Das Maß der Zumutbarkeit geeigneter Vorkehrungen gegen einen Schadenseintritt sowie der konkrete Inhalt einer Verkehrssicherungspflicht bzw wann die Grenze der Zumutbarkeit weiterer oder erhöhter Verkehrssicherungspflichten erreicht oder überschritten ist, richtet sich generell nach den Umständen des Einzelfalls.
Beweislast
Das Bestehen einer Sorgfaltspflicht und deren Verletzung (allenfalls durch Unterlassung) sowie die Kausalität der Sorgfaltsverletzung für den Schaden hat grundsätzlich der Geschädigte (hier Kläger) zu behaupten und zu beweisen.
Der Verkehrssicherungspflichtige (hier Beklagte) hat zu beweisen, dass er die erforderlichen Sicherheitsvorkehrungen getroffen hat und zwar ohne Rücksicht darauf, ob sich diese Pflicht aus allgemeinen Rechtsgrundsätzen (Ingerenzprinzip) oder aus einem Vertrag ergibt; ebenso, dass die Einhaltung bestimmter Schutzvorkehrungen unzumutbar oder unmöglich gewesen sei, wie auch, dass den Geschädigten ein Mitverschulden treffe.
Baubehördliche Genehmigung - Stand der Technik
Die Genehmigung oder Überwachung einer Anlage durch die zuständige Behörde beziehungsweise die Erfüllung ihrer Auflagen bedeutet nicht notwendig, dass der Inhaber einer Anlage keine weiteren Vorkehrungen zur Vermeidung oder Verringerung von Gefahren zu treffen hat. Insbesondere befreit ihn eine einmal erteilte Benützungsbewilligung nicht von seiner Sorgfaltspflicht gegenüber Benützern der Anlage; er hat sie in einem möglichst gefahrlosen Zustand zu erhalten, was auch die Anpassung an neue Sicherheitsstandards bedeuten kann. Das Vorliegen einer entsprechenden baubehördlichen Genehmigung kann den zur Sicherung des Verkehrs Verpflichteten nicht entschuldigen, wenn er aufgrund eigener Kenntnis um den Bestand einer Gefahrenquelle weiß oder wissen muss, aber ihm mögliche und zumutbare Maßnahmen zu deren Beseitigung unterlässt. Als Verschulden ist dem Verkehrssicherungspflichtigen schon zuzurechnen, wenn er Anzeichen einer drohenden Gefahr ignoriert.
Die Beklagte hat die Verpflichtung, eine Nachkontrolle bzw Maßnahmen zur Beseitigung der Gefahrenquelle trotz der vorliegenden Betriebsanlagengenehmigungs- und Abnahmebescheide vorzunehmen. Es kann keine Rede davon sein, dass Verkehrssicherungspflichtige deshalb gezwungen wären, zB Fliesenböden wegen der Änderung einschlägiger Normen zu erneuern, ohne dass es dabei auf das Bestehen einer Gefahrenquelle ankäme.
Die Gerichte haben die von der Beklagten gesetzten Maßnahmen als unzureichend angesehen.
Kontrolltätigkeit durch Dritten
Die (Kontroll-)Tätigkeit der Nebenintervenientin stellt keine geeignete Maßnahme zur Abwendung der besonderen Rutschgefahr bei Nässe dar: Ist doch mit der Befeuchtung des Fliesenbodens im Bereich der Waschbecken durch Spritzwasser ständig und immer wieder zu rechnen.
Warnschild
Zum fix aufgestellten gelben Warnschild mit einem Piktogramm, das auf eine Sturzgefahr hinwies, blieb ungeklärt, wo es beim Unfall in der großzügigen Toilettenanlage angebracht war. Wegen der Behauptungs- und Beweislast der Beklagten dafür, alle Sicherheitsvorkehrungen getroffen zu haben, geht diese Negativfeststellung zu Lasten der Beklagten. Auch der Standpunkt des Berufungsgerichts, diese Maßnahme (Warnschild) stelle keine ausreichende Warnung vor der konkreten Gefahrenstelle dar, ist daher jedenfalls vertretbar.
Verpflichtung zum Austausch unzumutbar?
Der Einwand der Revision, die von den Vorinstanzen angenommene Verpflichtung zum Austausch des Fliesenbodens sei wirtschaftlich unzumutbar und stelle eine Überspannung der Verkehrssicherungspflichten dar, übersieht, dass es an der Beklagten gelegen wäre, dazu substantiiertes Tatsachenvorbringen zu erstatten. Das unterblieb allerdings, obwohl ihr die Klägerin die Aufrechterhaltung eines von Anfang an gefährlichen Zustands schon in erster Instanz zum Vorwurf machte. Dass es die Betreiberin eines großen Einkaufszentrums wirtschaftlich überfordern würde, einige Quadratmeter Fliesenboden in einem (oder auch mehreren) Toilettenanlagen zu erneuern, kann keineswegs als offenkundig angesehen werden.
Der Klage wurde stattgegeben.
OGH 21.9.2018, 3 Ob 151/18d