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Urteil: Teurer Mantel - Kein Rücktrittsrecht

Der Mantel aus der Hotelhalle kostete statt rund 7000 Schilling rund 50.000 Schilling. Trotzdem sieht der OGH keinen Grund für eine Irrtumsanfechtung oder einen Rücktritt gemäß § 3 KSchG.

Die 73-jährige Verbraucherin logierte in einem Hotel und kam zufällig dazu, als in der Hotelhalle Kleider einer am Vortag stattgefunden habenden Modeschau abtransportiert wurden. Auf den fahrbaren Kleiderständern sah sie Mäntel hängen, die sie aus Neugierde näher besichtigte. Sie wurde vom Geschäftsführer des Unternehmens angesprochen und dieser bot an, ihr einen Mantel in der Farbe ihrer Wahl verschaffen zu können. Im Zuge des Verkaufsgespräches probierte die Beklagte mehrere Mäntel und entschloss sich schlussendlich einen Mantel zu kaufen. Sie unterschrieb einen Auftrag über einen "Schweizer Regenseidenmantel mit russischem Fehrücken" zu einem Kaufpreis von - wie sie glaubte - S 7.800,--. Tatsächlich fand sich am Auftrag aber der Preis von DM 7.800,--. Da der Geschäftsführer immer nur von einem Preis von "7.800,--" geredet hatte, war die Beklagte davon ausgegangen, dass damit österreichische Schillinge gemeint gewesen seien. Erst als sie den Mantel zugestellt bekam, klärte sich für sie der Irrtum auf. Sie wollte vom Kauf zurücktreten. Das Unternehmen war damit nicht einverstanden. Daraufhin erklärte die Verbraucherin ihren Rücktritt gemäß
§ 3 Konsumentenschutzgesetz (KSchG).

Das Unternehmen klagte den Kaufpreis ein. Die Klage wurde in 1.Instanz abgewiesen. Das Berufungsgericht gab der Klagsforderung statt. Der OGH ließ die Revision zu, wies diese aber ab.

Der OGH setzte sich zunächst insbesondere mit der Frage auseinander, ob ein Rücktrittsrecht gemäß § 3 KSchG gegeben sei. Dabei war zu prüfen, ob die Verbraucherin den Vertrag nicht selbst angebahnt habe und ihr daher kein Rücktrittsrecht zustehe. Der OGH geht zusammenfassend davon aus, dass Schutzobjekt des § 3 KSchG der freie Willensentschluss des Verbrauchers sei, sich mit einem Angebot des Unternehmers näher zu befassen; verpönt sei demnach jedes Verhalten des Unternehmers außerhalb seiner Geschäftsräumlichkeiten, das den Willen eines konkreten Verbrauchers in der Absicht zu beeinflussen sucht, dieser möge mit ihm in Vertragsverhandlungen treten bzw. einen Vertrag abschließen, obwohl nur allgemeine Information gewünscht werde. Eine an die Allgemeinheit gerichtete Werbeaktivität des Unternehmers sei hingegen unter diesem Gesichtspunkt unbedenklich.

Der OGH beurteilte die Situation, dass in der Hotelhalle auf Kleiderständern Mäntel zum Abtransport bereitgehalten werden ähnlich einer Situation, wo die Verbraucherin durch die in einem Schaufenster ausgestellten Waren dazu verlockt wird, ein Geschäftslokal zu betreten und Vertragsverhandlungen aufzunehmen. Der OGH sieht keine besondere Schutzwürdigkeit gegeben, da die beklagte Verbraucherin unbeeinflusst von irgendwelchen Verhandlungspraktiken eines unerwartet sie ansprechenden oder bei ihr erscheinenden Vertreters überlegen konnte, ob sie mit der Klägerin in Verbindung treten wolle. Ging aber einmal die Initiative zu einem bestimmten Geschäftsabschluss von der Verbraucherin aus, dann habe sie sich eine etwaige nachträgliche Beeinflussung ihrer Kaufentscheidung selbst zuzuschreiben.

In der Folge verwarf der OGH auch die Irrtumsanfechtung im Hinblick auf die Nichtaufklärung über die entsprechende Währung. Der OGH ging davon aus, dass der Geschäftsführer den schriftlichen Auftrag samt dem darin enthaltenen DM-Preis der Beklagten vorgelesen habe und daher irrige Vorstellungen der Beklagten nicht hervorgerufen habe. Eines besonderen aufklärenden Hinweises darauf, dass es sich um keinen Schilling-Preis handle, bedürfe es unter den gegebenen Umständen nach der in dieser Frage maßgeblichen Übung des redlichen Verkehrs nicht.

Die Entscheidung erscheint in beiden Punkten kritisierenswert:

Allein darin, dass die beklagte Verbraucherin aus Neugierde zufällig in der Hotelhalle stehende Kleiderständer mit Mänteln betrachtet, eine Anbahnung der Verbraucherin für ein konkretes Verkaufsgeschäft zu konstruieren, erscheint an den Haaren herbeigezogen. Vielmehr ging - so der festgestellte Sachverhalt - das tatsächliche Verkaufsgespräch sehr wohl vom Geschäftsführer des Unternehmens aus. Dieser fragte die beklagte Verbraucherin, "ob sie etwas gefunden habe". Die beklagte Verbraucherin ging dann davon aus, dass ihr die Mäntel von der Farbe her schon gar nicht gefallen würden. Nun bot der Geschäftsführer an, einen Mantel einer anderen Farbe verschaffen zu können. Es war also ganz offensichtlich so, dass der konkrete Kaufentschluss überhaupt erst durch die Intervention des Geschäftsführers veranlasst wurde. Einem Hotelgast vorzuwerfen, dass er in der Hotelhalle aufgestellte Kleiderständer mit Mänteln "neugierig" betrachtet, erscheint absolut verfehlt.

Auch die Ausführungen zur Irrtumsanfechtung gehen am Leben vorbei. Das Berufungsgericht hatte zwar die Feststellung getroffen, dass der Geschäftsführer des klagenden Unternehmers den Vertragsantrag vorgelesen habe. Doch ändert dies nichts daran, dass es durchaus glaubhaft erscheint, dass die Frage der Währung beim mündlichen Verkaufsgespräch nicht erörtert wurde und es beim Kauf eines schlichten Mantels schon einen Unterschied macht, ob dieser S 7.800,-- oder an die S 50.000,-- kostet.

Die Entscheidung erscheint also aus Verbrauchersicht absolut verfehlt.

OGH 14.7.1998, 4 Ob 183/98k

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