Der OGH beurteilt in seinem Urteil insgesamt 11 Vertragsklauseln. Dabei sind vor allem Klauseln zu unklaren Kostenabzügen bzw. Vereinbarungen zur Höhe des Rückkaufswertes in der klassischen und fondsgebundenen Lebensversicherung betroffen:
Aus der klassischen Lebensversicherung:
1. Bei vorzeitiger Vertragsauflösung durch Rückkauf (Kündigung gemäß Pkt. 6 der Versicherungsbedingungen) wird ein Rückkaufswert samt zugewiesener Gewinnanteile erstattet. Der Rückkaufswert entspricht nicht der Summe der bezahlten Prämien, er errechnet sich wegen des gebotenen Versicherungsschutzes und der angefallenen Kosten nach tariflichen Grundsätzen unter Berücksichtigung eines eventuellen Abschlages aufgrund der Kapitalmarktentwicklung. Das Rückkaufsrecht wird ab dem 2. Versicherungsjahr eingeräumt. Bei Rückkauf einer Lebensversicherung innerhalb von 10 Jahren wird nachträglich eine weitere Versicherungssteuer in der Höhe von 7 % fällig. Die nachstehende Tabelle zeigt Ihnen, wie sich die Rückkaufswerte Ihrer prämienpflichtigen und gegebenenfalls prämienfreien Versicherungssumme entwickeln.
2. Die nachstehende Tabelle zeigt Ihnen – nach den gleichen Kriterien wie die Rückkaufswert-Tabelle – die Entwicklung der prämienfreien Werte.
Aus der fondsgebundenen Lebensversicherung:
6. Die zur Deckung des Ablebensrisikos sowie der Kosten bestimmten Teile entnehmen wir der Deckungsrückstellung. Bei Einmalprämien entnehmen wir die Einmalkosten bereits vor Zuführung an den (die) Investmentfonds, die laufenden Kosten der Deckungsrückstellung. Bei Versicherungen gegen Einmalprämie und prämienfreien Versicherungen können daher Kursrückgänge dazu führen, daß die Deckungsrückstellung vor Ablauf der vereinbarten Versicherungsdauer aufgebracht ist. In diesem Fall tritt der Vertrag außer Kraft.
Die bei der Kalkulation der Prämien zu Ihrer fondsgebundenen Lebensversicherung berücksichtigten Kosten beruhen auf langjährigen Erfahrungswerten. Bei einer nachhaltigen Änderung der Kostensituation können die Ihnen verrechneten Kosten den tatsächlichen Verhältnissen, entweder nach oben oder nach unten, angepaßt werden. Im Falle einer Kostenerhöhung entnehmen wir einen höheren Betrag, im Fall einer Kostenreduktion werden wir einen verminderten Betrag entnehmen.
7. Der Rückkaufswert entspricht nicht der Summe der bezahlten Prämien. Er errechnet sich wegen des gebotenen Versicherungsschutzes, der angefallenen Kosten und nach Berücksichtigung eines Abschlages auf die tarifliche Deckungsrückstellung nach den tariflichen Grundsätzen.
Die 1., 2., 6. und 7. Klausel sind nach Einschätzung des OGH wegen Verstoßes gegen das Transparenzgebot des § 6 Abs 3 KSchG gesetzwidrig, weil die Abschlusskosten und Rückkaufsabschläge weder direkt noch indirekt offengelegt werden. Daher können die Verbraucher die wirtschaftlichen Folgen dieser Relung nicht abschätzen. Dabei weist der OGH darauf hin, dass die in den Polizzen enthaltenen Rückkaufswerttabellen sowie auch die Modellrechnungen nicht Vertragsinhalt sind. Da die Rückkaufswerttabellen erst mit der Polizze zur Kenntnis gebracht wurden, kann von einer Vereinbarung der in den Tabellen ersichtlichen Werte – die spätestens mit Vertragsabschluss getroffen werden müsste – keine Rede sein.
Die 1. und 7. Klausel sehen außerdem einen unzulässigen Stornoabzug für den Fall der Kündigung vor. Gemäß § 176 Abs 4 VersVG setzt die Vereinbarung eines angemessenen Stornoabzuges nämlich voraus, dass der Konsument über die Höhe des Stornoabzuges informiert wird. Die Angemessenheitskontrolle ist nämlich denklogisch nur dann möglich, wenn die Abzugshöhe von den Vertragsparteien festgelegt ist. Die Klauseln enthalten zur Höhe des Abzuges allerdings keine Information.
Mangels gültiger vertraglicher Grundlage dürfen nach Einschätzung des VKI bei Vorliegen derartiger Klauseln Abschlusskosten und Stornoabzüge nicht mehr in dieser Weise verrechnet werden. Dies hat der Bundesgerichtshof (BGH) bereits für die Situation in Deutschland festgehalten. Eine Orientierung an der gesetzlichen Neuregelung der Rückkaufswerte für Verträge ab dem 1.1.2007 (VersRÄG 2006) auch für Altverträge ist angezeigt. Dabei werden die Abschlusskosten auf die ersten 5 Jahre der Laufzeit aufgeteilt. Diese Verteilungsweise wurde in Östereich bereits gerichtlich bestätigt (vgl. BGHS Wien 28.3.2007, 12 C 1937/05y – siehe VR-Info 5-2007).
Bei bereits rückgekauften und prämienfreigestellten Verträgen besteht somit unter Umständen ein Anspruch auf Nachforderung gegenüber der Versicherung. Bei Rückkäufen können Ansprüche jedenfalls innerhalb von drei Jahren ab Rückkauf geltend gemacht werden. Bei Prämienfreistellungen beginnt die dreijährige Verjährungsfrist erst mit dem vereinbarten Leistungszeitpunkt. Das Urteil kann sich aber auch auf alle noch laufenden Altverträge auswirken, die erst in Zukunft vorzeitig gekündigt oder prämienfrei gestellt werden.
Im vorliegenden Urteil werden drei weitere Klauseln beanstandet, die sich auf die Gültigkeit von Erklärungen der Versicherung bzw. des Versicherungsnehmers beziehen. Der OGH verweist dazu auf die Entscheidungen vom 17.1.2007, in denen wortgleiche Klauseln bereits als gesetzwidrig beurteilt wurden (7 Ob 131/06z, 7 Ob 140/06y und 7 Ob 173/06a – siehe VRInfo 3/2007):
Schließlich werden vom OGH auch vier Klauseln beanstandet, in denen die Kosten für die Überweisung der Versicherungsleistung auf den Konsumenten überwälzt werden bzw. in denen sich die Versicherung vorbehält, Vertragsbestimmungen zu ändern. Die Kostenüberwälzung ist gröblich benachteiliegend, weil sie von der Regelung des § 905 Abs 2 ABGB abweicht. Die Änderungsermächtigungen verstoßen gegen § 6 Abs 2 Z 3 KSchG bzw. gegen das Transparenzgebot des § 6 Abs 3 KSchG.
OGH 30.5.2007, 7 Ob 4/07z
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Klagevertreter: Dr. Stefan Langer, RA in Wien