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Urteil: OGH: Generelle Haftungsfreizeichnung für Fahrlässigkeit in Bankbedingungen gesetzwidrig

Der VKI-Verbandsklage (im Auftrag des Konsumentenschutzministeriums) gibt nun auch der Oberste Gerichtshof vollinhaltlich Recht: Die Bank direktanlage.at verwendet in ihren Geschäftsbedingungen ua eine Klausel, welche die Haftung der Bank für Schäden "welcher Art und Ursache auch immer" bei leichter Fahrlässigkeit der Bank ausschließt. Das ist klar gesetzwidrig, so der OGH.

Der Verein für Konsumenteninformation (VKI) hatte - im Auftrag des BMASK - direktanlage.at abgemahnt und die Bank wegen Unzulässigkeit der Klausel aufgefordert, auf die Verwendung zu verzichten. Direktanlage.at gab daraufhin bloß eine eingeschränkte Unterlassungserklärung ab, worauf der VKI Verbandsklage einbrachte. Die Unterinstanzen gaben der Rechtsansicht des VKI vollinhaltlich Recht; und nun bestätigte der Oberste Gerichtshof die Entscheidung. 

Konkret handelte es sich um folgende Klausel: Haftungsbeschränkungen: Die Haftung der Bank ist zudem bei leichter Fahrlässigkeit in folgenden Fällen ausgeschlossen: Verzögerungen, Nicht- oder Fehldurchführung von Aufträgen, insbesondere infolge Zweifels an der Identität des Auftraggebers sowie nicht eindeutig formulierten, unvollständigen oder fehlerhaft erteilten Aufträgen; Störungen der und unberechtigte Eingriffe in die zur Auftragsentgegennahme und Weiterleitung verwendeten Kommunikationsmittel/-wege (bei Störungen ist der Kunde verpflichtet, sämtliche andere mögliche Kommunikationsmittel/-wege auszuschöpfen); Systemstörungen und unberechtigte Eingriffe bei der Bank oder bei den zur Durchführung des Auftrages von der Bank benutzten Unternehmen; erfolgte Sperren und Zugriffsbeschränkungen; verspätet, fehlerhaft oder nicht zur Verfügung gestellte Informationen, Kurse, Stück/Kennzahlen; Stammdaten oder Research-Daten; verspätete, fehlerhaft oder nicht erteilte Informationen über Auftragsdurchführungen und -stornierungen; fehlerhaft, verspätet oder nicht durchgeführte Zwangsverwertungen. Auch für andere Schäden, welcher Art und Ursache auch immer, insbesondere für entgangenen Gewinn, ist die Haftung der Bank für leichte Fahrlässigkeit ausgeschlossen.

Der Ausschluss der Haftung der Bank für leichte Fahrlässigkeit, insbesondere im letzten Satz der Klausel "auch für andere Schäden, welcher Art und Ursache auch immer" verstößt gegen Konsumentenschutzrecht und ist - wie nun der Oberste Gerichtshof bestätigt -unzulässig. 

Der OGH bestätigt die Ansicht der Unterinstanzen, dass die Klausel nicht teilbar ist. Beide Sätze haben Fälle einer Haftungsfreizeichnung und damit denselben materiellen Regelungsbereich zum Gegenstand, wobei erst die Zusammenschau beider Sätze der Klausel deutlich mache, "dass die Klausel letztlich auf die vollständige Haftungsfreizeichnung für leicht fahrlässig herbeigeführte Schäden abzielt und damit einen verpönten Zweck anstrebt. Mangels Abgabe einer vollständigen Unterlassungserklärung seitens direktanlage.at bestand die Wiederholungsgefahr daher weiter. 

Zur Zulässigkeit von Haftungsfreizeichnungen eines Kreditinstituts für leicht fahrlässig verursachte Schäden verweist das Gericht auf eine OGH-Entscheidung (4 Ob 179/02f): Beschränkungen der Haftung auf Vorsatz und grobe Fahrlässigkeit in AGB sei grundsätzlich als zulässig anzusehen, jedoch lasse § 6 Abs 1 Z 9 KSchG die Freizeichnung für leichte Fahrlässigkeit (auch über Personenschäden hinausgehend) nicht generell zu. Eine geltungserhaltende Reduktion von an sich unzulässigen Bedingungen komme im Verbandsverfahren nicht in betracht. Es müsse daher nicht geprüft werden, ob der erste Satz der Klausel materiell eigenständige Regelungsbereiche enthalten könnte, wie von direktanlage vorgebracht wurde. 

Der OGH sieht die gesamte Klausel aber auch deshalb als unzulässig an, da sie überdies gegen das Transparenzgebot iSd § 6 Abs 3 KSchG verstößt: Die Formulierung "…in folgenden Fällen…" am Beginn der Klausel erwecke den Eindruck einer abschließenden Aufzählung von einzelnen Tatbeständen, für die eine Haftung für leichte Fahrlässigkeit ausgeschlossen werde. Im zweiten Satz schließt dann aber eine generalklauselartige Erweiterung des Haftungsausschlusses zur umfassenden, und damit jedenfalls unzulässigen Haftungsfreizeichung an. Der OGH geht daher davon aus, dass die Aneinanderreihung der Einzeltatbestände am Beginn der Klausel "der Verschleierung des pönalen Zwecks dieser Bestimmung" diene. Durch den ersten Satz der Klausel wird ein unzutreffendes und unklares Bild vermittelt, wodurch ein Verstoß gegen das Transparenzgebot gegeben ist. Die gesamte Klausel ist daher gesetzwidrig. 

OGH 7.6. 2011, 5 Ob 42/11d 
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Klagevertreter: Dr. Stefan Langer, RA in Wien

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