Eine Konsumentin meldete sich am 24.4.2018 zu einem Fernstudienlehrgang an. Sie füllte das Anmeldeformular auf der Homepage aus, druckte dieses aus und schickte es an den Studienanbieter. Das Anmeldeformular enthielt die AGB. In diesen waren Informationen über das 14tägige Rücktrittsrecht bei Fernabsatzgeschäften enthalten. Dem Anmeldeformular war aber kein Muster-Widerrufsformular angeschlossen. Auch auf der Homepage der Beklagten findet sich kein solches Muster-Widerrufsformular. Der Unternehmer bestätigte die Anmeldung der Konsumentin am 26.04.2018 per E-Mail, ohne ein Muster-Widerrufsformular zu übermitteln.
Mit E-Mail vom 20.6.2018 erklärte die Konsumentin gegenüber dem Unternehmer den Rücktritt vom Vertrag und forderte die Rückzahlung des gezahlten Betrages iHv EUR 8.800,--. Der Unternehmer refundierte ihr jedoch nur EUR 4.400,-- und behielt den Restbetrag als Stornogebühren ein.
Der VKI klagte im Auftrag des Sozialministeriums für die Konsumentin die noch offenen EUR 4.400,-- ein.
Nach § 4 Abs 1 FAGG muss der Unternehmer dem Verbraucher, bevor dieser durch einen Vertrag oder seine Vertragserklärung gebunden ist, in klarer und verständlicher Weise bestimmte Informationen erteilen, und zwar "bei Bestehen eines Rücktrittsrechts die Bedingungen, die Fristen und die Vorgangsweise für die Ausübung dieses Rechts, dies unter Zurverfügungstellung des Muster-Widerrufsformulars gemäß Anhang I Teil B" (Z 8).
Der Verbraucher kann gem § 11 Abs 1 FAGG von einem Fernabsatzvertrag oder einem außerhalb von Geschäftsräumen geschlossenen Vertrag binnen 14 Tagen ohne Angabe von Gründen zurücktreten. Ist der Unternehmer seiner Informationspflicht nach § 4 Abs 1 Z 8 FAGG nicht nachgekommen, verlängert sich die in § 11 FAGG vorgesehene Rücktrittsfrist um 12 Monate (§ 12 Abs 1 FAGG). Die Erklärung des Rücktrittsrechts ist an keine bestimmte Form gebunden. Der Verbraucher kann dafür das Muster-Widerrufsformular gemäß Anhang I Teil B verwenden (§ 13 Abs 1 FAGG).
Der EuGH entschied in C-430/17 (Walbusch), dass bei einem Fernabsatzgeschäft (dort: über Werbeprospekt mit Postkarte auf der Rückseite), bei dem für die Darstellung der Informationen nur begrenzter Raum bzw begrenzte Zeit zur Verfügung steht, der Unternehmer zwar über das Widerrufsrecht (Bedingungen, Fristen, Verfahren für die Ausübung) belehren muss, er aber nicht zeitgleich mit dem Einsatz dieses Kommunikationsmittels das Muster-Widerrufsformular zur Verfügung stellen muss.
In 10 Ob 34/19a sprach der OGH aus, dass es für einen Unternehmer, der ohnedies die Informationserteilung schriftlich (oder auf einem anderen dauerhaften Datenträger) vorzunehmen gehabt hätte und sich im konkreten Fall dazu eines schriftlichen Merkblattes bedient habe, die zusätzliche Zurverfügungstellung des Muster-Widerrufsformulars keine unzumutbare weitere Belastung darstellt. Stellt er das Muster-Widerrufsformular in einem solchen Fall nicht zur Verfügung, verlängert sich die Rücktrittsfrist um 12 Monate.
Dies gilt auch hier. Somit tat der Unternehmer hier nicht § 4 Abs 1 Z 8 FAGG Genüge. Die Rücktrittsfrist verlängerte sich um 12 Monate, sodass der Rücktritt der Konsumentin innerhalb der Frist erfolgte.
Der beklagte Unternehmer brachte vor, dass sich das Muster-Widerrufsformular bereits am 16.5.2018 auf seiner Homepage befunden hatte. Dies war aber im konkreten Fall rechtlich nicht relevant: Nach § 13 Abs 2 FAGG kann der Unternehmer dem Verbraucher zwar auch die Möglichkeit einräumen, das Muster-Widerrufsformular gemäß Anhang I Teil B oder eine anders formulierte Rücktrittserklärung auf der Website des Unternehmers elektronisch auszufüllen und abzuschicken. Der Zweck dieser Vorschrift liegt aber nicht darin, den Unternehmer von seinen Belehrungspflichten nach § 4 Abs 1 Z 8 FAGG zu befreien. Die allfällige Möglichkeit zum Download des Formulars reicht für die Erfüllung der Informationspflichten gem § 4 Abs 1 Z 8 FAGG nicht aus. Die ausschließliche Bereitstellung des Widerrufsformulars auf der Website des Unternehmers gemäß § 13 Abs 2 FAGG ist nicht ausreichend und bildet keine Alternative zur Bereitstellung auf Papier oder dauerhaftem Datenträger.
Das Urteil ist rechtskräftig.
LG Linz 17.9.2019, 2 R 32/19i