Der Kläger wollte an einer von der beklagten Partei veranstalteten Expedition zur Besteigung des Mount Everest teilnehmen. Er schloss am 8.11.2014 den Vertrag dazu ab. Ein paar Tage nachdem er das Basislager auf 6.400 m erreichte, erschütterte ein Erdbeben das Mount Everest Gebiet, worauf der Geschäftsführer der beklagten Partei die Expedition für abgebrochen erklärte. Die chinesischen Behörden verfügten wegen der Gefahr von Nachbeben ein Verbot der Besteigung des Mount Everest, dessen Dauer man nicht mit Sicherheit einschätzen konnte. Der Kläger begehrte einen Teil (ca EUR 31.000) des gezahlten Betrages (von ca EUR 51.000) zurück.
Anwendbares Recht
In den AGB des Beklagten stand: "Anwendbar ist das Schweizer Recht". Die Beklagte richtete ihre gewerbliche Tätigkeit auch nach Österreich aus.
Nach Art 6 Abs 2 Rom I-VO (VO (EG) Nr 593/2008) können die Parteien auch bei Verbraucherverträgen wirksam eine Rechtswahl treffen, sofern dem Verbraucher der Schutz, den zwingende Bestimmungen des Rechts des Verbraucherstaats gewährleisten, nicht entzogen wird.
Zwar erklärt Art 10 Abs 1 Rom I-VO das gewählte Recht als für die Beurteilung der Wirksamkeit der Rechtswahlklausel maßgeblich. Jedoch räumt Art 23 Rom I-VO nationalen Kollisionsnormen, die in Umsetzung von Bestimmungen des Gemeinschaftsrechts erlassen wurden, Vorrang gegenüber den Vorschriften der Rom I-VO ein. Die Kollisionsnorm des § 13a KSchG ergänzt Art 6 Rom I-VO und beschränkt bei Verträgen mit Auslandsbezug die Rechtswahlfreiheit der Parteien, wenn das Recht eines Nicht-EWR-Staats zur Anwendung gelangen soll. Die Rechtswahl ist danach ua für die Beurteilung der Gültigkeit und der Folgen der Ungültigkeit einer Vertragsbestimmung, die nicht eine der beiderseitigen Hauptleistungspflichten festlegt, und der Folgen einer unklar und unverständlich abgefassten Vertragsbestimmung insoweit unbeachtlich, als das gewählte Recht für den Verbraucher nachteiliger ist als das Recht, das ohne die Rechtswahl maßgebend wäre (§ 13a Abs 1 Z 1 und 2 KSchG).
Die Zugrundelegung österreichischen Rechts ist nicht zu beanstanden, ohne dass noch erörtert werden müsste, ob die in den AGB der beklagten Partei enthaltene Rechtswahlklausel nicht schon wegen Intransparenz missbräuchlich und daher nicht anzuwenden wäre, weil der Verbraucher nicht darauf hingewiesen wurde, dass er sich nach Art 6 Abs 2 Rom I-VO auf den Schutz der zwingenden Bestimmungen des im Staat seines gewöhnlichen Aufenthalts geltenden Rechts berufen kann.
Reiseveranstaltungsvertrag
Das mit 1.7.2018 in Kraft getretene Pauschalreisegesetz (PRG) ist nach seinem § 20 auf Verträge anzuwenden, die mit seinem Inkrafttreten abgeschlossen werden. Auf den am 8.11.2014 abgeschlossenen Vertrag sind daher noch die Bestimmungen des KSchG (§§ 31b - 31f) anzuwenden.
Pauschalreise
Voraussetzung für das Vorliegen einer Reiseveranstaltung war nach § 31b Abs 2 Z 1 KSchG (aF) die Kombination von zumindest zwei Dienstleistungen zu einem Gesamtpreis. Ob die Kombination der Leistungen aus dem im Gesetz genannten Katalog allenfalls erst auf Wunsch des Reisenden nach seinen speziellen Interessen zusammengestellt wurde, war für die Anwendbarkeit der §§ 31b ff KSchG unerheblich. Der Zweck der Reise ist daher für die Qualifikation einer Veranstaltung als Reisevertrag nach dieser Bestimmung kein relevantes Tatbestandsmerkmal. Expeditionsreisen waren aus dem sachlichen Anwendungsbereich der §§ 31b ff KSchG nicht ausgenommen. Auch die potenzielle Gefährlichkeit einer Unternehmung stand der Anwendung der §§ 31b ff KSchG nicht entgegen.
