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Urteil: Schadenersatz beim Sammeln von Bonitätsdaten wider Treu und Glauben

Das OLG Wien bestätigt ein Urteil in einem Musterprozess des VKI (im Auftrag des BMSK) gegen den Wirtschaftsdienst Deltavista: Wer Bonitätsdaten sammelt muss Betroffenen darauf hinweisen, sonst droht Schadenersatz.

In der Datenbank des Wirtschaftsauskunftsdienstes Deltavista befand sich eine Eintragung über einen Konsumenten, wonach gegen diesen eine Forderung von € 100,00 außergerichtlich von einem Inkassobüro betrieben wird.  Diese Forderung über einen "Unkostenbeitrag" für Abfallbeseitung stammt von einer Vorschreibung eines Überwachungsunternehmens von Müllplätzen. Der Konsument habe Müll neben den Containern abgelegt. Diese Forderung hatte der Konsument bereits im Vorfeld gegenüber dem betreibenden Inkassobüro bestritten und auch nicht bezahlt. Als der Konsument für seinen Sohn einen Handy-Vertrag abschließen wollte, wurde der Vertragsabschluss mit der Begründung des negativen Eintrages in der Datenbank von Deltavista vom Provider abgelehnt.

Im Auftrag des BMSK hat der VKI in der Folge eine Klage auf Schadenersatz gemäß § 33 DSG in der Höhe von € 750,00 eingebracht. Wie schon das Erstgericht hat nun auch das  Berufungsgericht den Anspruch des Konsumenten auf immeriellen Schadenersatz bestätigt.

Das Berufungsgericht legte der Entscheidung den vom Erstgericht festgestellten Sachverhalt zugrunde. Demnach betreibt die Beklagte einen Wirtschaftsauskunftsdienst über Kreditverhältnisse gemäß § 152 GewO, dh sie führt eine Datenbank mit Adress- und Zahlungsverhaltensdaten, die sie ihren Kunden (vorwiegend aus dem  Telefonbereich, dem Versandhandel und aus der kreditgewährenden Wirtschaft) über eine Internetplattform mit Benutzername und Passwort zur Verfügung stellt. Die Daten bezieht die Beklagte aus öffentlichen Quellen und von kooperierenden Partnern wie zum Beispiel Inkassobüros. Bei einem Vertragsabschluss bestätigt der Kunde entsprechend den AGB der Beklagten, dass er Abfragen aus der Datenbank nur hinsichtlich solcher Personen vornehmen wird, hinsichtlich derer er ein berechtigtes Interesse hat, und dass Abfragen nur von den dazu berechtigten Mitarbeitern durchgeführt werden.

In rechtlicher Hinsicht führte das Berufungsgericht aus:

1.) Die Beklagte sei Auftraggeberin iSd § 4 Z 4 DSG und nicht nur datenschutzrechtliche Dienstleisterin, wie dies die Beklagte argumentierte.

Der Anspruch auf Ersatz eines immateriellen Schadens nach § 33 Abs 1 DSG richte sich gegen den Auftraggeber. Für die Frage, ob die Beklagte datenschutzrechtlich als Auftraggeberin iSd § 4 Z 4 DSG anzusehen sei, sei ausschlaggebend, ob sie selbst die Entscheidung getroffen habe, die Daten zu verwenden, wobei die Verarbeitung und die Übermittlung von Daten als Datenverwendung iSd § 4 Z 8 DSG gelte. Da die Beklagte selbst entscheide, welche Daten sie sammle und ihren Kunden zugänglich mache, sei sie datenschutzrechtliche Auftraggeberin.

Die Beklagte argumentierte, sie sei vom Telefonieunternehmen beauftragt worden, die Daten mit vorgegebenen Algorithmen zu verknüpfen und ein unternehmensspezifisches Entscheidungsresultat zugänglich zu machen. Daraus folge, dass sie nicht Auftraggeberin sondern nur Dienstleisterin sei, weil die Entscheidung ob und wie Bonitätsdaten für ein Scoring-System verwendet würden, vom Telefonieunternehmen getroffen worden sei. Mit dieser Argumentation ziele die Beklagte offenbar darauf ab, Scoring-Werte nur als Dienstleisterin errechnet zu haben. Beim Scoring würde anhand von gesammelten Erfahrungen eine möglichst zuverlässige Prognose erstellt. Anhand mathematisch-statistischer Verfahren würde zum Beispiel die Wahrscheinlichkeit errechnet, mit welcher ein Kunde seinen Zahlungsverpflichtunen nachkommen würde. Da aber nach dem logischen Ablauf vorest die Daten von der Beklagten an das Scoring-System ihres Kunden übermittelt würden, sei sie hinsichtlich der Übermittlung der von ihr verarbeiteten Daten als Auftraggeberin anzusehen.

2.) Die Datenanwendung der Beklagten sei öffentlich zugänglich.

