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Urteil: Reisevermittler Airberlin Holidays verwendet unzulässige AGB

Der Verein für Konsumenteninformation hat - im Auftrag des Sozialministeriums - den Reisevermittler Airberlin Holidays GmbH wegen unzulässiger Vertragsbestimmungen geklagt.

Das Handelsgericht Wien erklärte einen Teil der vom VKI inkriminierten Klauseln für unzulässig. Diese betreffen die Verwendung und Weitergabe von Kundendaten, die Wahl des anwendbaren Rechts, die Normierung eines Gerichtsstandes und die Wirkungen bei teilweiser Unzulässigkeit einzelner Bestimmungen.

Im Einzelnen handelt es sich um folgende Klauseln:

Datenverwendung und Datenschutz

airberlin holidays erhebt und verwendet Ihre Daten gemäß den datenschutzrechtlichen Bestimmungen zu Bewerbung, Verkauf, Vermittlung und Durchführung von Reisen. Nur soweit gesetzlich zulässig, werden Ihre Daten an Dritte übermittelt, z.B. Fluggesellschaft, Hotel, sonstige Auftragnehmer sowie Konsumentenauskunft, die zur Ermittlung Ihres wahrscheinlichen Zahlungsverhaltens u.a. Ihre Anschriftendaten heranzieht. (Klausel 4).

Die Klausel sei intransparent, da sie den Umfang der Datenweitergabe und der möglichen Datenempfänger offen lasse; überdies werde nicht auf die jederzeitige Widerrufsmöglichkeit hingewiesen und suggeriere die Klausel im Gesamtkontext, dass die Datenweitergabe gesetzlich als Opt-Out-Möglichkeit vorgesehen wäre (§ 6 Abs 3 KSchG).

Soweit gesetzlich zulässig holen wir ggf. eine Bonitätsauskunft ein - in Deutschland bei Creditreform Boniversum GmbH (Hellersbergstraße 11, D-41460 Neuss) sowie SCHUFA Holding AG (Kormoranweg 5, D-65201 Wiesbaden), in Österreich bei Deltavista GmbH (Diefenbachgasse 35, A-1150 Wien). Hierzu übermitteln wir die zu einer Bonitätsprüfung benötigten personenbezogenen Daten an die oben genannten Auskunfteien und verwenden die erhaltenen Informationen für eine abgewogene Entscheidung über die Begründung und Durchführung eines Vertragsverhältnisses. Die Bonitätsauskunft kann Wahrscheinlichkeitswerte (Score-Werte) beinhalten, die auf Basis wissenschaftlich anerkannter mathematisch-statistischer Verfahren berechnet werden und in deren Berechnung unter anderem Anschriftendaten einfließen. Ihre schutzwürdigen Belange werden gemäß den gesetzlichen Bestimmungen berücksichtigt. (Klausel 5).

Es müsse nicht damit gerechnet werden, dass Kundendaten zur Prüfung der Bonität an Auskunfteien weitergegeben werden (§ 864a ABGB), das entsprechende Schutzinteresse des Kunden überwiege jenem des Unternehmens (§ 879 Abs 3 ABGB); zudem bleibe unklar, unter welchen Umständen tatsächlich eine Bonitätsauskunft eingeholt werde bzw. werden dürfe (§ 6 Abs 3 KSchG).

Es gilt deutsches Recht. (Klausel 6).

Die pauschale Rechtswahlklausel sei unzulässig: Verträge, die ein Verbraucher mit Wohnsitz in Österreich mit einem Unternehmer schließt, unterliegen dem Recht des Staates, im dem der Verbraucher seinen gewöhnlichen Aufenthalt hat, sofern der Unternehmer seine berufliche oder gewerbliche Tätigkeit in diesem Staat ausübt oder auf irgendeine Weise auf diesen Staat ausrichtet. KonsumentInnen darf der zwingende Schutz ihrer Heimatrechtsordnung nicht entzogen werden (§ 6 Abs 3 und § 13 Abs 2 KSchG).

Gerichtsstand für Rechtsstreitigkeiten gegen airberlin holidays ist Baden-Baden. (Klausel 7).

Für Pauschalreiseverträge könne der sogenannte "Verbrauchergerichtsstand" nicht ausgeschlossen werden (Art 17 Abs 3, Art 18 Abs 1 und 2 EuGVVO 2012); unzulässig sei generell der Ausschluss eines gesetzlichen Gerichtsstandes eines Verbrauchers (§ 14 Abs 1 und 2 KSchG).

