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Urteil: Keine Ausgleichszahlung bei Treibstoff auf der Rollbahn

Kommt es zu einer Flugverspätung, weil Treibstoff, der von einer anderen Fluglinie stammt, auf der Rollbahn eines Flughafens ist und diese daher gesperrt ist, handelt es sich um einen außergewöhnlichen Umstand, sodass das Flugunternehmen nicht zur Zahlung einer Ausgleichleistung verpflichtet ist.

Der Kläger wollte von Treviso (Italien) nach Charleroi (Belgien) fliegen. Der Flug wurde mit einer Ankunftsverspätung von vier Stunden und 23 Minuten durchgeführt, wobei diese Verspätung auf das Vorhandensein von Treibstoff auf einer Rollbahn des Flughafens Treviso zurückzuführen war, das zur Schließung dieser Rollbahn für die Dauer von mehr als zwei Stunden und folglich zum verspäteten Abflug des den fraglichen Flug ausführenden Flugzeugs geführt hatte. Wegen dieser mehr als dreistündigen Verspätung verlangte der Kläger von der beklagten Ryanair die Zahlung der Ausgleichsleistung iHv 250 Euro nach Art 5 Abs 1 lit c iVm Art 7 Abs 1 lit a der Fluggastrechte-VO (261/2004).

Laut EuGH steht dem Kläger die Ausgleichsleistung nicht zu:

Es ergab sich nicht, dass der auf die Startbahn ausgelaufene Treibstoff, der die Verspätungen verursacht hatte, von der beklagten Ryanair stammte.
Ein Luftfahrtunternehmen ist von der Zahlung von Ausgleichsleistungen befreit, wenn es nachweisen kann, dass die Annullierung des Fluges bzw. dessen um drei Stunden oder mehr verspätete Ankunft auf "außergewöhnliche Umstände" zurückgeht, die sich auch dann nicht hätten vermeiden lassen, wenn alle zumutbaren Maßnahmen ergriffen worden wären oder es bei Eintritt eines solchen Umstands die der Situation angemessenen Maßnahmen ergriffen hat, indem es alle ihm zur Verfügung stehenden personellen, materiellen und finanziellen Mittel eingesetzt hat, um zu vermeiden, dass dieser zur Annullierung oder zur großen Verspätung des betreffenden Fluges führt.

Nach stRsp des EuGH können als solche "außergewöhnliche Umstände" Vorkommnisse angesehen werden, die ihrer Natur oder Ursache nach nicht Teil der normalen Ausübung der Tätigkeit des betreffenden Luftfahrtunternehmens sind und von ihm nicht tatsächlich beherrschbar sind, wobei diese beiden Bedingungen kumulativ sind. Da Treibstoff - der nicht vom belangten Luftfahrunternehmen stammt - auf der Rollbahn definitionsgemäß nicht als untrennbar mit dem Betrieb des Flugzeugs, das diesen Flug durchgeführt hatte, verbunden angesehen werden kann, kann ein solcher Umstand seiner Natur oder Ursache nach nicht als Teil der normalen Ausübung der Tätigkeit des betreffenden Luftfahrtunternehmens angesehen werden. Im Übrigen ist er von dem betreffenden Luftfahrtunternehmen nicht tatsächlich zu beherrschen, da die Instandhaltung des Rollfelds nicht in dessen Zuständigkeit fällt. Das Vorhandensein von Treibstoff auf einer Flughafenrollbahn, das zu deren Schließung und folglich zur erheblichen Abflug- oder Ankunftsverspätung auf diesem Flughafen führt, fällt unter den Begriff "außergewöhnliche Umstände" iSv Art 5 Abs 3 der Fluggastrechte-VO, wenn der fragliche Treibstoff nicht von einem Flugzeug des Luftfahrtunternehmens stammt, das diesen Flug durchgeführt hat.

Da nicht alle außergewöhnlichen Umstände zu einer Befreiung führen, obliegt es demjenigen, der sich darauf berufen möchte, den Nachweis zu führen, dass sie sich jedenfalls nicht durch der Situation angemessene Maßnahmen hätten vermeiden lassen, dh solche, die zu dem Zeitpunkt, zu dem die entsprechenden außergewöhnlichen Umstände auftreten, für das betroffene Luftfahrtunternehmen insbesondere in technischer und wirtschaftlicher Hinsicht tragbar sind. Das Flugunternehmen hat somit nachzuweisen, dass es ihm auch unter Einsatz aller ihm zur Verfügung stehenden personellen, materiellen und finanziellen Mittel offensichtlich nicht möglich gewesen wäre, ohne angesichts der Kapazitäten des Unternehmens zum maßgeblichen Zeitpunkt nicht tragbare Opfer die außergewöhnlichen Umstände zu vermeiden, mit denen es konfrontiert war und die zur Annullierung des Fluges bzw. dessen um drei Stunden oder mehr verspäteten Ankunft geführt haben.

Im vorliegenden Fall hat das Luftfahrtunternehmen im Fall einer Entscheidung der Flughafenbehörden, die Startbahn eines Flughafens zu schließen, dieser Folge zu leisten und die Entscheidung dieser Behörden, diese Rollbahn wieder zu öffnen, oder eine andere Abhilfe abzuwarten. Daher konnte das Luftfahrtunternehmen keine möglichen zumutbaren Maßnahmen ergreifen, um den in Rede stehenden außergewöhnlichen Umstand zu vermeiden.

Das Vorhandensein von Treibstoff auf einer Flughafenrollbahn, das zu deren Schließung führt und das unstreitig ein "außergewöhnlicher Umstand" ist, ist somit als ein Umstand anzusehen, der sich auch dann nicht hätte vermeiden lassen, wenn alle zumutbaren Maßnahmen im Sinne dieser Bestimmung ergriffen worden wären.

EuGH 26.6.2019, C-159/18 (Moens/Ryanair)

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