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Urteil: OGH schafft Klarheit - Aufpreis bei teilweiser Nutzung von Kombinationstickets unzulässig

Der VKI hat - im Auftrag der Arbeiterkammer Tirol - eine Verbandsklage gegen Austrian Airlines hinsichtlich der sogenannten "Hin- und Rückflug" Klausel eingebracht. Der OGH hat diese Klausel nun als für die Kunden überraschend und nachteilig und darüber hinaus als gröblich benachteiligend gemäß § 879 Abs 3 KSchG beurteilt .

Nach dem OGH hat es Austrian Airlines zu unterlassen, folgende Klausel zu verwenden:  
"3.3.1.Wenn Sie die Flugcoupons nicht in der angegebenen Reihenfolge verwenden, werden wir den anwendbaren Preis für die tatsächlich von Ihnen beabsichtigte Reiseroute verrechnen. Bei einer Änderung der vereinbarten Flugstrecken bzw. deren Reihenfolge können Sie unbenutzte Coupons nur dann in Anspruch nehmen, wenn Sie die Differenz ("Aufpreis") zwischen dem von Ihnen bereits bezahlten Preis und dem Preis für die tatsächlich gewählte Beförderung zum Buchungszeitpunkt bezahlen.  
Sollten Sie den Aufpreis vor Flugantritt nicht bezahlen, wird Ihr Ticket entsprechend den anwendbaren Tarifbedingungen refundiert. Wir haften in solchen Fällen nicht für eine allfällige Nichtbeförderung und sonstige daraus resultierende Schäden."  

Auf folgende Klauseln nahm der OGH in seiner rechtlichen Begründung zur Unzulässigkeit Bezug: "3.2.3. Können Sie Ihre Reise nach Reiseantritt wegen Krankheit nicht innerhalb der Gültigkeitsdauer fortsetzen, so können wir die Gültigkeitsdauer Ihres Tickets verlängern (...)" und "3.3.2.(...) Sollten Sie gezwungen sein, Ihre Reise aus Gründen Höherer Gewalt zu ändern, so müssen Sie uns so früh wie möglich, spätestens aber 14 Tage nach Wegfall des Hinderungsgrundes darüber informieren und uns das Vorliegen dieses [sic] nachweisen. Wir werden Sie in diesem Fällen ohne Verrechnung eines zusätzlichen Aufpreises mit einem unserer planmäßigen Flüge (je nach Verfügbarkeit eines freien Platzes) zu dem vorgesehenen nächsten Zwischenlandeort oder zu Ihrem Bestimmungsort befördern (...)".

Das Erstgericht wies das Klagebegehren noch ab, das Berufungsgericht gab dem Unterlassungsbegehren statt. Es beurteilte die Klausel nur als überraschend und nachteilig gemäß § 864a ABGB. Es vertrat die Auffassung, dass nach ständiger Rechtsprechung die Inhaltskontrolle nach § 879 ABGB der Geltungskontrolle nach § 864a ABGB nachgehe, sodass es eine gröbliche Benachteiligung nach § 879 Abs 3 ABGB nicht mehr prüfte.

Das ging dem OGH - mit wohl richtiger Begründung - nicht weit genug. Der Beklagten sei es nicht generell verwehrt, in ihren AGB überraschende und für den Vertragspartner schlicht nachteilige Klauseln vorzusehen. Sie habe das nur zu unterlassen, soweit sie nicht beim Abschluss des jeweiligen Vertrages besonders auf diese Klausel hinweise und ihr so den Überraschungscharakter nehme. Nach Auffassung des Gerichts wäre dies im Urteilspruch zu berücksichtigen, was die weitrechende Folge hätte, dass die Beklagte damit nicht zur Änderung der AGB sondern nur dazu verpflichtet wäre, diese zusammen mit einem besonderen Hinweis auf die beanstandete Klausel zu verwenden. Ob das aber zuträfe könne unberücksichtigt bleiben, weil die Entscheidung des Berufungsgerichts jedenfalls durch § 879 Abs 3 ABGB gedeckt sei.

Der Kunde, der nur einen Teil der Leistung - hier einen von mehreren Flügen eines Kombinationsangebotes - beanspruche, befinde sich im Gläubigerverzug. Nach dispositivem Recht führe das nicht zu einer Erhöhung des Entgelts, vielmehr müsse sich die Fluglinie nach § 1168 ABGB Ersparnisse oder einen anderweitigen Erwerb anrechnen lassen. Dies gelte insbesondere dann, wenn der Kunde auf die Inanspruchnahme der Leistung verzichte, weil der Unternehmer im Allgemeinen keinen Anspruch auf Ausführung oder Vollendung des Werkes habe. Weil der Kunde aber demgegenüber nicht nur den gesamten ursprünglichen Preis, sondern unter Umständen sogar einen Aufpreis zahlen müsse, sei er jedenfalls schlechter gestellt als nach dispositivem Recht. Daher sei zu prüfen, ob ein besonderes Interesse der Beklagten diese Abweichung vom dispositiven Recht rechtfertige. 

