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Urteil: Unzulässige No-Show-Klauseln bei Brussels Airline

VKI klagte erfolgreich gegen verschiedene Sanktionsmöglichkeiten der Fluglinie bei Reiseplanänderung. Nachdem bereits von der ersten Instanz sieben Klauseln rechtskräftig für gesetzwidrig erklärt wurden, gab das Oberlandesgericht (OLG) Wien dem VKI auch bei der achten eingeklagten Klausel Recht. Das Urteil ist rechtskräftig.

Der Verein für Konsumenteninformation (VKI) hatte im Auftrag des Sozialministeriums gegen mehrere Klauseln der Allgemeinen Beförderungsbedingungen der belgischen Brussels Airlines geklagt.

Bereits von der ersten Instanz wurden sieben Klauseln rechtskräftig für unzulässig erkannt: Eine der beanstandeten Klauseln legte fest, dass Brussels Airlines den Rückflug stornieren kann, falls ein Kunde den Hinflug nicht in Anspruch nimmt und der Airline nicht rechtzeitig Bescheid gibt. Eine andere Bestimmung ermöglichte es der Fluglinie, eine Aufzahlung zu verlangen, sofern ein Kunde die Flugreise nicht in der vorgesehenen Reihenfolge antritt. Ebenfalls angefochten wurde eine Klausel mit der Regelung, dass Kunden für die Herausgabe ihres Gepäcks 150,- Euro bezahlen mussten, wenn sie ihren Flug an einem Zwischenlandeort abbrechen.

Von den achten eingeklagten Klauseln hatte der VKI eine in der ersten Instanz verloren. Dagegen erhob der VKI Berufung. Das OLG Wien erklärt nun auch diese Klausel für unzulässig:

"(...) Stornierung nach Abflug: Erstattung der Differenz zwischen dem gezahlten und dem jeweiligen One-Way-Tarif. Wenn Sie ein  Upgrade (...) vorgenommen haben, kann der ursprünglich nicht erstattungsfähige Betrag auch weiterhin nicht erstattet werden (...)."

Um die Unzulässigkeit der Klausel nach § 879 Abs 3 ABGB zu beurteilen, müsse nach dem OLG ein Vergleich mit dem ohne die Klausel anwendbaren dispositiven Recht vorgenommen werden. Der Vertrag über die Luftbeförderung sei hier als Werkvertrag zu beurteilen. Es sei anerkannt, dass im Rahmen eines Werkvertrags kein Anspruch des Unternehmers auf Herstellung und Abnahme des Werkes besteht, weshalb die Stornierung durch den Kunden zulässig sei. Nach § 1168 Abs 1 ABGB gebühre dem Unternehmer aber dennoch das vereinbarte Entgelt, wenn er zur Leistung bereit war und durch Umstände, die auf Seiten des Bestellers liegen, daran gehindert worden ist. In diesem Fall müsse sich der Unternehmer aber anrechnen lassen, was er sich erspart hat oder durch anderweitige Verwendung erworben hat oder zu erwerben absichtlich versäumt hat. Zu beachten ist, dass dem Werkunternehmer auch alle in der neutralen Sphäre liegenden Umstände zugerechnet werden.

Nach diesen Grundsätzen ist auch ein Rückerstattungsanspruch des Verbrauchers zu beurteilen, er in der Regel, wie auch im Fall der gegenständlichen Klausel, die Leistung schon vorweg bezahlt hat. Das OLG weist, wie schon das Erstgericht, darauf hin, dass sich auch bei kundenfeindlichster Auslegung zwar keine Erstattungspflicht des Verbrauchers aus der Klausel ergebe, erkennt aber, anders als das Gericht erster Instanz, dass der Kunde insoweit schlechter gestellt ist, als nach dem dispositiven Recht, als durch den Preisvergleich mit dem One-Way-Tarif nur dann eine Rückerstattung vorgesehen ist, wenn dieser Tarif günstiger ist (als der Preis nach dem gebuchten Tarif mit Hin- und Rückflug).

Ebenso würde die Klausel nicht danach differenzieren, in wessen Sphäre die Gründe der Stornierung liegen. Das OLG weist hier darauf hin, dass die Allgemeinen Beförderungsbedingungenen zwar zum Teil Regelungen für Fälle enthalten, die in der Sphäre des Unternehmers liegen, aber jedenfalls nicht für Umstände die in der neutralen Sphäre liegen und damit nach dispositivem Recht ebenso dem Unternehmer zugerechnet werden müssten.

Im nächsten Schritt müsste daher geprüft werden, ob für die Schlechterstellung des Verbrauchers gegenüber dem dispositiven Recht durch die Klausel eine sachliche Rechtfertigung bestehe. Das OLG verweis hier auf die Rechtsprechung des OGH (4 Ob 162/12i), nach der das Interesse der Fluggesellschaften, ihr Tarifsystem durch derartige Klauseln zu schützen, zwar legitim sein könne, allerdings nur in Fällen, in denen der Fluggast von vornherein das Tarifsystem bewusst umgehen möchte. Kunden die zunächst das Kombinationsangebot nutzen wollten und sich erst später (bspw wegen des Versäumens oder einer Verspätung des Zubringerflugs oder wegen einer Änderung ihrer Reisepläne) anders entscheiden, nutzen das System nicht bewusst aus. Ein vergleichbares konkretes Interesse an der Aufzahlung (bei einer konkreten Beförderung) habe die Beklagte indes nicht, weil sie sich durch die Nichtinanspruchnahme nicht nur keine zusätzlichen Kosten habe, sondern sich in aller Regel sogar Aufwendungen erspare.

Diese Rechtsprechung des OGH gilt nach dem OLG nicht nur für jene noch nachteiligeren Klauseln, nach denen (wie im Fall der oben genannten OGH-Entscheidung) der Kunde bei Änderung der ursprünglich vereinbarten Beförderung sogar einen Aufpreis bezahlen müsste, sondern auch für Klauseln (wie jener im Ausgangsverfahren), nach denen der Rückerstattungsanspruch des Verbrauchers beschränkt würde. Das OLG beurteilte daher die Klausel als unzulässig nach § 879 Abs 3 ABGB. Auf die Frage, ob die Klausel zudem auch intransparent nach § 6 Abs 3KSchG sei, ging das OLG in der Folge nicht mehr ein.


Das Urteil ist rechtskräftig.

OLG Wien 10.7.2019, 129 R 56/19g
Klagsverteter: Dr. Stefan Langer, Rechtsanwalt in Wien


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