Zum Inhalt

Urteil: OGH: simpli darf Einwilligung zum Werbungserhalt nicht erzwingen

Der Verein für Konsumenteninformation (VKI) führte im Auftrag des Sozialministeriums eine Verbandsklage gegen die simpli services GmbH & Co KG und bekam nun auch vor dem Obersten Gerichtshof (OGH) zur Gänze Recht. Der OGH erklärte die eingeklagten Klauseln sowie die kostenpflichtige 0810-Kundenhotline für unzulässig. Es handelt sich hierbei um die erste inhaltliche OGH-Entscheidung zur DSGVO.

Folgende Klauseln hat der OGH für unzulässig erklärt:

Klausel 1: "Bei verschuldetem Zahlungsverzug des Kunden ist simpli services berechtigt, die daraus entstehenden notwendigen und zweckentsprechenden Spesen und Kosten, insbesondere für Mahnung, Inkasso und außergerichtliche Anwaltskosten sowie Verzugszinsen in gesetzlicher Höhe zusätzlich zu verrechnen."

Wie das Berufungsgericht laut OGH zutreffend erkannt hat, bezieht sich bei der gebotenen kundenfeindlichsten Auslegung die als Einschränkung aufzufassende Wortfolge "im gesetzlichen Ausmaß" nur auf die Verzugszinsen; besteht doch nur für solche (im Gegensatz zu Mahn- und Inkassospesen) ein genau definiertes gesetzliches Ausmaß. Insofern lässt die Klausel tatsächlich die Verrechnung übriger Kosten ohne Rücksicht auf ein Verhältnis zur betriebenen Hauptforderung zu.

Die Judikatur hat insofern bereits mehrfach in AGB definierte Mahnspesen in konkreter Höhe als unzulässig angesehen, weil auf die betriebene Forderung nicht Bedacht genommen wird (so etwa die vom Berufungsgericht zitierten RIS-Justiz RS0129621, 7 Ob 84/12x [Klausel 17] und 1 Ob 105/14v [Klausel 5]). Jedoch wurde auch ganz allgemein schon ausgesprochen, dass eine Klausel, die zur Verrechnung unverhältnismäßig hoher Betreibungskosten berechtigt, eine gröbliche Benachteiligung im Sinne des § 879 Abs 3 ABGB bedeutet (2 Ob 1/09z [Klausel 31]) bzw dass das Fehlen des Hinweises darauf, dass die zu ersetzenden Kosten in einem angemessenen Verhältnis zur betriebenen Forderung stehen müssen, eine Klausel intransparent macht (4 Ob 221/06p [2.5]).

Eine Klausel, die zwar nur eine geltende Rechtslage wiedergibt, aber unvollständig, sodass der Verbraucher einen unrichtigen Eindruck von seiner Rechtsposition bekommen kann, ist jedoch intransparent (RIS-Justiz RS0115219 [T55]), wie der OGH ausführt.

Der OGH beurteilte die Klausel daher als unzulässig.

Klausel 2: "Der Kunde stimmt zu, dass die von ihm angegebenen Daten (Name, Geburtsdatum, Adresse, Telefonnummer, E-Mail-Adresse, Gerätenummer (Client ID) des TV-Empfangsgeräts, Internet ID) von simpli services verwendet werden, um dem Kunden Informationen über das Produktportfolio von simpliTV (Aktionen, neue Angebote, neue Programme, Programmhighlights), simpli Internet, TV-Empfangsgeräte, terrestrische Empfangsmöglichkeiten, per Post, E-Mail, Telefon, SMS, Fax oder über soziale Netzwerke zukommen zu lassen sowie zum Datenabgleich gemäß Rundfunkgebührengesetz. Des Weiteren stimmt der Kunde zu, dass die von ihm angegebenen Daten zu den oben angeführten Zwecken an die verbundenen Unternehmen der simpli services (ORS comm GmbH & Co KG, Österreichische Rundfunksender GmbH & CO KG, Österreichischer Rundfunk, ORF - KONTAKT Kundenservice GmbH & Co KG, GIS Gebühren Info Service GmbH) übermittelt werden. Diese Zustimmung kann der Kunde jederzeit schriftlich mit Brief oder E-Mail an simpli services widerrufen."

