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Urteil: Lufthansa - "Hin- und Rückflugklausel" rechtswidrig

Der VKI hat - im Auftrag des Konsumentenschutzministeriums - eine Verbandsklage gegen die Deutsche Lufthansa hinsichtlich der sogenannten "Hin- und Rückflug" Klausel eingebracht. Auch die Frage der Zulässigkeit von Bearbeitungsgebühren für die Rückforderung von Steuern und Gebühren bei Nichtgebrauch des Tickets steht auf dem Prüfstand.

Das HG Wien ist dem Rechtsstandpunkt des VKI gefolgt und hat folgende Klauseln in den Beförderungsbedingungen bzw auf der Webseite der Lufthansa für unzulässig erklärt: 

1.) 3.3.1.Wird die Beförderung auf einer vorangehenden Teilstrecke nicht oder nicht in der im Flugschein vorhergesehenen Reihenfolge angetreten, so wird derjenige Flugpreis berechnet, der zum Zeitpunkt der Buchung für ihre abweichende, tatsächliche Streckenführung maßgeblich gewesen wäre. Sofern dieser Flugpreis höher ist, als für die im Flugschein angegebene Strecke, können wir die weitere Beförderung davon abhängig machen, dass Sie den anfallenden Aufpreis nachentrichten. 

2.) 3.3.3.1 Insbesondere sind wir im Falle der Nichtinanspruchnahme des im Flugschein eingetragenen Rückfluges berechtigt Ihnen, vorbehaltlich Nichteingreifens von Art. 3.2.3., den für einen One-Way-Flug zugrunde liegenden Flugpreis zum Zeitpunkt der ursprünglichen Buchung in Rechnung zu stellen. Dieser kann höher sein als der ursprünglich bezahlte Flugpreis. 

Eingangs hielt das HG Wien in rechtlicher Hinsicht fest, dass im Verbandsverfahren Klauseln im kundenfeindlichsten Sinn auszulegen sind und keine geltungserhaltende Reduktion auf eine etwaige teilweise Zulässigkeit stattfindet. 

Klauseln, die den gänzlichen Verlust der Gültigkeit des Flugscheines vorsähen, wenn ein (Teil) Flug nicht beansprucht werde oder die Flugreihenfolge nicht eingehalten werde, sei nach der Rechtsprechung jedenfalls unzulässig, weil das Interesse der Fluglinie an der Verwendung der Klausel nicht schutzwürdig sei. Der Fluglinie entstehe bei Nichtantritt eines Fluges in der im Coupon vorgesehenen Reihenfolge kein Nachteil. Der Verbraucher hingegen werde durch die Verweigerung des Rechtes, nur einen Teilflug zu beanspruchen unangemessen benachteiligt (vgl BGH 29.4.2010, Xa ZR 101/09; HG Wien 1.3.2010, 1 R 197/09f). Nach dem deutschen BGH genüge für die Wahrung der Interessen der Fluglinie an einer autonomen Gestaltung ihrer Tarifstruktur sowie zur Vermeidung einer Umgehung derselben eine Regelung, die den Kunden gegebenenfalls zur Zahlung eines höheren Entgelts verpflichtet, wenn die Beförderung auf einer Teilstrecke nicht angetreten werde. Weiters wäre es nach dem BGH dazu ausreichend, wenn nach den Beförderungsbedingungen bei Nichtinanspruchnahme einer Teilleistung für die verbleibende(n) Teilleistung(en) das Entgelt zu zahlen wäre, das zum Zeitpunkt der Buchung für diese Teilleistung(en) verlangt wurde, wenn dieses höher sei als das tatsächlich vereinbarte. 

Formal gleichen zwar die vorliegenden Klauseln der vom BGH offensichtlich noch als zulässig erachteten Klausel, inhaltlich gehen sie aber nach dem HG Wien darüber hinaus. Die Klauseln sind nach dem HG Wien ungewöhnlich und nachteilig gemäß § 864a ABGB, sodass der Verbraucher nicht mit ihnen rechnen muss. Die Beklagte könne bei kundenfeindlichster Auslegung über den eigentlichen Zweck der Klausel - nämlich der Vermeidung der Umgehung der Tarifstruktur - den Aufpreis selbst dann verlangen, wenn der (Teil) Flug aus Gründen, die in der Sphäre der Beklagten lägen oder wegen höherer Gewalt nicht angetreten werden könne. Dem durchschnittlichen Kunden sei nicht zumutbar, in den AGB aus verschiedenen - teilweise einander widersprechenden und unklaren - Bestimmungen, die dahinter stehende Intention der Beklagten herauszulesen. 

