Beim vom VKI in Zusammenarbeit mit RA Dr. Klauser erarbeiteten Konzept der "Sammelklage nach österreichischem Recht" treten mehrere Verbraucher ihre Ansprüche ab, welche anschließend von einem einzigen Kläger - diesfalls der AK Stmk - geltend gemacht werden (Inkassozession).
Das Erstgericht (LG Graz 27.2.2003) wies den geltend gemachten Anspruch jedoch wegen mangelnder Aktivlegitimation zurück. Begründet wurde diese Haltung des Gerichtes damit, dass § 227 ZPO nicht unabhängig von § 11 ZPO (Streitgenossen) betrachtet werde könne und daher teleologisch in diesem Sinne zu reduzieren wäre.
Das OLG Graz wollte sich dieser Ansicht des Erstgerichtes jedoch nicht anschließen. Zuerst konstatierte das Gericht jedoch, dass selbst bei Billigung des vom Erstgericht gutgeheißenen Ansatzes eine unzulässige Klagehäufung bloß einen verbesserungsfähigen Formmangel darstelle, wenn das Prozessgericht für alle Ansprüche zuständig ist. Jene Ansprüche, für die das Erstgericht also jedenfalls zuständig war, hätte es daher jedenfalls verhandeln müssen, so das OLG Graz.
Die Klage der AK Stmk erfülle alle Voraussetzungen des § 227 ZPO. Zu einem gegenteiligen Ergebnis könne man nur gelangen, wenn man mit Hinweis auf § 11 ZPO eine teleologische Reduktion des § 227 ZPO für notwendig halte oder wenn diese Auslegung gegen grundlegende verfahrensrechtliche Prinzipien verstoßen würde. Beides sei jedoch nicht gegeben.
Durch die Inkassozession kommt es nach hL - trotz obligatorischer, treuhändischer Beschränkungen im Innenverhältnis - zu einer Übertragung eines Vollrechts, das sowohl die prozessuale als auch die materiellrechtliche Verfügungsgewalt umfasst. Dass sich der Inkassozessionar nicht auf § 227 ZPO berufen könne, obwohl er ein eigenes Recht im eigenen Namen geltend macht, sei nicht einsichtig. Ebenso könne man dem Gesetzgeber nicht unterstellen, bei der Regelung einen überschießend weiten Gesetzeswortlaut verwendet zu haben, die weitreichenden Folgen also nicht bedacht zu haben. Dabei verwies das OLG Graz u.a. auf ein ähnlich gelagertes Urteil des OGH vom 23.6.1926 (SZ 8/206), wo dieser die Klage eines "Arbeiterverbandes" als Zessionar unter Hinweis auf § 227 ZPO für zulässig erachtete.
Zur Frage der Prozessökonomie nahm das Gericht folgendermaßen Stellung: Die Möglichkeit, die gemeinsamen Rechtsfragen gemeinsam, die individuellen Aspekte (Aufklärung jedes einzelnen Sachverhaltes) jedoch getrennt (§ 188 ZPO) verhandeln zu können, biete einen ausreichenden prozessualen Gestaltungsraum.
Ganz wie Rechberger (in: Kumul- und Großschäden, VR 2003, 20) sah auch das OLG Graz diese Form der Sammelklage als geeignet an, kleinere Ansprüche einer großen Anzahl von Geschädigten geltend zu machen, die jeder für sich allein wohl voraussichtlich nicht den Weg zu Gericht gefunden hätten. Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig.
OLG Graz 25. Juni 2003, 3 R 83/03f
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Klagevertreter: Dr. Michael Drexel, RA in Graz