Zum Inhalt

Urteil: OGH bejahrt Reisepreisminderung bei eigenmächtigem Hotelwechsel

Bei aufrecht erhaltenem Reisevertrag ist der Reisepreis auch dann zu mindern, wenn der Reisende die mangelhaft gebliebene Unterkunft verlässt.


Die Kläger buchten bei der Beklagten eine Pauschalreise (Hin- und Rückflug samt 13-tägiger Unterbringung in einer Anlage der Mittelklasse) und bezahlten den Reisepreis im Voraus. Schon am Ankunftstag rügten die Kläger Mängel der Unterkunft, die zum Teil vorlagen (schlecht gereinigtes Badezimmer samt Schimmelflecken bei der Badewanne und Grünspan an den Armaturen; sehr abgenutzter Zustand einiger Holzliegen ohne Polsterauflagen; herausstehende rostige Schrauben im Holzboden um den Pool). Es konnte nicht festgestellt werden, ob den Klägern samt deren Mitreisenden ein Zimmerwechsel angeboten wurde.

Der Reisebetreuer der Beklagten bemühte sich, eine alternative Unterkunft zu finden, den Klägern erschien aber der in Erfahrung gebrachte Preis für das Ersatzhotel sehr teuer. Sie organisierten deshalb selbst einen Umzug in ein anderes Hotel, der am Tag nach der Ankunft erfolgte.

Die Kläger begehrten eine 70 %ige Preisminderung vom gesamten Pauschalreisepreis. Vorsorglich stützten die Kläger den Anspruch auch auf Schadenersatz für nicht näher aufgeschlüsselte Mängelbehebungskosten (für den Wechsel in das Ersatzhotel).

Die Vorinstanzen gewährten für die festgestellten Mängel Preisminderung in Höhe von 15% vom Gesamtreisepreis, allerdings nur für die beiden Tage des Aufenthalts in der gebuchten Unterkunft, da die Kläger nur an diesen beiden Tagen beeinträchtigt gewesen seien.

Der OGH korrigierte diese Rechtsansicht, wobei das Gericht davon ausging, dass kein (Teil-)Rücktritt der Kläger vom Reisevertrag erfolgt sei.
Gewährleistung und Schadenersatz stünden in Konkurrenz zueinander, setzten jedoch die Aufrechterhaltung des Vertrages voraus, wovon hier auszugehen sei.

Der Zuspruch von Mängelbeseitigungskosten scheitere jedoch bereits an der mangelnden Bestimmtheit deren relevanter Höhe. Nach den Feststellungen des Erstgerichts sei ungeklärt geblieben, in welcher Währung die Rechnung über den Aufenthalt im Ersatzhotel bezahlt wurde und welche Teilbeträge davon für gesonderte Leistungen aufgewendet wurden.

Die erfolgreiche Geltendmachung von Gewährleistungsansprüchen führe mit der Herabsetzung des Kaufpreises bzw Werklohnes zu einer rückwirkenden Änderung des Vertrages und sei nach der "relativen Berechnungsmethode" zu ermitteln. Demnach muss sich der vereinbarte Preis zum geminderten Preis so verhalten, wie der objektive Wert der Leistung ohne Mangel zum objektiven Wert der Leistung mit Mangel. Die so berechnete Preisminderung solle jene Situation herbeiführen, die auch vertraglich hergestellt worden wäre, wenn die Parteien die Mangelhaftigkeit vorhergesehen hätten. Diese Berechnung auf Basis der objektiven Wertverhältnisse zeige, dass die subjektiven Auswirkungen von Mängeln auf den Übernehmer (hier Reisenden) bei der Ermittlung der Preisminderung nicht entscheidend seien. In diesem Sinne gehe das Preisminderungsrecht nicht durch den Untergang oder Veräußerung der Sache verloren.

Weil das Angebot eines Zimmerwechseln nicht festgestellt werden konnte, und auch die Mängelbehebung während der Reisedauer nicht vorgenommen wurde, sei von einem Fortbestand der festgestellten behebbaren Mängel auch während der restlichen gebuchten Zeit trotz Gewährung einer zweiten Chance für die Beklagte auszugehen.

Nach diesen genannten Kriterien komme es für die Beurteilung des zeitlichen Aspekts der Reisepreisminderung nicht darauf an, ob der Reisende die mangelhafte Reiseleistung weiter in Anspruch nehme und damit subjektiv beeinträchtigt sei, oder ob er selbst durch einen Wechsel in ein anderes Hotel Abhilfe schaffe, sondern darauf, ob die Reisemängel während des gesamten Zeitraumes der vereinbarten Unterbringung weiter bestanden, sofern der Reisevertrag aufrecht ist.

