Zum Inhalt

Urteil: OGH pardoniert Taktung bei Telefonabrechnung

Verbandsklage für Transparenz bei Telefonabrechnungen wurde vom OGH abgewiesen.

Die Arbeiterkammer Vorarlberg hatte daher den VKI beauftragt, exemplarisch gegen die AGB der Mobilkom mit Verbandsklage vorzugehen. Während das Handelsgericht Wien dem Klagebegehren stattgab, weil man eine Regelung mit derartiger Auswirkung für das Entgelt nicht im Kleingedruckten verstecken dürfe und die Art der Verrechnung sich ausschließlich zum Vorteil des Telefonanbieters auswirke, wies das Oberlandesgericht Wien das Klagebegehren ab. Der OGH hat nun der Revision des VKI keine Folge gegeben.

§ 864 a ABGB

Der VKI argumentierte, dass die im Kleingedruckten dargestellte Verrechnungsform der Taktung (zB 60/30 oder 60/60) überraschend und nachteilig für den Verbraucher sei. Schließlich zahle der Kunde, der nicht exakt nach Takten telefoniere, immer mehr Telefonsekunden, als er telefoniert habe. Dies sei den Kunden kaum bewußt. Eine Erhöhung der Taktraten führt dann auch - von Kunden unbemerkt - zu erhöhten Entgelten.

Der OGH ging dagegen davon aus, dass der durchschnittliche Konsument von Mobiltelefonie sehr wohl wisse, dass die monatliche Belastung nicht allein durch das Entgelt pro Gesprächsminute bestimmt werde, sondern von einer Reihe verschiedener (entgeltbestimmender) Faktoren abhängig sei. Dazu gehörten die Grundgebühr, allfällige weitere Grundentgelte, Mindestgesprächsumsätze und auch die Taktung. Die Verrechnung nach Takten sei auch in der Branche üblich. Das alles sei dem durchschnittlichen Kunden bewußt und er würde daher bei Auswahl eines bestimmten Tarifes nicht nur auf die Höhe des Entgelts pro Minute achten, sondern auch die sonstigen Entgeltbestimmungen des Anbieters als Entscheidungshilfe heranziehen. (Der OGH widerlegt sich wenige Zeilen weiter selbst, wenn er schreibt, "dass die Vielzahl an Tarifen und deren Ausgestaltung einen Preisvergleich erschwert, oft sogar unmöglich macht und unter Berücksichtigung aller am Markt platzierten Angebote zu einer Irreführung des Konsumenten über die angebotene Leistung und das dafür verlangte Entgelt führen könne". Weiters ignoriert der OGH eine Umfrage, die die Beklagte selbst vorgelegt hatte und aus der hervorging, dass 38% der Befragten nicht wussten, was die Taktung ist; nur 6 % sahen in der Taktung ein wesentliches Preiselement. Gerade bei einer Erhöhung der Takte - etwa von 30/30 auf 60/30 führt das zu einer - dem Kunden verschleierten - Preiserhöhung.)

Der OGH vergleicht die Abrechnungsmodalität dann auch mit der Abrechnung von Rechtsanwälten (nach angefangenen halben Stunden) oder Parkgaragen. Auch hier gebühre das Entgelt für die Zeiteinheit, auch wenn der verrechnete Zeitraum nur zum Teil ausgeschöpft werde. (Auf das Argument, dass dieser Vergleich sachlich nicht gerechtfertigt sei, weil eine Sekundenabrechnung beim Rechtsanwalt schlicht undenkbar, bei der Telefonie aber nicht nur technisch möglich, sondern sogar naheliegend sei, ging der OGH nicht ein.)

Die Verrechnung in Takten 60/60 bzw 60/30 vereinfache die Abrechnung (was die "Vereinfachung" zur technisch möglichen sekundengenauen Abrechnung ausmache bleibt unbegründet) und erlaube es dem Anbieter das Entgelt für andere, vom Telefonkunden nachgefragte Leistungen (oder das Gesprächsentgelt pro Minute) niedriger zu halten; dies wirke sich auch für den Kunden günstig aus. (Weshalb eine Vereinfachung - so sie besteht - als Vorteil an den Kunden kommt und nicht als Körberlgeld beim Unternehmen bleibt, wird nicht ausgeführt.)

Die Klauseln seien daher weder überraschend noch nachteilig.

§ 879 Abs 3 ABGB

Die Aufrundung der Gesprächsgebühr zulasten des Kunden (auf den vollen Takt) sei mit der Judikatur des OGH zu den "Aufrundungsklauseln" der Banken nicht vergleichbar, da diese die Veränderung eines zunächst vereinbarten Entgeltes beträfen, während die Taktungsklauseln das Entgelt und die Art der Berechnung schon bei Vertragsabschluss festlege. (Allerdings konkretisiert § 6 Abs 1 Z 5 KSchG den § 879 Abs 3 ABGB und daher wäre es sehr wohl naheliegend, die Strukturen der beiden Klauseln zu vergleichen: In beiden Fällen kommt es zu "Aufrundungen" zugunsten des Unternehmers.)

