1995 gewährte das Energieunternehmen EDF seinem Angestellten und seiner Ehefrau ein Darlehen iHv 57.625,73 Euro zur Finanzierung des Erwerbs ihrer Hauptwohnung. Der Darlehensvertrag sollte enden, wenn der Darlehensnehmer - aus welchem Grund auch immer - nicht mehr zum Personal von EDF gehört. Diese Klausel hatte zur Folge, dass die Rückzahlung des Darlehenskapitals bei Auflösung des Arbeitsvertrags sofort fällig wurde, ohne dass die Darlehensnehmer gegen ihre Verpflichtungen verstoßen hätten. 2012 forderte EDF, nachdem sie von dieser Klausel Gebrauch gemacht hatte, das noch geschuldete Kapital sowie eine vereinbarte Vertragsstrafe.
Die Darlehensnehmer beriefen sich darauf, dass diese Klausel missbräuchlich iSd Klausel-RL 93/13 sei. Nach dem 10.ErwG der RL 93/13 sollten die einheitlichen Rechtsvorschriften auf dem Gebiet missbräuchlicher Klauseln für "alle Verträge" zwischen "Gewerbetreibenden" und "Verbrauchern" gelten. Gleichzeitig bestimmt er, dass Arbeitsverträge von der RL ausgenommen sind.
Der Verbraucherbegriff iSv Art 2 lit b der Klausel-RL hat objektiven Charakter und ist unabhängig von den konkreten Kenntnissen, die die betreffende Person haben mag, oder den Informationen, über die sie tatsächlich verfügt. Der Verbraucher befindet sich gegenüber dem Gewerbetreibenden in einer schwächeren Verhandlungsposition und besitzt einen geringeren Informationsstand, was dazu führt, dass er den vom Gewerbetreibenden vorformulierten Bedingungen zustimmt, ohne auf deren Inhalt Einfluss nehmen zu könne. Dem Verbraucherbegriff wird ein weites Verständnis zugrundegelegt. Der Umstand, dass eine natürliche Person mit ihrem Arbeitgeber einen anderen Vertrag als einen Arbeitsvertrag schließt, schließt es daher als solcher nicht aus, dass diese Person als "Verbraucher" iSv Art 2 lit b der Klausel-RL einzustufen ist.
Der gegenständliche Darlehensvertrag regelt weder das Arbeitsverhältnis noch die Arbeitsbedingungen und kann daher nicht als "Arbeitsvertrag" eingestuft werden.
Der Begriff "Gewerbetreibender" iSv Art 2 lit c der RL ist weit zu verstehen. Der Begriff ist ein funktionaler Begriff, dh es ist zu beurteilen, ob die konkrete Vertragsbeziehung innerhalb der Tätigkeiten liegt, die eine Person im Rahmen ihrer gewerblichen oder beruflichen Tätigkeit vornimmt. Der Begriff hat objektiven Charakter und hängt nicht davon ab, dass der Gewerbetreibende beschließt, im Rahmen seiner hauptsächlichen oder untergeordneten und nebensächlichen Tätigkeit zu handeln. Auch wenn die Haupttätigkeit eines Arbeitgebers wie EDF nicht darin besteht, Finanzinstrumente anzubieten, sondern Energie zu liefern, verfügt dieser Arbeitgeber über Informationen und technische Fähigkeiten sowie personelle und materielle Mittel, von denen nicht angenommen werden kann, dass eine natürliche Person, dh die andere Vertragspartei, sie hat.
Das Anbieten eines solchen Darlehensvertrags dient dazu, qualifizierte und kompetente Arbeitskräfte, die die Ausübung der gewerblichen Tätigkeit des Arbeitgebers fördern, anzuziehen und an sich zu binden. Ob durch diesen Vertrag für den Arbeitgeber unmittelbare Einkünfte vorgesehen sind oder ob dies nicht der Fall ist, ist für die Anerkennung dieses Arbeitgebers als "Gewerbetreibender" ohne Bedeutung. Die weite Auslegung des Begriffs "Gewerbetreibender" dient der Umsetzung des Ziels der RL, das darin besteht, den Verbraucher als schwächere Partei des mit einem Gewerbetreibenden geschlossenen Vertrags zu schützen und die Ausgewogenheit zwischen den Parteien herzustellen.
Der EuGH fasst daher zusammen:
Art 2 lit b der Klausel-RL 93/13 ist dahin auszulegen, dass der Arbeitnehmer eines Unternehmens und sein Ehepartner, die mit diesem Unternehmen einen in erster Linie den Mitarbeitern des Unternehmens vorbehaltenen Darlehensvertrag schließen, mit dem der Erwerb einer Immobilie zu privaten Zwecken finanziert werden soll, "Verbraucher" iS dieser Bestimmung sind.
Art 2 lit c der Klausel-RL 93/13 ist dahin auszulegen, dass dieses Unternehmen "Gewerbetreibender" iS dieser Bestimmung ist, wenn es einen solchen Darlehensvertrag im Rahmen seiner gewerblichen oder beruflichen Tätigkeit schließt, auch wenn die Darlehensvergabe nicht seine Haupttätigkeit darstellt.
EuGH 21.3.2019, C-590/17 (Pouvin, Dijoux/EDF)