Zum Inhalt

Urteil: Sturz auf Glatteis. Wer haftet?

Sturz auf Glatteis beim hinteren Ausgang des Hauses. Wer haftet dem Mieter? Der OGH hat die Haftung des vom Vermieter beauftragen Winterdienstes verneint.

Die Klägerin ist Mieterin einer Genossenschaftswohnung. Die Genossenschaft hatte den Beklagten mit dem Winterdienst beauftragt. Der Auftrag umfasste die Schneeräumung und Eisfreimachung der Zugangs- und Innenwege der Liegenschaft "entsprechend § 93 StVO". Der Beklagte verrichtete die Winterdienstarbeiten nicht selbst, sondern setzte im Zeitraum des Unfalls einen Mitarbeiter ein. Der Mitarbeiter streute nur vor, nicht aber im Bereich der hinteren Ausgänge und Wege der Liegenschaft. Die Klägerin kam beim Verlassen des hinteren Ausgangs des Hauses auf der Eisfläche zu Sturz und verletzte sich. Es ist nicht strittig, dass die Unfallstelle, bei der es sich um keinen dem öffentlichen Verkehr dienenden Gehsteig oder Gehweg iSd § 93 Abs 1 StVO handelt, von dem Beklagten erteilten Auftrag umfasst war.

Die Klage auf Schadenersatz wurde abgewiesen:

Kein echter Vertrag zugunsten Dritter iSd § 881 ABGB
Ein echter Vertrag zugunsten Dritter liegt vor, wenn aufgrund einer Vereinbarung ein an dieser nicht beteiligter Dritter nicht nur Leistungsempfänger - in diesem Fall liegt ein sogenannter unechter Vertrag zugunsten Dritter vor -, sondern Forderungsberechtigter sein soll. Aus der im Auftrag enthaltenen Regelung zur Haftung des Auftragnehmers "für Schäden, die durch ihn oder seine Mitarbeiter dem Auftraggeber oder Dritten gegenüber bei der Ausführung der vereinbarten Leistung entstehen," geht nicht hervor, dass die Klägerin selbst Forderungsberechtigte der von der Vermieterin beauftragten Winterdienstleistung sein sollte. Diese Leistung liegt vielmehr (auch) in deren Eigeninteresse, trifft doch den Vermieter gegenüber dem Mieter nach § 1096 ABGB eine Vertragspflicht zur Säuberung und Streuung. Danach besteht auch kein zwingender Grund, der Haftungserklärung eine weiterreichende Bedeutung beizumessen als einem Versprechen auf Schad- und Klagloshaltung. Wenn das Berufungsgericht einen echten Vertrag zugunsten Dritter daher verneint hat, ist dies nicht weiter korrekturbedürftig.

Subsidiarität eines Vertrags mit Schutzwirkung zugunsten Dritter
Grundvoraussetzung für die Einbeziehung in den Schutzbereich des Vertrags ist ein schutzwürdiges Interesse des Gläubigers. Ein solches ist zu verneinen, wenn er kraft eigener rechtlicher Sonderverbindung mit seinem Vertragspartner, der seinerseits den späteren Schädiger vertraglich als Erfüllungsgehilfen beizog, einen deckungsgleichen Anspruch auf Schadenersatz hat. Dass der Klägerin ein deckungsgleicher Anspruch gegenüber ihrer Vermieterin zusteht, stellt sie nicht in Frage.

Haftung für Gehilfen?
Nach den Feststellungen hat der Beklagte am Unfalltag den Dienst nicht selbst verrichtet, sondern einen Mitarbeiter eingesetzt. Für das Verschulden des Gehilfen wird lediglich im Rahmen des § 1315 ABGB gehaftet. Für das Verhalten eines Besorgungsgehilfen muss nach dieser Bestimmung einstehen, wer sich einer untüchtigen oder wissentlich einer gefährlichen Person bedient.
Derartiges geht aus dem festgestellten Sachverhalt nicht hervor. Allein der Umstand, dass der Mitarbeiter des Beklagten erst einige Tage beim Beklagten beschäftigt war und davor bei keinem anderen Winterdienstunternehmen gearbeitet hatte, lässt noch nicht auf dessen Untüchtigkeit oder Gefährlichkeit schließen. Eine Deliktshaftung des Beklagten wird hier nicht begründet.

Haftung nach StVO?
Die Klägerin stützt sich schließlich auf eine Haftung nach der StVO, weil der Beklagte nach dem Vertragsinhalt die Räum- und Streupflicht in (analoger) Anwendung des § 93 Abs 5 StVO übernommen habe. Die Klausel, dass der Winterdienst die Schneeräumung, Bestreuung und Eisfreimachung der Zugangs- und Innenwege und der Stufen der Liegenschaft "entsprechend § 93 StVO" umfasse, beruht jedoch alleine auf dem Parteiwillen.

OGH 30.1.2018, 9 Ob 69/17p

Das Urteil im Volltext.

Lesen Sie mehr:

Diesen Beitrag teilen

Facebook Twitter Drucken E-Mail

This could also be of interest:

Vergleichsangebot von Aurena beseitigt laut OLG Graz die Wiederholungsgefahr

Vergleichsangebot von Aurena beseitigt laut OLG Graz die Wiederholungsgefahr

Der VKI hatte im Auftrag des Sozialministeriums insgesamt 27 Klauseln aus den AGB der Aurena GmbH – einem Veranstalter von Online-Versteigerungen – abgemahnt. Die Aurena GmbH war in Folge bereit, zu 22 Klauseln eine Unterlassungserklärung abzugeben, bestritt aber die Gesetzwidrigkeit der übrigen fünf Klauseln, woraufhin der VKI eine Verbandsklage einbrachte. Zentrales Thema im Verfahren um diese Klauseln war die Frage, ob Verbraucher:innen bei einem Kauf im Rahmen einer Auktion der Aurena GmbH ein Rücktrittsrecht haben. In den AGB wurde ein solches Rücktrittsrecht ausgeschlossen. Während das LG Leoben dem VKI zur Gänze recht gab und die fünf eingeklagten Klauseln für gesetzwidrig erklärte, war das OLG Graz als Berufungsgericht der Ansicht, dass die von der Aurena GmbH angebotene Unterlassungsverpflichtung trotz der vorgenommenen Einschränkung die Wiederholungsgefahr beseitigen würde. Die ordentliche Revision wurde nicht zugelassen. Das Urteil ist rechtskräftig.

unterstützt durch das

Sozialministerium
Zum Seitenanfang