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Urteil: Risikoverschiebung zulasten von Reisenden bei Fällen höherer Gewalt nicht zulässig

Nach einem Urteil des OGH muss ein Reisender bei einem Reiseabbruch in Folge einer unvorhersehbaren Naturkatastrophe nur ein dem erhaltenen Nutzen angemessenes Entgelt bezahlen.

Die Klägerin buchte bei der Beklagten eine Pauschalreise (Flug, Nächtigung, Frühstück) nach Thailand, Phuket,  für die Zeit von 21.12.2004 bis 5.1.2004 zu einem Gesamtreisepreis von € 9.475,58 für sechs Personen. Am 26.12.2006 wurde die Hotelanlage aufgrund einer Flutwelle (Tsunami) vollständig zerstört. Die Kläger kehrten am 28.12.2004 nach Österreich zurück. Die Beklagte erstattete der Klägerin in der Folge einen anteiligen Reisepreis für sämtliche Reisende für Nächtigung und Frühstück für 10 Tage und die geleisteten Saisonzuschläge, insgesamt € 2.060,00, zurück.

Die Klägerin begehrte die Rückerstattung von weiteren € 4.708,27 sA von insgesamt 14 Reisetagen, da nur 4 Urlaubstage konsumiert werden konnten und daher ein Preisminderungsanspruch in Höhe von 10/14 des vereinbarten Reisepreises zustehe. Der Klagsbetrag ergebe sich sohin unter Anrechnung der bereits geleisteten Rückzahlung. Die Beklagte wendete, es handle sich um einen Fall höherer Gewalt, der Anspruch umfasse daher lediglich den Ersatz der nicht konsumierten Leistungen. Die Kosten für Hin- und Rückflug und die Kosten für den Hotelaufenthalt bis zum Abbruch des Urlaubs seien zu bezahlen.

Erste und zweite Instanz wiesen das Klagebegehren ab, das Berufungsgericht sprach jedoch aus, dass die oRevision zulässig sei, weil  Rspr zur Frage fehle, wie bei einer Pauschalreise der Wert der ausgefallenen Leistungsteile bei einer vom Schuldner nicht zu vertretenden nachträglichen Teilunmöglichkeit der Leistung zu bestimmen sei.

Der OGH beantwortete diese Frage klar im Sinne der Reisenden. Er führte aus, dass § 31e Abs 1 KSchG das Auftreten von Leistungsstörungen nach Abreise regle, in Anlehnung an die PauschalreiseRL setze die Bestimmung keine bestimmten Gründe für die Nicht- bzw Schlechterfüllung der gebuchten Reiseleistung voraus. Es falle daher sowohl die Behandlung eines einfachen Mangels als auch das subjektive Unvermögen bzw die nicht zu vertretende Unmöglichkeit der Leistung unter diese Bestimmung. Daher werde auch der hier vorliegende Fall der nachträglichen (Teil-)Unmöglichkeit der Leistung aufgrund von höherer Gewalt (Naturkatastrophe) von § 31e KSchG erfasst.

In vorliegenden Fall habe sich der Veranstalter ohne zusätzliches Entgelt um eine gleichwertige Möglichkeit für den Rücktransport zu bemühen. Mit dem Rücktransport erfolge konsequenterweise auch der Abbruch der Reise und die damit verbundene Vertragsauflösung.

Der Veranstalter schulde entsprechend dem Werkvertragscharakter des Reisveranstaltungsvertrages einen Erfolg, dessen Ausbleiben sein Risiko und nicht das Risiko des Reisenden sei. Der Reisende müsse sich bei der Rückabwicklung des Rechtsgeschäfts nach Vertragsauflösung bestimmte Vorteile nach bereicherungsrechtlichen Grundsätzen (§§ 1435, 1431 ABGB) anrechnen lassen. Der Reisende habe daher für verbrauchte Reiseleistungen ein dem erhaltenen Nutzen angemessenes Entgelt zu zahlen.

Der Nutzen des Reisenden decke sich geradezu typischerweise nicht nicht mit der Kostenkalkulation des Veranstalters. Für den Reisenden sei der Flug in der Regel nur Mittel zum Zweck und stelle für sich allein keinen "Urlaubswert" dar. Die Bemessung des Nutzens habe sich daher nicht am objektiven Wert einzelner selbständig konsumier- und bewertbarer Leistungsteile (zB nur Flug)  zu orientieren, sondern am Erreichen des Reisezieles insgesamt.  Wenn sich die bisherigen Reiseleistungen für den Reisenden in keiner Weise erfüllten - der Ausfall passiere also nach Ankunft am Urlaubsort - so habe er Anspruch auf Erstattung des ganzen Entgelts, er dürfe auch nicht mit den Kosten der Beförderung belastet werden. Hatte der verbrachte Reiseteil Erholungswert, so mindere sich dementsprechend der Anspruch auf Rückerstattung des Entgelts wobei  die Minderung nicht unbedingt dem zeitlichen Ausmaß entsprechen müsse. Die Bewertung des Nutzens sei nach richterlichem Ermessen vorzunehmen.

Daher seien die Flugkosten auf jeden Urlaubstag aliquot aufzuteilen und ergebe sich ein den konsumierten Reiseleistungen und dem erhaltenen Nutzen  entsprechend zu zahlendes Entgelt von 4/14 vom gesamten Reisepreis.


OGH 30.01.2007, 10 Ob 2/07b
Klagsvertreter: Mag. Martin Marhold, RA in Wien

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