Klausel 3: "Der Kunde stimmt weiters zu, dass die von ihm angegebenen Daten (Name, Geburtsdatum, Adresse, Telefonnummer, E-Mail-Adresse, Gerätenummer (Client ID) des TV-Empfangsgeräts, Internet ID) von simpli services verwendet werden, um dem Kunden Informationen über Angebote (Produkte und Leistungen) der Kooperationspartner von simpli services per Post, E-Mail, Telefon, SMS, Fax oder über soziale Netzwerke zukommen zu lassen. Kooperationspartner von simpli services sind Unternehmen mit Sitz in Österreich, mit welchen simpli services bei der Vermarktung der Angebote (Produkte und Leistungen) von simpli services zusammenarbeitet und/oder welche ergänzende Leistungen zu den Angeboten von simpli services anbietet. Kooperationspartner sind Flimmit GmbH, ORS comm GmbH & Co KG, Österreichische Rundfunksender GmbH & Co KG, Österreichischer Rundfunk, ORF - KONTAKT Kundenservice GmbH & Co KG und GIS Gebühren Info Service GmbH.Firmenbuchnummer 298288i. Diese Zustimmung kann der Kunde jederzeit schriftlich mit Brief oder E-Mail an simpli services widerrufen."

Nach dem Bestellvorgang war ein Vertragsabschluss mit der simpli services GmbH & Co KG nur möglich, wenn auch die Klauseln 2 und 3 des Urteilsspruches akzeptiert wurden. Die beiden Klauseln haben nicht Datenverarbeitung zur Erfüllung des mit dem Kunden geschlossenen Vertrags zum Inhalt, sondern sie bezwecken die  Datenverarbeitung für Werbemaßnahmen der simpli services GmbH & Co KG einschließlich verbundener Unternehmen (Klausel 2) oder von (sonstigen) Kooperationspartnern der simpli services GmbH & Co KG (Klausel 3).

Die Frage des "Koppelungsverbotes", also ob der Vertragsabschluss von einer Zustimmung zu einer (dafür nicht erforderlichen) Datenverarbeitung abhängig gemacht werden kann, wurde in der höchstgerichtlichen Judikatur noch nicht behandelt. In Frage steht dabei, ob eine derartige Einwilligung "ohne Zwang" bzw "freiwillig" gegeben wird, wenn sie Voraussetzung für den Abschluss eines Vertrags ist, für dessen Durchführung sie aber nicht erforderlich wäre.

Seit 25. 5. 2018 ist die Verordnung (EU) 2016/679 (Datenschutz-Grundverordnung, DSGVO) anzuwenden (Art 99 Abs 2 DSGVO). Zugleich sind die hier relevanten Bestimmungen der §§ 4 und 8 DSG 2000 außer Kraft getreten (§ 70 Abs 7 DSG). Damit hat sich nach Erlassung der Berufungsentscheidung (2. 5. 2018) die anzuwendende Rechtslage geändert.

In einem solchen Fall hat - wie der OGH ausführt - eine Parallelprüfung nach altem und neuen Recht zu erfolgen. Ein Verbot ist nur möglich, wenn das beanstandete Verhalten auch nach neuer Rechtslage unzulässig ist (sonst Wegfall der Wiederholungsgefahr). Daneben ist weiterhin erheblich, ob das beanstandete Verhalten auch zu jenem Zeitpunkt untersagt war, als es gesetzt wurde (sonst läge kein Verstoß gegen eine Unterlassungspflicht vor). Im Ergebnis ist ein Unterlassungsanspruch nur dann zu bejahen, wenn das beanstandete Verhalten sowohl gegen das alte als auch gegen das neue Recht verstößt.

§ 4 Z 14 DSG definiert "Zustimmung" - wie der OGH näher ausführt - als die "gültige, insbesondere ohne Zwang abgegebene Willenserklärung des Betroffenen, dass er in Kenntnis der Sachlage für den konkreten Fall in die Verwendung seiner Daten einwilligt".

Art 4 Z 11 DSGVO definiert die "Einwilligung" der betroffenen Person nunmehr als "jede freiwillig für den bestimmten Fall, in informierter Weise und unmissverständlich abgegebene Willensbekundung in Form einer Erklärung oder einer sonstigen eindeutigen bestätigenden Handlung, mit der die betroffene Person zu verstehen gibt, dass sie mit der Verarbeitung der sie betreffenden personenbezogenen Daten einverstanden ist ".

Während diese Grundlagen also im Wesentlichen unverändert blieben (setzt man "ohne Zwang" mit "freiwillig" gleich), so enthält die DSGVO nunmehr zusätzliche Regelungen zur Freiwilligkeit der Einwilligung in Artikel 7 Abs 4: "Bei der Beurteilung, ob die Einwilligung freiwillig erteilt wurde, muss dem Umstand in größtmöglichem Umfang Rechnung getragen werden, ob unter anderem die Erfüllung eines Vertrags, einschließlich der Erbringung einer Dienstleistung, von der Einwilligung zu einer Verarbeitung von personenbezogenen Daten abhängig ist, die für die Erfüllung des Vertrags nicht erforderlich sind."

