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Urteil: Kein Schadenersatz für verpasste Kreuzfahrt aufgrund Flugverspätung

Reisende konnten aufgrund witterungsbedingter Flugverspätung und darauffolgendem Verpassen des Anschlussfluges Überseekreuzfahrt nicht antreten und bleibt nun auf einem Schaden von EUR 26.070.- sitzen.

Der Kläger buchte zwei Flüge (Wien-Frankfurt; Frankfurt-Buenos Aires), um eine Kreuzfahrt anzutreten. Der Pilot der Maschine von Wien nach Frankfurt erhielt erst eine Stunde und vierzig Minuten nach der Planabflugzeit die Starterlaubnis. Allerdings wurde in der Zwischenzeit auch eine Enteisung des Flugzeuges notwendig, was den Start um eine weitere Stunde verzögerte. Normalerweise dauert eine Enteisung ungefähr 10 Minuten, aber aufgrund des hohen Verkehrsaufkommens kam es auch hierbei zu Verzögerungen.

Der Kläger begehrte den Ersatz seines durch die Verspätung eingetretenen Schadens (EUR 29.070 abzüglich einer Kulanzleistung seiner Reiseversicherung von EUR 3.000) von EUR 26.070 nach den Bestimmungen des Montrealer Abkommens (MÜ) von der Erstbeklagten (Luftfrachtführer), die aufgrund des MÜ auch für die Zweitbeklagte einzustehen hätte und von der Zweitbeklagten (Flugplatzbetreiber), die durch rechtzeitige und ausreichende Räumung der Pisten eine Verspätung des Fluges vermeiden hätte können. Darüber hinaus bestehe ein Vertragsverhältnis zwischen Kläger und der Zweitbeklagten.

Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab, weil der Kläger nicht dargetan habe, welche Möglichkeiten die Erstbeklagte gehabt habe, um eine relevante Beschleunigung der Pistenräumung durch die Zweitbeklagte zu erwirken. Ein Vertragsverhältnis zur Zweitbeklagten wurde verneint.

Das Berufungsgericht jedoch verpflichtete die Beklagten zum Ersatz des Schadens, wobei die Zweitbeklagte für den größeren Teil aufzukommen habe, weil die Beklagten nicht hätten nachweisen können, dass sie vor dem Start alle zu veranlassenden Maßnahmen getroffen hätten, die vernünftigerweise von einem sorgfältigen Unternehmer verlangt werden können. Es ließ die ordentliche Revision zu, weil zur Frage, ob die Zweitbeklagte der Erstbeklagten gemäß Art 19 Satz 2 MÜ zuzurechnen sei sowie ob zwischen Kläger und Zweitbeklagter ein Vertragsverhältnis bestehe, höchstgerichtliche Rechtsprechung fehle.

Der OGH führte aus, dass das Erstgericht zwar nicht feststellen konnte, ob der Flugplatzbetreiber seiner Räumungsverpflichtung ausreichend nachgekommen ist, jedoch ist dies insofern nicht relevant, als er feststellte, dass der Flugplatzbetreiber nicht unter den "Leute"-Begriff des Art 19 Satz 1 MÜ fällt und andererseits ein Vertragsverhältnis zwischen Flugplatzbetreiber und Fluggast verneinte.

Zum "Leute"-Begriff führte er aus, dass der Luftfrachtführer nur für "Leute" einzustehen habe, die in Ausführung einer ihnen vom Luftfrachtführer übertragenen Verrichtung handeln. Liegen deren Tätigkeiten jedoch im Interesse des Ablaufes des allgemeinen Flugverkehrs auf dem Flughafen, kann eine solche Verrichtung nicht angenommen werden. Die Pistenräumung unterliegt keiner Einflussnahme durch den Luftfrachtführer, insbesondere keiner Weisungsbefugnis durch den Luftfrachtführer, weshalb der Flughafenbetreiber nicht zu den "Leuten" des Luftfrachtführers iSd Art 19 Satz 2 MÜ gehört. Da sich der Kläger ausdrücklich nur auf den "Leute"-Begriff des Art 19 Satz 2 MÜ gestützt hat, wird auf eine eventuelle Erfüllungsgehilfenhaftung gemäß § 1313a ABGB nicht näher eingegangen.

Die zusätzliche Startverzögerung, die auf die überlange Enteisungdauer des Flugzeuges zurückzuführen ist, kann außer Acht gelassen werden, da der Kläger auch ohne Enteisung seinen Anschlussflug nicht mehr erreichen hätte können.

Das Absprechen eines Vertragsverhältnisses zwischen Kläger und Flugplatzbetreiber begründet das Höchstgericht vorwiegend damit, dass die widmungsgemäße Nutzung jener Flächen, die vom Flugplatzbetreiber für die Zwecke der Luftfahrt betrieben werden, den Luftverkehrsunternehmen vorbehalten ist. Kontrahierungszwang, sowie Betriebs-und Vorhaltepflichten bestehen ausschließlich gegenüber den Luftverkehrsunternehmen. Außerdem werden die Fluggastgebühren vom Flugplatzbetreiber gegenüber den Luftverkehrsunternehmen eingehoben.

Die Frage, ob nicht aus dem Vertrag zwischen Flugplatzbetreiber und Luftfrachtführer Schutzwirkungen gegenüber den Fluggästen auslöst, wird kaum erörtert, da sich der Kläger einerseits gar nicht darauf berufen hat, andererseits geht der OGH davon aus, dass ein reiner Vermögensschaden dann sowieso nicht ersatzfähig wäre.

OGH 26.11.2012, 6 Ob 131/12a

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