Erst (die nicht festgestellte) Mängelbehebung beseitige die Störung der beim Abschluss des aufrecht gebliebenen Vertrages zugrunde gelegten Wertrelation zwischen Leistung und Gegenleistung. Die Reisepreisminderung in Höhe von 15% stehe daher nicht nur aliquot für die ersten beiden Tage, sondern für den gesamten Reisezeitraum zu.

Weil hier keine Zweiteilung der Pauschalreise in völlig verschiedene Reiseleistungen vorliege sei die Entscheidung 3 Ob 271/03d nicht relevant. Dort hat der OGH die Rechtsansicht gebilligt, dass Bemessungsgrundlage für die Preisminderung nur der halbe Reisepreis ist, wenn Mängel nur einen Teil der Reise betreffen (eine Woche Badeaufenthalt, eine Woche Kreuzfahrt).

OGH 15.10.2014, 3 Ob 118/14w

Das Urteil im Volltext (RIS)

Lesen Sie mehr:

Diesen Beitrag teilen

Facebook Twitter Drucken E-Mail

Das könnte auch interessant sein:

Unzulässige Klauseln in Allgemeinen Geschäftsbedingungen der Belvilla AG

Unzulässige Klauseln in Allgemeinen Geschäftsbedingungen der Belvilla AG

Der VKI hat – im Auftrag des Sozialministeriums – die Bellvilla AG (Belvilla), ein Schweizer Unternehmen im Bereich der Ferienunterkunftvermietung, wegen 25 Klauseln in ihren Allgemeinen Geschäftsbedingungen geklagt. Da Belvilla zu der für den 19.3.2024 anberaumten Verhandlung nicht erschienen ist, erging über Antrag des VKI ein (nicht rechtskräftiges) Versäumungsurteil.

Gesetzwidrige Klauseln eines Pauschalreiseveranstalters

Die Bundesarbeiterkammer klagte ein Reiseveranstaltungsunternehmen; dieses veranstaltet insbesondere Maturareisen in Form von Pauschalreisen. Im Verbandsverfahren wurden alle 11 eingeklagten Klauseln für unzulässig erklärt.

Unzulässige Klauseln in Entschädigungsbedingungen der WESTbahn

Der VKI hat Westbahn wegen drei Klauseln in ihren Entschädigungsbedingungen abgemahnt, ua. eine Klausel, die einen Höchstbetrag von EUR 80 für das Hotel im Fall einer Übernachtung wegen Ausfall, Verspätung oder Versäumnis des letzten Anschlusses am selben Tag vorsieht. Die Westbahn hat zu allen Klauseln eine Unterlassungserklärung abgegeben.

Rückerstattungsklauseln bei SWISS sind gesetzwidrig

Rückerstattungsklauseln bei SWISS sind gesetzwidrig

In der EU haben Fluggäste eine Vielzahl an Schutzrechten. Bei gestrichenen Flügen kommt es dennoch öfter zu Problemen. Rückzahlungen kommen mitunter nicht bei den Verbraucher:innen an. Bei einigen Fluglinien regeln eigene Klauseln, wie eine Rückerstattung erfolgen soll – so auch bei der Swiss International Air Lines AG (SWISS). Drei dieser Rückerstattungsklauseln wurden vom Verein für Konsumenteninformation (VKI) im Auftrag des Sozialministeriums beanstandet. Das Oberlandesgericht (OLG) Wien hat die Ansicht des VKI jetzt bestätigt. Das Urteil ist rechtskräftig.

Weitere Klauseln von Laudamotion unzulässig

Der VKI hatte die Laudamotion GmbH wegen insgesamt 24 Klauseln aus deren Allgemeinen Beförderungsbedingungen geklagt. Bereits in der 2.Instanz wurden vom OLG Wien 19 Klauseln rechtskräftig für unzulässig befunden. Nun erklärte der OGH 4 weitere Klauseln für gesetzwidrig.

OGH: EasyJet verweigerte zu Unrecht die Beförderung

Die Fluggesellschaft EasyJet UK Limited („EasyJet“) verweigerte einem irakischen Staatsbürger zu Unrecht – wie der Oberste Gerichtshof (OGH) nunmehr rechtskräftig entschied – die Beförderung von Wien nach London. Obwohl seine Ehefrau den Flug in Anspruch nehmen hätte können, stellte die Beförderungsverweigerung ihres Ehemannes auch einer Beförderungsverweigerung ihr gegenüber dar.

unterstützt durch das

Sozialministerium
Zum Seitenanfang