So sehe die im Zusammenhang mit Erkrankung zitierte Bestimmung (3.2.3) lediglich vor, dass die Beklagte die Gültigkeit des Flugscheines verlängern "kann", ohne Erläuterung, wovon dieses Ermessen abhänge. Unklar bleibe auch, ob der Kunde das Entgelt für die nicht konsumierte Leistung zurückerstattet bekomme. Nach der Klausel könne die Beklagte den Aufpreis auch verlangen, ohne dem Kunden den vom ihm nicht in Anspruch genommenen Flug zurückzuerstatten. Unter diesem Umständen werde aber in den meisten Fällen der vom Verbraucher zu zahlende Preis deutlich höher sein als der für die konsumierte Einzelleistung zum Buchungszeitpunkt. Diese Nachteile sind nach dem HG Wien mit dem auf das Tarifsystem bezogene Schutzbedürfnis der Beklagten, die durch das Freibleiben des Sitzplatzes keine nennenswerten Nachteile erleidet, nicht gerechtfertigt. 

Das widerspricht auch der Intention des deutschen BGH, wonach für die verbleibende(n) Teilleistungen das Entgelt zu zahlen ist, das zum Zeitpunkt der Buchung für diese Teilleistung(en) verlangt wurde. Aus diesen Gründen sind nach Ansicht des HG Wien die Klauseln auch gröblich benachteiligend gemäß § 879 Abs 3 ABGB. Unabhängig davon, ob den Kunden am Versäumnis eines Teilfluges ein Verschulden trifft oder nicht; er muss unter Umständen für den einzelnen Flug mehr zahlen als für alle gebuchten Flüge zusammen, wodurch die objektive Äquivalenz zwischen den einzelnen Leistungen empfindlich gestört wird. 

Ein Verstoß gegen das Transparenzgebot gemäß § 6 Abs 3 KSchG liegt nach dem HG Wien deshalb vor, will durch die Formulierungen wie "können wir die weitere Beförderung davon abhängig machen, dass Sie den Anfallenden Aufpreis nachentrichten" oder "sind wir im Falle der Nichtinanspruchnahme des im Flugschein eingetragenen Rückfluges berechtigt" völlig unklar bleibt, wovon das Ermessen der Beklagten, einen Aufpreis abhängt. 

Nur der Vollständigkeit halber sei nach dem HG Wien erwähnt, dass die Höhe und Zusammensetzung des "Aufpreises" auch nicht jederzeit (vor allem im Nachhinein) nicht leicht feststellbar ist und dass die Nichtzahlung immerhin ein Beförderungsverweigerungsrecht (7.1.) der Beklagten begründet. 

3.) Bearbeitungsentgelte für Erstattungen: Österreich 35 EUR Für Steuern und Gebührenerstattungen von Tickets mit einem nicht erstattbaren Tarifwert bis zu 250 EUR. 

Der Hinweis auf der Webseite der Lufthansa, der als allgemeine Geschäftsbedingung zu qualifizieren sei, ist nach dem HG Wien ebenfalls gröblich benachteiligend gemäß § 879 Abs 3 ABGB, weil die Einhebung dieser Steuern und Gebühren vor deren Fälligkeit nur der Beklagten zugutekommt. Sie erspart sich dadurch nämlich einen Verwaltungsaufwand. Da bei kundenfeindlichster Auslegung das Bearbeitungsentgelt selbst dann verlangt wird, wenn die Gebühren für einen Flug, der aus in der Sphäre der Beklagten liegenden Gründen unterbleibt, fehlt dem ebenfalls eine sachliche Rechtfertigung. 

Die Entscheidung ist nicht rechtskräftig. Mit einer Berufung ist zu rechnen. 

HG Wien, 27.02.2012, 39 Cg 29/11z 
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Klagevertreter: Dr. Stefan Langer, RA in Wien
 

Hinsichtlich einer inhaltlich ähnlich gestalteten "Hin-und Rückflugklausel" in den Beförderungsbedingungen der AUA kam das HG Wien hingegen zu einer gegenteiligen Auffassung und sah diese Klauseln für zulässig an. Das Tarifsystem sähe vor, dass sich der Fluggast für günstige Paketleistungen mit geringerer Flexibilität oder für teuer Hin- und Rückfluge bzw Flüge in eine Richtung mit höherer Flexibilität entscheiden könne. Eine Benachteiligung des Verbrauchers sei nicht ersichtlich. Außerdem seien die Klauseln in einer für einen Durchschnittsverbraucher verständlichen Art und Weise abgefasst, sodass keine Intransparenz vorliege. 

Der VKI hat - im Auftrag der AK Tirol - gegen dieses Urteil Berufung erhoben. 

HG Wien 19.08.2011, 18 Cg 22/11s 
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Klagevertreter: Dr. Stefan Langer, RA in Wien
 

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