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Urteil: OGH - Keine geltungserhaltende Reduktion bei missbräuchlicher Klausel

In einem obiter dictum hat sich der OGH nun erstmals ausdrücklich auf den Standpunkt gestellt, dass innerhalb des Anwendungsbereiches des Transparenzgebot (§ 6 Abs 3 KSchG) für die geltungserhaltende Reduktion kein Platz ist.

Obwohl der OGH in seiner Entscheidung ein Unternehmergeschäft abzuhandeln hatte, ließ er sich offenbar die Möglichkeit nicht entgehen, endlich eine Klarstellung für Verbrauchergeschäfte zu treffen. So hielt der OGH fest, dass prinzipiell AGB-Klauseln im Sinne einer geltungserhaltenden Reduktion mit ihrem zulässigen Inhalt bestehen bleiben. Allerdings scheide diese Lösung bei Verbrauchergeschäften seit der Einfügung des § 6 Abs 3 KSchG aus, weil zu weit gefasste Klauseln dem Transparenzgebot widersprechen, so der OGH.

Diese - der hL folgenden - Rechtsprechung ist in zweierlei Hinsicht zu begrüßen:

Keine Reduktion auf das gesetzlich gerade noch Zulässige

Ließe man die Anwendung der geltungserhaltenden Reduktion auf rechtswidrige Klauseln zu, so bleibt dem Unternehmer immer die Gewissheit, dass seine Klausel nur in dem Maße der Ungültigkeit anheim fällt, als sie das gesetzlich zulässige Maß überschreitet. Der Rest der Klausel bliebe - gerade an der Grenze zur Rechtswidrigkeit - bestehen. Im Ergebnis droht damit dem Aufsteller gesetzwidriger Klausel keinerlei Sanktion. Im Gegenteil: Das Gericht übernimmt für den Unternehmer die Aufgabe, die Klausel derart am Rande des Gesetzes auszulegen, als das sie gerade noch Bestand haben kann.

Nach der Klarstellung des OGH ist die Folge der Verwendung von gesetzwidrigen Klauseln nun jedoch eine andere: Die gesetzwidrige Klausel ist unwirksam. Damit entsteht eine Vertragslücke, welche durch ergänzende Vertragsauslegung zu schließen ist. Sieht das dispositive Recht keine Regelung für den zu lösenden Tatbestand vor, ist die ergänzende Vertragsauslegung unter Berücksichtigung des hypothetischen Willen redlicher Parteien vorzunehmen.

Verstärkte Bedeutung des Verbandsverfahrens

Durch die Entscheidung des OGH wurde auch die Bedeutung des Verbandverfahrens gestärkt. Hier war es seit langem hRsp und hL, dass für die Anwendung der geltungserhaltenden Reduktion kein Platz bestehe. So kam es aber zur paradoxen Situation, dass es dem VKI beispielsweise bereits 1995 (OLG Wien, 30.8.1995, 6 R 571/94, KRES 1d/31) gelang, die Rechtswidrigkeit einer Zinsanpassungsklausel vom OLG Wien feststellen zu lassen, dem VKI in Individualprozessen aber immer wieder von Banken entgegen gehalten wurde, dass die Wertungen dieser Entscheidung nicht übertragbar seien, da im Verbandsverfahren ja die geltungserhaltende Reduktion - im Gegensatz zum Individualprozess - nicht zulässig sei.

Aufgrund des "Verbotes" der geltungserhaltenden Reduktion sowohl im Verbandsverfahren als auch im Individualprozess ergeben sich nunmehr jedoch unmittelbare Auswirkungen aus einem Urteil, welches im Verbandsverfahren ergangen ist. Unterschiedliche Auslegungsmaßstäbe können nun nicht mehr eingewendet werden und sind somit etwa höchstrichterliche Entscheidungen nun auch von Untergerichten in Individualprozessen direkt anwendbar.

OGH 5.8.2003, 7 Ob 179/03d

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