Die beklagte Partei hat jedenfalls die Unterbringung und Beförderung (ab Kathmandu) zum Zweck der Besteigung des Mount Everest organisiert und damit eine Kombination von Dienstleistungen zu einem Gesamtpreis angeboten. Am Vorliegen einer Pauschalreise und damit der Anwendbarkeit der §§ 31b ff aF KSchG besteht daher kein Zweifel.
Leistungsstörung
Die Bestimmung des § 31e KSchG regelt generell das Auftreten von Leistungsstörungen nach der Abreise, insbesondere auch die nicht zu vertretende Unmöglichkeit der Leistung und unterstellt den Tatbestand der nachträglichen (Teil-)Unmöglichkeit der Leistung aufgrund höherer Gewalt (Naturkastastrophe) dieser Bestimmung. Ist die Durchführung der gebuchten Reise und somit auch eine Verbesserung der Reiseleistung unmöglich, ergibt sich aus § 31e Abs 1 zweiter Satz KSchG die Verpflichtung des Veranstalters zur Rückbeförderung des Reisenden zum Ort der Abreise oder an einen anderen mit ihm vereinbarten Ort. Damit ist konsequenterweise auch der Abbruch der Reise und die damit verbundene Vertragsauflösung verbunden. Der Anspruch des Reisenden auf Rückzahlung des geleisteten Entgelts ergibt sich dann aus allgemeinen Regeln (§ 1435 ABGB), wobei bereits vor dem Abbruch der Reise konsumierte Leistungen entsprechend anzurechnen sind, weil diese in natura nicht mehr zurückgestellt werden können.
Diese Grundsätze sind auch auf den vorliegenden Fall anzuwenden. Die durch das Erdbeben hervorgerufene Unmöglichkeit, den Mount Everest zu besteigen, und der damit verbundene Abbruch der Expedition bewirkten bereits nach § 31e KSchG die Vertragsauflösung und befreiten damit die beklagte Partei - abgesehen von der Rückbeförderung nach Kathmandu - von der Verpflichtung zur weiteren Leistungserbringung. Der Anspruch des Klägers auf (teilweise) Rückzahlung des geleisteten Entgelts folgt schon aus der allgemeinen Regel des § 1435 ABGB.
Vertragliche Einschränkungen?
Eine von der gesetzlichen Gefahrtragungsregelung abweichende Vereinbarung, die alle Fälle höherer Gewalt und somit auch die Unmöglichkeit der Leistungserbringung wegen eines Erdbebens erfasst hätte, kann den Vertragsgrundlagen nicht entnommen werden:
Die AGB der beklagten Partei enthalten lediglich eine Haftungsbegrenzung des Veranstalters auf Vorsatz und grobe Fahrlässigkeit. Das dem Kläger ausgefolgte Handbuch weist nur allgemein darauf hin, dass das Gelingen der Expedition von der vor Ort angetroffenen Situation (insbesondere den alpinen Gefahren) abhängig sei und es keine "Gipfelgarantie" gebe. Welche Folgen ein Expeditionsabbruch wegen Verwirklichung einer derartigen alpinen Gefahr auf etwaige Rückersatzansprüche haben soll, ist auch dem Handbuch nicht zu entnehmen.
Rückabwicklung
Bei der Rückabwicklung des Rechtsgeschäfts nach Vertragsauflösung muss sich der Reisende bestimmte Vorteile nach bereicherungsrechtlichen Grundsätzen anrechnen lassen, weil eine Rückstellung bereits konsumierter Reiseleistungen in natura nicht möglich ist. Er hat für die verbrauchten Reiseleistungen ein dem erhaltenen Nutzen angemessenes Entgelt zu zahlen. Die Bewertung des Nutzens, den der Kläger durch die Konsumation von Leistungsteilen gezogen hat, ist nach § 273 Abs 1 ZPO vorzunehmen und dem Gesamtpreis gegenüberzustellen. Soweit die beklagte Partei auf ihre Ersparnis verweist, übersieht sie, dass es auf den Nutzen ankommt, den der Kläger aus der teilweisen Leistungserbringung gezogen und abzugelten hat. Schadensersatzansprüche des Klägers sind nicht zu beurteilen, sodass die Behauptung der beklagten Partei, er habe gegen seine Schadensminderungspflicht gemäß § 1304 ABGB verstoßen, weil er keine Stornoversicherung abgeschlossen habe, verfehlt ist. Eine auf das Schadenersatzrecht gestützte Gegenforderung hat die beklagte Partei nicht erhoben.
OGH 25.4.2019, 5 Ob 194/18t