Zwar liege eine Mehrbelastung des Kunden vor, dem der volle Takt verrechnet werde, auch wenn er ihn nicht ausnutze, das sei aber kein von vorneherein unabschätzbares Zahlungsrisiko. Die je Gespräch zu bezahlende Summe sei exakt berechenbar und trotz Pauschalierung keinesweg exzessiv.

Schließlich habe die beklagte Partei auch Tarife mit sekundengenauer Abrechnung und daher habe der Kunde die Wahl und die "Willensfreiheit" sei nicht verdünnt. (Freilich helfen die erheblich höheren Gebühren für sekundengenau abgerechnete Tarife bei der "Willensfreiheit" zugunsten der getakteten Tarife etwas nach.)

Der Umstand, dass die Mobilfunkanbieter untereinander sekundengenau abrechnen und nur gegenüber den Kunden die Abrechnung nach Takten anwenden, sei unbeachtlich. (Gerade in diesem Punkt zeigt sich aber uE die gröbliche Benachteiligung der Kunden: Die informierten Anbieter rechnen untereinander sekundengenau ab und bieten - branchenweit - den bedeuten weniger informierten Kunden fast ausschließlich getaktete Traife an.)

Die Klauseln seien daher auch nicht gröblich benachteiligend.

§ 6 Abs 3 KSchG

Der Umstand, dass der Kunde erst im Nachhinein bei Vorliegen eines Einzelgesprächsnachweise feststellen könne, welche Kosten auf die effektiv 8vergangene) Gesprächszeit entfallen, mache die Klausel keinesweg intransparent.

OGH 11.3.2008, 4 Ob 5/08a
Volltextservice
Klagevertreter: Dr. Stefan Langer, Rechtsanwalt in Wien

Lesen Sie mehr:

Diesen Beitrag teilen

Facebook Twitter Drucken E-Mail

Das könnte auch interessant sein:

Unzulässige Klausel zum Kundendatenabgleich bei Sky Österreich

Unzulässige Klausel zum Kundendatenabgleich bei Sky Österreich

Der VKI hatte die Sky geklagt, nachdem diese ihren Kund:innen angekündigt hatte, personenbezogene Daten mit der Österreichischen Post abgleichen zu wollen. Der OGH wertete die zugrundeliegende Vertragsbedingung und zwei weitere Datenschutzklauseln von Sky für unzulässig.

Klausel zur Abrechnung von Datenvolumen bei A1-Marke „Bob“ unzulässig

Der Verein für Konsumenteninformation (VKI) hatte im Auftrag des Sozialministeriums die A1 Telekom Austria AG (A1) wegen einer Klausel in den Entgeltbestimmungen des Tarifs minibob geklagt. Dort wurde festgelegt, dass die Abrechnung in ganzen Blöcken zu je einem Megabyte (MB) pro Session erfolgen sollte. Der Oberste Gerichtshof (OGH) bestätigte nun die Rechtsansicht des VKI, dass eine solche Verrechnungsklausel unzulässig ist. Es blieb vollkommen unklar, wie eine Session definiert sein soll.

Urteil: Irreführende „5G-Ready“-Werbung von T-Mobile

Der Verein für Konsumenteninformation (VKI) hat im Auftrag des Sozialministeriums den Telekommunikationsanbieter T-Mobile wegen irreführender Bewerbung der „5G-Ready“-Tarife geklagt und bekam nun vom Handelsgericht (HG) Wien Recht: Nach Auffassung des Gerichts erweckt die Werbung den unrichtigen Eindruck, Kunden könnten bei den mit „5G-Ready“ beworbenen Tarifen bereits den Kommunikationsstandard 5G nutzen. Tatsächlich handelte es sich bei „5G-Ready“ lediglich um eine Option, die es dem Kunden ermöglicht, zu einem späteren Zeitpunkt ohne Vertragsverlängerung und Zusatzkosten auf einen 5G-fähigen Tarif zu wechseln, sobald dieser verfügbar ist. Das Urteil ist nicht rechtskräftig.

Urteil: A1-Kundenhotline: Keine Zusatzkosten für Anrufe bei vorhandenen Freiminuten

Der VKI klagte - im Auftrag des Sozialministeriums - A1 wegen einer unzulässigen Geschäftspraktik und einer unzulässigen Klausel. Das OLG Wien bestätigte dem VKI im Verfahren gegen A1 (Marke "Georg"), dass in Tarifen inkludierte Freiminuten auch zur Helpline gelten müssen. Zudem muss es auch Internetkunden möglich sein, dass sie die bestehende Hotline zum Grundtarif erreichen können.

Urteil: Gesetzwidrige Kosten bei A1-Hotline

Das HG Wien gab dem VKI im Verfahren gegen A1 (Marke Georg) recht, dass inkludierte Freiminuten auch zur Georg Helpline gelten müssen und auch Internetkunden eine Hotline zum Grundtarif zur Verfügung gestellt werden muss.

Urteil: OGH: 27 Klauseln von Sky unzulässig

Der Verein für Konsumenteninformation (VKI) führte - im Auftrag der Arbeiterkammer Oberösterreich - eine Verbandsklage gegen die Sky Österreich Fernsehen GmbH (Sky). Der Oberste Gerichtshof (OGH) erklärte 27 Klauseln und eine Praktik von Sky für unzulässig.

unterstützt durch das

Sozialministerium
Zum Seitenanfang