Räume der Betreiber einer Auskunftei über Kreditverhältnisse einem unbeschränkten Personenkreis die Möglichkeit ein, mit ihm einen Vertrag über die Zurverfügungstellung von Bonitätsdaten abzuschließen, dann handle es sich um eine öffentlich zugängliche Datei. Die Kostenpflicht für die Abfrage sowie das Erfordernis eines Benutzerkontos und eines Passwortes vermögen dies Eigenschaft nicht aufzuheben. Die Beklagte biete aber den Zugang zu den von ihr verarbeiteten Dateien mit gleichen Bedingungen allgemein zugänglich an, weswegen die Datenanwendung offentlich zugänglich sei.

3.) Datenanwendung nicht rechtmäßig erfolgt.

Die Beklagte machte in der Berufung geltend, sie habe nicht gegen Treu und Glauben verstoßen und sie sei nicht verpflichtet gewesen, den Betroffenen vor der Eintragung gesondert zu verständigen. Zum einen liege kein Vertragsverhältnis mit dem Betroffenen vor, zum anderen werde in der Regierungsvorlage festgehalten, dass das  DSG als Instrumente für die Zwecke der Information nach § 24 DSG das Datenverarbeitungsregister, die Offenlegung und die Auskunft nach § 26 DSG vorsehe. Die genannten Verpflichtungen könnten aber nicht so verstanden werden, dass sich daraus ein Zwang zur Verdoppelung der Meldepflicht (Register) in Form einer zusätzlichen Pflicht zur "Meldung an den Betroffenen ergebe". Außerdem entfalle die Verständigungspflicht gemäß § 24 Abs 3 Z 1 DSG, weil die Datenanwendung durch Verordnung vorgesehen sei.

Nach dem Berufungsgericht müsse der Auftraggeber einer Datenanwendung gemäß § 24 DSG aus Anlass der Ermittlung von Daten den Betroffenen über den Zweck der Datenanwendung und über Name und Adresse des Auftraggebers informieren, sofern die Informationen dem Betroffenen nach den Umständen des Falles nicht bereits vorliegen. Die Regierungsvorlage zu § 24 DSG führe dazu aus, dass die Bestimmung es dem Betroffenen erleichtern solle, seine Rechte zu wahren, weil Datenverarbeitung nach Treu und Glauben voraussetze, dass der Betroffene in der Lage sei, das Vorhandensein einer Verarbeitung zu erfahren und umfassend über die Bedingungen der Erhebung informiert zu werden. Daraus folge, dass der in § 6 Abs 1 Z 1 DSG erankerte  Grundsatz, dass Daten nur nach Treu und Glauben verwendet werden dürfen, auch außerhalb eines Vertragsverhältnisses die Verständigung des Betroffenen durch den Auftraggeber erfordere.

Die Frage, ob Informationen mit dem Inhalt des § 24 Abs 1 DSG bereits vorlägen, sei nach der jeweiligen Situation zu beurteilen. Bonitätsdaten komme besondere Eingriffstiefe im Hinblick auf die Geheimhaltung zu und es sei erforderlich, die Aussagekraft und Richtigkeit der Daten zu gewährleisten. Damit dem Betroffenen die Möglichkeit der Weitergabe seiner Daten, die für ihn mit nicht zu unterschätzenden Konsequenzen verbunden sein könne, überhaupt bewusst werde und er in die Lage versetzt werde, Umstände vorzubringen, die gegen die Zulässigkeit der Datenweitergabe sprächen, müsse er die Information über die Verarbeitung erhalten. Die im Jahr 2001 erfolgte DVR - Registrierung der Beklagten könne aber nun denknotwendigerweise keine Information über die im Jahr 2006 erfolgte Verarbeitung der gegenständlichen Daten enthalten haben. Damit genüge die genannte Registrierung im vorliegenden Fall nicht der Verständigungspflicht nach § 24 DSG, weil der Konsument damit nicht in die Lage versetzt wurde, von der konkreten Verarbeitung zu erfahren und die Aufnahme eines Betreitungsvermerks oder die Löschung der unzulässig aufgenommenen Daten zu beantragen. Letztlich sei § 152 GewO kein Gesetz, dass die Datenanwendung iSd § 24 Abs 3 DSG vorsähe.

Zusammengefasst sei die Beklagte ihrer gesetzlichen Verständigungspflicht nicht nachgekommen und habe damit die Daten wider Treu und Glauben iSd § 6 DSG verwendet. Konkrete Umstände, die darauf schließen ließen, dass bereits das Inkassobüro über die beabsichtigte Datenverwendung informiert habe, lägen nicht vor.  Daher sei der Beklagten ein Verschulden vorzuwerfen.

Der Voraussetzungen für einen  immaterielle Schadenersatzanspruch des § 33 DSG seien daher dem Grund nach gegeben. Auch die vom Erstgericht ausgemittelte Höhe sei nicht zu beanstanden. Die Eintragung sei auch zweifellos geeignet, das berufliche Fortkommen des Konsumenten zu gefährden oder zu beeinträchtigen, weil potentielle Geschäftspartner mit Sicherheit Personen meiden würden, deren Kreditwürdigkeit in Frage stehe.

Das Berufungsgericht hat die ordentliche Revision zugelassen. Die Entscheidung ist nicht rechtskräftig.

OLG Wien, 17.6.2008, 14 R 74/08t
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Klagevertreter: Dr. Thomas Höhne, RA in Wien

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