Dazu erläutert der Erwägungsgrund 43: "... Die Einwilligung gilt nicht als freiwillig erteilt, wenn zu verschiedenen Verarbeitungsvorgängen von personenbezogenen Daten nicht gesondert eine Einwilligung erteilt werden kann, obwohl dies im Einzelfall angebracht ist, oder wenn die Erfüllung eines Vertrags, einschließlich der Erbringung einer Dienstleistung, von der Einwilligung abhängig ist, obwohl diese Einwilligung für die Erfüllung nicht erforderlich ist."

Wie der OGH ausführt, sind an die Beurteilung der "Freiwilligkeit" der Einwilligung strenge Anforderungen zu stellen. Bei der Koppelung der Einwilligung zu einer Verarbeitung vertragsunabhängiger personenbezogener Daten mit einem Vertragsschluss ist grundsätzlich davon auszugehen, dass die Erteilung der Einwilligung nicht freiwillig erfolgt, wenn nicht im Einzelfall besondere Umstände für eine Freiwilligkeit der datenschutzrechtlichen Einwilligung sprechen. Solche Umstände wurden im vorliegenden Fall jedoch nicht vorgebracht.

Damit sind die Klauseln 2 und 3 nach neuem Recht unzulässig, weil sie gegen Art 6 Abs 1 lit a iVm Art 4 Z 11 iVm Art 7 Abs 4 DSGVO verstoßen. Zum gleichen Ergebnis führte die Sichtweise, dass diese Regelungen intransparent sind, weil sie keine wirksame Einwilligung herstellen können.

Auch nach der alten Rechtslage ergab sich für den OGH aus teleologischen Erwägungen, dass an die "Freiwilligkeit" einer Einwilligung hohe Anforderungen zu stellen sind. Diese Anforderungen sind, wenn der Vertragsschluss offensichtlich mit der Abgabe einer derartigen Zustimmung gekoppelt wird, nicht erfüllt.

Die Klauseln 2 und 3 sah der OGH daher sowohl nach alter als auch nach neuer Rechtslage für unzulässig an.

Transparenzgebot

Die mangelnde Hervorhebung der Klausel begründet keine Intransparenz. Nach DSG 2000 und DSGVO sind (im Unterschied zu § 7 Abs 1 Z 2 DSG 1978) zur Datenübermittlung nicht zwingend ausdrücklich schriftliche Zustimmungen erforderlich; solche können in jeder Form gegeben werden. Insofern ist die Rsp 7 Ob 170/98w, wonach Zustimmungserklärungen in AGB jedenfalls besonders hervorgehoben werden müssen, als überholt anzusehen. Auch wenn die AGB der Bekl sehr ausführlich und insgesamt klein gedruckt sein mögen, lassen sich die Klauseln über das Inhaltsverzeichnis leicht auffinden ("Datenschutz- und telekommunikationsrechtliche Zustimmungserklärung"). Allein aus der Gestaltung und Gliederung der AGB (und dem Unterbleiben einer Hervorhebung) ist daher im Ergebnis keine Intransparenz der betroffenen Klauseln abzuleiten.

0810-Kundenhotline:

Hat der Unternehmer einen Telefonanschluss eingerichtet, um im Zusammenhang mit geschlossenen Verbraucherverträgen seinen Vertragspartnern eine telefonische Kontaktaufnahme mit ihm zu ermöglichen, so darf er gemäß § 6b KSchG einem Verbraucher, der diese Möglichkeit in Anspruch nimmt, dafür kein Entgelt anlasten. 

Wie das HG Wien bereits festgestellt hat, bot die simpli services GmbH & Co KG unter der Nummer 0810 96 97 98 eine kostenpflichtige Kundendienstrufnummer an, wobei Anrufe zu dieser Nummer nach Angaben der simpli services GmbH & Co KG maximal EUR 0,10 pro Minute kosteten. 