Mit folgenden Erwägungen schloss sich der OGH dem deutsche Bundesgerichtshof (Xa ZR 101/09; Xa ZR 5/09) an.  Die Klausel diene dem legitimen Ziel der Fluglinie, den Preis jeweils entsprechend der unterschiedlichen Nachfragesituation privatautonom zu gestalten, sich den jeweiligen Marktsituationen anzupassen und so den besten auf dem Markt erzielbaren Preis fordern zu können. Dazu müsse sie die Umgehung ihres Tarifsystem verhindern. Die Aufzahlung auf jenen Preis, der zum Buchungszeitpunkt für die jeweilige Teilleistung zu leisten gewesen wäre, sei grundsätzlich ein verhältnismäßiges Mittel zur Durchsetzung des legitimen Ziels. 

Die Klausel erfasse aber nicht nur Fälle, in denen der Fluggast von vorn herein die Nutzung nur eines von mehreren Flügen eines Kombinationsangebotes beabsichtige und so das Tarifsystem bewusst umgehe, sondern belaste auch Kunden, die sich erst später - etwa wegen Versäumens oder der Verspätung eines Zubringerfluges oder wegen einer Änderung der Reisepläne - anders entschließen. Bei der Abwägung der beiderseitigen Interessen fielen diese Fälle entscheidend ins Gewicht. Hier stehe dem allgemeinen Interesse der Fluglinie am Aufrechterhalten ihrer Tarifstruktur ein mangels Umgehungsabsicht konkret schützenswertes Interesse des Kunden an der Anwendung des dispositiven Rechts gegenüber. Ein vergleichbar konkretes Interesse an der Aufzahlung habe die Beklagte nicht, weil sie durch die Nichtinanspruchnahme der Teilleistung nicht nur keine zusätzlichen Kosten habe, sondern sich regelmäßig auch Aufwendungen erspare. Bei den im Flugverkehr üblichen Überbuchungen könne ein frei gewordener Platz besetzt werden. 

Weil eine nachträgliche Änderung der Reisepläne auch auf anderen Gründen als Krankheit oder höherer Gewalt beruhen könne, würde eine auf diese Fälle beschränkte Sonderregelung dem höherwertigen Interesse eines nicht in Umgehungsabsicht handelnden Kunden nicht gerecht. Außerdem können diese Sonderregelungen nur aus einem nicht ausreichend transparenten Zusammenhalt mehrerer Klauseln erschlossen werden. Auch deren Rechtsfolgen reichten nicht weit genug. Die Klausel 3.2.3.  regle nur den Fall einer Erkrankung nach Reiseantritt und sehe nur die Möglichkeit der Verlängerung der Gültigkeitsdauer der Tickets fest, aber keine Pflicht. Die Klausel 3.3.2. schließe nur die Verrechnung eines "zusätzlichen" Aufpreises aus. 

Die beanstandete Klausel sei daher in einem Teil ihres Anwendungsbereiches gröblich benachteiligend gemäß § 879 Abs 3 ABGB. Eine geltungserhaltende Reduktion sei im Verbandsprozess ausgeschlossen, weshalb dem Unterlassungsbegehren stattzugeben war. 

Die Klausel sei auch überraschend und nachteilig gemäß § 864a ABGB. Einem Durchschnittsverbraucher würde unter Umständen auffallen, dass ein einzelnes Flugsegment teurer ist als ein Kombinationsflug. Sei er nicht mit der Gestaltung der Tarifstruktur vertraut, dann würde er den Preisunterschied mit Verwunderung zur Kenntnis nehmen, aber keinen Grund sehen, den teureren Einzelflug zu buchen, wenn er eine objektiv höherwertige (weil mehr Flüge umfassende) Leistung billiger bekomme. Er würde also gerade nicht aus der - aus seiner Sicht -  paradoxen Tarifstruktur auf eine diese absichernde Vertragsklausel schließen. Weil die Klausel unter Umständen zur Verpflichtung zur Zahlung eines Aufpreises verpflichte sei sie auch nachteilig iSv § 864a ABGB.

OGH 17.12.2012, 4 Ob 164/12i
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Klagevertreter: Dr. Stefan Langer, RA in Wien

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