Sollte eine der vorstehenden Bestimmungen unwirksam sein oder werden, so behalten die übrigen Bedingungen gleichwohl Gültigkeit. Die Wirksamkeit des Vermittlungsvertrages als solchem bleibt unberührt. (Klausel 8).

Die Klausel sei intransparent, da nicht jedenfalls von der Wirksamkeit der übrigen Bestimmungen bzw. des Vermittlungsvertrages ausgegangen werden könne, und ein entsprechender Verweis auf eine unzulässige Klausel, die verweisende Bestimmung selbst unwirksam mache (§ 6 Abs 3 KSchG).

Die folgenden drei Klauseln erachtete das HG Wien hingegen für zulässig, da es sich nach seiner Auffassung um solche mit reinem Informationscharakter handle, die keine Auswirkungen auf den Vermittlungsvertrag hätten:

Wird der Hinflug nicht wahrgenommen, zieht dies regelmäßig auch eine Stornierung des Rückfluges nach sich. (Klausel 1).

Gleiches gilt bei Unterlassen einer von einigen Fluggesellschaften geforderten Bestätigung des Rückfluges. (Klausel 2).

Die Meldung eines Gepäckschadens/-verlustes hat gegenüber dem Anfertigungsagenten des ausführenden Luftfrachtführers am Zielflughafen unmittelbar durch Aufnahme eines Schadenprotokolls (P.I.R.) zu erfolgen. Bei Gepäckschäden/-verlust ist jede Klage ausgeschlossen, wenn der Berechtigte nicht unverzüglich nach Entdeckung des Schadens, bei internationalen Reisen jedenfalls aber spätestens sieben Tage nach Erhalt des Gepäcks schriftlich Anzeige an den Luftfrachtführer erstattet. Das gleiche gilt für die verspätete Auslieferung von Gepäck mit der Maßgabe, dass dieses Anzeige unverzüglich, jedenfalls aber spätestens 21 Tage nach Andienung des Gepäcks zu erstatten ist. Die Anzeige bedarf der Schriftform und muss innerhalb der vorgenannten Fristen abgesandt werden. (Klausel 3)

Sowohl der VKI als auch Airberlin Holidays GmbH legten Rechtsmittel gegen das Urteil ein.

Das Oberlandesgericht Wien änderte das Urteil im Sinne der Berufung des VKI ab und erklärte auch die Klauseln 1 bis 3 für unzulässig:

Bereits dem Wortlaut der Klauseln, wonach bei Nichteinhaltung bestimmter Anzeigefristen "jede Klage" ausgeschlossen sei und "regelmäßig" eine Stornierung des Rückfluges erfolge (bei kundenfeindlichster Auslegung also von einem Automatismus auszugehen sei), spreche gegen einen bloßen Hinweis- und Informationscharakter. Die Klauseln 1 und 2 seinen daher gröblich benachteiligend (§ 879 Abs 3 ABGB), Klausel 2 berge zudem eine unzulässige Erklärungsfiktion (§ 6 Abs 1 Z 2 KSchG), und Klausel 3 sei intransparent, da die Regeln des Montrealer Übereinkommens unrichtig wiedergegeben werden (§ 6 Abs 3 KSchG).

Der Berufung der Airberlin Holidays GmbH gab das OLG Wien hingegen nicht Folge:

Dazu stellte der Gerichtshof klar, dass die Klauseln 4 und 5 nach österreichischem Recht zu beurteilen seien, da ein österreichisches Unternehmen (Deltavista GmbH mit Sitz in Wien) die Verarbeitung personenbezogener Daten vornehme und somit als Gehilfe der Beklagten tätig werde; damit werde eine Niederlassung iSd Art 4 Abs 1 lit a Datenschutz-RL in Österreich begründet. Die Klauseln seien intransparent (§ 6 Abs 3 KSchG).

Auch der Zuspruch des Veröffentlichungsbegehrens wurde vom OLG Wien bestätigt.

HG Wien 11.08.2016, 43 Cg 6/16d
OLG Wien 29.11.2016, 5 R 164/16y

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Klagevertreter: Dr. Stefan Langer, RA in Wien

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