Die kostenpflichtige "Bestell & Service -Hotline" wurde dabei auch zur Kontaktaufnahme des Verbrauchers mit seinem Vertragspartner eingerichtet. Die simpli services GmbH & Co KG gab - wie der OGH ausführt - die kostenpflichtige Hotline auch auf Drucksorten für den Vertragswiderruf (definitionsgemäß also für eine Situation "nach Vertragsabschluss") an, ohne auch auf die kostenfreie Möglichkeit hinzuweisen. Aus den Urkunden ergibt sich überdies, dass die simpli services GmbH & Co KG diese Nummer auch als einzige im Kundenbereich auf der Website und in der E-Mail-Kommunikation mit Bestandskunden angab bzw diese sogar zum Anruf bei der kostenpflichtigen Hotline aufforderte (insb "für Fragen zur Rechnung").

Daher liegt ein Verstoß gegen die Bestimmung des § 6b KSchG vor.

OGH 31.08.2018, 6 Ob 140/18h
Volltextservice
Klagsvertreter: Dr. Stefan Langer, Rechtsanwalt in Wien

Lesen Sie mehr:

Diesen Beitrag teilen

Facebook Twitter Drucken E-Mail

Das könnte auch interessant sein:

Unzulässige Klausel zum Kundendatenabgleich bei Sky Österreich

Unzulässige Klausel zum Kundendatenabgleich bei Sky Österreich

Der VKI hatte die Sky geklagt, nachdem diese ihren Kund:innen angekündigt hatte, personenbezogene Daten mit der Österreichischen Post abgleichen zu wollen. Der OGH wertete die zugrundeliegende Vertragsbedingung und zwei weitere Datenschutzklauseln von Sky für unzulässig.

Klausel zur Abrechnung von Datenvolumen bei A1-Marke „Bob“ unzulässig

Der Verein für Konsumenteninformation (VKI) hatte im Auftrag des Sozialministeriums die A1 Telekom Austria AG (A1) wegen einer Klausel in den Entgeltbestimmungen des Tarifs minibob geklagt. Dort wurde festgelegt, dass die Abrechnung in ganzen Blöcken zu je einem Megabyte (MB) pro Session erfolgen sollte. Der Oberste Gerichtshof (OGH) bestätigte nun die Rechtsansicht des VKI, dass eine solche Verrechnungsklausel unzulässig ist. Es blieb vollkommen unklar, wie eine Session definiert sein soll.

Sky: Abgleich von Kundendaten unzulässig

Um zu überprüfen, ob vorhandene Kundendaten noch aktuell sind, wollte die Sky Österreich Fernsehen GmbH diese an die Österreichische Post zum Abgleich übermitteln. Sky Österreich schickte daher Kund*innen ein diesbezügliches Email. Der VKI klagte im Auftrag des Sozialministeriums. Das HG Wien befand die Klausel in den Emails und datenschutzrechtliche Klauseln in den AGB nun für unzulässig.

Urteil: Irreführende „5G-Ready“-Werbung von T-Mobile

Der Verein für Konsumenteninformation (VKI) hat im Auftrag des Sozialministeriums den Telekommunikationsanbieter T-Mobile wegen irreführender Bewerbung der „5G-Ready“-Tarife geklagt und bekam nun vom Handelsgericht (HG) Wien Recht: Nach Auffassung des Gerichts erweckt die Werbung den unrichtigen Eindruck, Kunden könnten bei den mit „5G-Ready“ beworbenen Tarifen bereits den Kommunikationsstandard 5G nutzen. Tatsächlich handelte es sich bei „5G-Ready“ lediglich um eine Option, die es dem Kunden ermöglicht, zu einem späteren Zeitpunkt ohne Vertragsverlängerung und Zusatzkosten auf einen 5G-fähigen Tarif zu wechseln, sobald dieser verfügbar ist. Das Urteil ist nicht rechtskräftig.

Urteil: A1-Kundenhotline: Keine Zusatzkosten für Anrufe bei vorhandenen Freiminuten

Der VKI klagte - im Auftrag des Sozialministeriums - A1 wegen einer unzulässigen Geschäftspraktik und einer unzulässigen Klausel. Das OLG Wien bestätigte dem VKI im Verfahren gegen A1 (Marke "Georg"), dass in Tarifen inkludierte Freiminuten auch zur Helpline gelten müssen. Zudem muss es auch Internetkunden möglich sein, dass sie die bestehende Hotline zum Grundtarif erreichen können.

Urteil: Gesetzwidrige Kosten bei A1-Hotline

Das HG Wien gab dem VKI im Verfahren gegen A1 (Marke Georg) recht, dass inkludierte Freiminuten auch zur Georg Helpline gelten müssen und auch Internetkunden eine Hotline zum Grundtarif zur Verfügung gestellt werden muss.

unterstützt durch das

Sozialministerium
Zum Seitenanfang