abgeleitet werden, dass nun Entgeltanpassungen anhand eines objektiven Parameters gar keine Vertragsänderungen mehr darstellen. Vielmehr müssen in anderen Branchen sehr wohl die allgemein zivilrechtlichen Mechanismen einer Vertragsänderung eingehalten werden.

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