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Urteil: Pauschalreise: Erfüllungsgehilfenkette und Beweislast

Der Kläger hatte für sich und vier seiner Familienmitglieder bei dem beklagten Reisebüro eine Pauschalreise gebucht, die (ua) einen Flug von Wien über Barcelona nach Miami und eine am folgenden Tag von Miami startende, einwöchige Schiffskreuzfahrt beinhaltete. Dem Kläger wurde im Zuge der Zwischenlandung in Barcelona die Weiterbeförderung mit der Begründung verwehrt, dass ein Koffer eines Familienmitglieds fehle. Als dem Kläger und seiner Familie vom Sicherheitspersonal mitgeteilt wurde, dass der Koffer gefunden worden sei und sie gehen dürften, war das Flugzeug bereits ohne sie abgeflogen. Da der nächste Flug nach Miami erst zwei Tage später verfügbar gewesen wäre und damit das Kreuzfahrtschiff nicht mehr rechtzeitig erreicht worden wäre, trat die Familie die Rückreise nach Wien an.

Der Klage auf Rückzahlung des Reisepreises und auf Ersatz für entgangene Urlaubsfreude wurde stattgegeben.

Der Reiseveranstalter haftet im Wege einer Erfüllungsgehilfenkette (§ 1313a ABGB) auch für die von den die Beförderung ausführenden Fluglinien zur Registrierung, Sortierung und Beförderung des Reisegepäcks, insb zum Durchchecken dieses Gepäcks bei einer Zwischenlandung, beigezogenen Gehilfen.

An die Nichterfüllung der vertraglichen Hauptleistungspflicht - hier: Beförderung von Barcelona nach Miami - knüpft die Beweislastumkehr des § 1298 ABGB. Steht nicht fest, aus welchen Gründen der Koffer eines Reiseteilnehmers fehlt, geht dies zulasten des Reiseveranstalters, dem der Beweis obliegt, dass seine Erfüllungsgehilfen bei der Handhabung des Reisegepäcks und der Zusammenarbeit mit dem Sicherheitspersonal die objektiv gebotene Sorgfalt (§ 1299 ABGB) einhielten.

Der Einwand der Beklagten, der Kläger und seine Familie hätten den nächsten Flug nach Miami nehmen müssen, ist unberechtigt: Ein Personenbeförderungsvertrag mittels Luftfahrzeugen mit bestimmten Hin- und Rückflugterminen ist nach stRsp ein "relatives Fixgeschäft" iSd § 919 Satz 2 ABGB, weil Natur und Zweck der vereinbarten Flugtermine schon im Allgemeinen erkennen lassen, dass der Gläubiger (Fluggast) an einer verspäteten Leistung kein Interesse mehr hat. Da die vom Kläger im Rahmen der Pauschalreise gebuchte Kreuzfahrt bereits am 28.3.2015 von Miami aus startete, hatten die Reisenden erkennbar kein Interesse an einem Flug nach Miami erst am 29.3.2015, sodass der Kläger nicht verpflichtet war, die spätere Erfüllung anzunehmen.

OGH 23.2.2018, 8 Ob 14/18v

Das Urteil im Volltext.

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