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Urteil: OGH: Keine Haftung des Reisebüros trotz Verletzung von Vermittlungspflichten

Trotz festgestellter Fehler des Reisebüros im Zusammenhang mit der Nichteinhaltung von Mindestumsteigezeiten bei der Buchung bezweifeln die befassten Gerichte den Kausalzusammenhang zwischen den Fehlern des Reisebüros und dem Schaden der KonsumentInnen. Ein Anscheinsbeweis wird trotz hoher Wahrscheinlichkeit nicht zugelassen.

Der VKI hatte - im Auftrag des Sozialministeriums - das Reisebüro Orion Reisen Reisebüro GmbH geklagt, da bei einer Flugbuchung von Bangkok nach Zürich und dem Anschlussflug von Zürich nach Wien die vorgesehene Mindestumsteigezeit nicht berücksichtigt wurde. Von einer weiteren Verkürzung der Umsteigezeit durch eine Änderung der Flugzeiten wurden die Konsumenten vom Reisebüro nicht informiert. Schließlich wurde den Konsumenten die Beförderung verweigert, da sie in der Buchungsliste nicht aufschienen, weshalb sie sich in Bangkok kurzfristig um eine alternative Beförderung bemühen mussten. Die in diesem Zusammenhang entstandenen Mehrkosten iHv knapp EUR 2.220,-- für Beförderung, Unterbringung und Kommunikation hatte der VKI namens und Auftrags der Konsumenten geltend gemacht.

Das BGHS Wien stellte fest, dass das Reisebüro den Konsumenten Flüge vermittelt hat, die lediglich eine Umsteigezeit von 30 Minuten am Flughafen Zürich vorsahen und somit die erforderliche Mindestumsteigezeit von 40 Minuten nicht eingehalten wurde, sowie dass aufgrund der Unterschreitung der Umsteigezeit eine Warnung durch das Buchungssystem erfolgt ist. Dennoch hat das Reisebüro die Flüge gebucht und weder diese Warnung noch eine allfällige Mindestumsteigezeit mit den Konsumenten besprochen. Die Buchung war erst beim zweiten Anlauf erfolgreich, die Flugbuchungen wurden dabei einzeln durchgeführt, andernfalls wäre eine Buchung trotz Unterschreitens der Mindestumsteigezeit gar nicht möglich gewesen. Auch darüber erfolgte keine Information an die Kunden. Obwohl das Reisebüro in weiterer Folge von den Fluglinien von Flugzeitenänderungen informiert wurde, die zu einer weiteren Verkürzung der Umsteigezeit auf 20 Minuten führte, wurden die Konsumenten nicht verständigt; sie erhielten auch keine neuerlichen Buchungsbestätigungen. Auch aus diesem Anlass nahm das Reisebüro keine Umbuchung vor.

Trotz dieser eindeutigen Feststellungen wies das Gericht die Klage ab, da es einen Beweis dafür, dass die Handlungen des Reisebüros für den Schaden der Konsumenten verantwortlich gewesen wären, vermisste: Demnach sei es nicht feststellbar, weshalb die Buchungen der Kunden vor Antritt des Fluges gelöscht worden seien und wer dies veranlasst habe. Die beiden Feststellungen, dass am Tag vor Antritt des Rückfluges die Konsumenten aus der Buchungsliste herausgenommen wurden und die Konsumenten am Flughafen die Auskunft erhielten, infolge Unterschreitens der Mindestumsteigezeit liege keine gültige Flugbuchung vor, nahm das Gericht - wenig nachvollziehbar - nicht zum Anlass, einen Kausalzusammenhang zwischen dem Handeln des Reisebüros und der Beförderungsverweigerung zu bejahen. Im Gegenteil stellte das Gericht diesen Zusammenhang als fraglich dar.

Das HG Wien als Berufungsgericht ging zwar davon aus, dass das Reisebüro seine Pflichten aus dem Vermittlungsvertrag infolge Unterschreitens der vorgesehenen Mindestumsteigezeit bei der Buchung sowie in weiterer Folge infolge Unterlassens einer Mitteilung von der Flugzeitenänderung verletzt habe. Dennoch bestätigte das HG Wien die erstgerichtliche Entscheidung, wonach der Kausalzusammenhang fehle. Ein Anscheinsbeweis finde keine Anwendung, da es sich beim vorliegenden Sachverhalt nicht um einen typischen Geschehensablauf handle.

Die gegen das Urteil erhobene ao Revision wurde letztlich vom OGH ohne nähere Begründung zurückgewiesen.

Das Verfahrensergebnis ist fatal und nicht nachvollziehbar: Obwohl die Orion Reisen Reisebüro GmbH ihre Vermittlungspflichten verletzt hat und auch das Berufungsgericht eine fehlerhafte Vermittlung bestätigt, wird eine Haftung des Reisebüros ausgeschlossen, weil nicht eindeutig erwiesen sei, wie es zur Löschung der Buchung gekommen sei. Dabei spricht beim vorliegenden Sachverhalt eine sehr hohe Wahrscheinlichkeit dafür, dass gerade die Verletzung der vertraglichen Pflichten des Reisebüros zu dem den Kunden entstanden Schaden geführt hat. Auf den enstandenen Mehrkosten bleiben die Konsumenten damit sitzen.

Die Geltendmachung von Ansprüchen gegenüber einer Fluglinie, die die Fluggastrechte-Verordnung (VO EG 261/2004) bei einer Verweigerung der Beförderung vorsieht, kam im vorliegenden Fall nicht in Betracht, da den Kunden infolge der Flugzeitenänderung gerade keine bestätigten Flugbuchungen (mehr) vorlagen.

BGHS Wien 24.07.2014, 16 C 373/13i
HG Wien 12.11.2015, 50 R 92/14g
OGH 25.02.2016, 2 Ob 3/16d
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Klagevertreter: Dr. Gerhard Deinhofer, Rechtsanwalt in Wien

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