1. Der Flugpreis der am Ausstellungsdatum des Tickets zugrunde gelegt wurde, gilt ausschließlich für ein vollständig und in der Reihenfolge der Coupons verwendetes Ticket, für die auf dem Ticket eingetragenen Flüge und Daten. Wenn am Reisetag festgestellt wird, dass der Passagier die Nutzungsvorgaben nicht eingehalten hat (wenn beispielsweise der erste Flugcoupon nicht genutzt wird oder Coupons nicht in der ausgegebenen Reihenfolge genutzt werden), ist dieser verpflichtet, am Flughafen folgende Zusatzgebühren zu entrichten: 125 EUR bei einem Kurzstreckenflug innerhalb von Kontinentalfrankreich und Korsika, 250 EUR bei einem Flug innerhalb von Europa in Economy, 500 EUR bei einem Flug innerhalb von Europa in der Business Class, 500 EUR bei einem Interkontinentalflug in Economy oder Premium Economy, 1.500 EUR bei einem Business Interkontinentalflug und 3.000 EUR bei einem Air France La Première Interkontinentalflug (oder der Gegenwert in der Landeswährung).
Das OLG verwies bei der Beurteilung der Klausel auf die Rechtsprechung des Obersten Gerichtshof (OGH) (insbesondere auf die Entscheidungen 4 Ob 164/12i und 2 Ob 182/12x), nach der ein Luftbeförderungsvertrag als Werkvertrag zu qualifizieren und daher § 1168 Abs 1 ABGB anzuwenden sei. Nach dieser Norm könne ein Unternehmer, der zur Erbringung seiner Leistung bereit sei, aber durch Umstände, die auf Seiten des Bestellers liegen, daran gehindert sei, zwar das vereinbarte Entgelt beanspruchen, müsse sich aber das anrechnen lassen, was er sich erspart habe. Unabhängig von dieser Norm gebe es aber, so betont das OLG, keine Norm im dispositiven Recht, die dem Beförderer in einem solchen Fall einen zusätzlichen Gebührenanspruch verleihe, wenn ein Fluggast eine Teilleistung nicht in Anspruch nehme.
Für ein Abweichen von den genannten dispositiven gesetzlichen Regelungen zum Nachteil des Verbrauchers bedürfte es einer besonderen Rechtfertigung. Diese liege nach dem OLG aber nicht vor. Denn die gegenständliche Klausel erfasse nicht nur Fälle, in denen der Fluggast von vornherein das Tarifsystem der Beklagten durch Nutzung bloß eines von mehreren Flügen beabsichtige, sondern auch andere Fälle, in denen der Kunde dies nicht wolle, sondern aus anderen Gründen nicht alle Flugcoupons nutzen könne - etwa wegen Versäumung oder Verspätung eines Zubringerflugs oder wegen einer Änderung der Reispläne. Die Klausel ist daher nach dem OLG gröblich benachteiligend und daher unzulässig nach § 879 Abs 3 ABGB.
Die im Urteil erster Instanz ebenso bejahten Verstöße der Klausel gegen § 864a ABGB und § 6 Abs 3 KSchG wurden vom Berufungsgericht nicht thematisiert.
2. Falls der Passagier nicht all seine Flugcoupons verwendet und die Reise vorzeitig abbricht, wird dem Passagier am Flughafen Schiphol und am und am Charles de Gaulle (Paris) für die Herausgabe seines Aufgabegepäcks eine Pauschalgebühr in Höhe von 275 EUR in Rechnung gestellt.
Die Beklagte machte in ihrer Berufung geltend, dass die in der genannten Klausel vorgesehene Gebühr, bloß eine Weiterverrechnung jener Kosten sei, die ihr selbst durch den vorzeitigen Reiseabbruch entstünden. Das OLG erklärte dazu, dass eine solche Pauschalierung von Entgelten grundsätzlich im Rahmen des § 1168 Abs 1 ABGB zulässig sei, sofern die konkreten Kosten nicht grob überschritten würden. Dafür müssten aber zumindest im Durchschnitt die tatsächlichen entstehenden Ausgaben im Wesentlichen der Pauschale entsprechen. Das Erstgericht habe aber das Verhältnis der Pauschalgebühr und der tatsächlich entstehenden Kosten nicht feststellen können.
Der VKI hatte darauf hingewiesen, dass die Gebühr auch dann anfalle, wenn die Zusatzkosten gar nicht anfallen würden, weil vom Fluggast schon vor Antritt der Reise bekannt gegeben würde, dass er nicht alle Flugcoupons verwenden werde. Die Beklagte hatte dem entgegengehalten, dass von einem Abbruch der Reise, wie in der Klausel, aber nur dann gesprochen werden könne, wenn die Reise bereits angetreten worden sei. Das OLG gab auch hier dem VKI Recht. Bei kundenfeindlichster Auslegung, wie sie im Verbandsverfahren anzuwenden sei, würde die Klausel auch die vom Kläger genannten Fälle erfassen. In dieser Konstellation bestehe aber kein Grund zur Annahme, dass für die Beklagte ein tatsächlicher Zusatzaufwand entstehe. Auch die zweite Klausel sei daher gröblich benachteiligend nach § 879 Abs 3 ABGB und daher unzulässig.
Die im Urteil erster Instanz ebenso bejahten Verstöße der Klausel gegen § 864a ABGB und § 6 Abs 3 KSchG wurden vom Berufungsgericht nicht thematisiert.
Das OLG sprach schließlich noch aus, dass auch wenn in den Medien bereits über ein nicht rechtskräftiges Urteil berichtet wurde (so im hier vorliegenden Fall über das Urteil erster Instanz), das Interesse des Klägers an einer Veröffentlichung des Urteils (nach Rechtskraft) auf Kosten der Beklagten weiterhin gegeben sei.
Das Urteil ist rechtskräftig.
OLG Wien 11.6.2019, 1 R 73/19s
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Klagsvertreter: Dr. Stefan Langer, Rechtsanwalt in Wien