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Urteil: VKI klagt Schweizer Reiseveranstalter holidays.ch AG wegen unzulässiger AGB

Der Verein für Konsumenteninformation (VKI) hat - im Auftrag des Sozialministeriums - den Schweizer Reiseveranstalter holidays.ch AG wegen der Verwendung unzulässiger Vertragsbedingungen geklagt, da das Unternehmen die Abgabe einer strafbewehrten Unterlassungserklärung mit dem Hinweis verweigerte, es sei weder österreichisches Recht anwendbar, noch sei ein österreichisches Gericht zur Prüfung berufen.

Das HG Wien teilt die Rechtsauffassung des VKI, bejahte seine Zuständigkeit und erklärte nach Maßgabe des österreichischen Rechts sämtliche inkriminierten Klauseln für unzulässig.

Holidays.ch AG bietet Bausteine für Reisen an, die sie über Reiseportale (konkret über die beiden Reisevermittler "airberlin holidays GmbH" und "HLX Touristik GmbH") online als Pauschalreisen vertreibt.

Auf die mit österreichischen Konsumenten abgeschlossenen Reiseverträge ist (mangels zulässiger Rechtswahl) österreichisches Recht anwendbar. Da in den AGB in weiten Teilen gerade nicht darauf abgestellt wird, dass VerbraucherInnen der Schutz ihrer (österreichischen) Heimatrechtsordnung gewährt werden muss, sind zahlreiche Vertragsbestimmungen des schweizer Reiseveranstalters holidays.ch AG unzulässig:

1. Treten bei Durchführung der Reise Mängel auf, müssen diese insbesondere auch zur Wahrung reisevertraglicher Ansprüche - ausschließlich holidays.ch AG oder der örtlichen Reiseleitung angezeigt werden.

Eine Rügepflicht besteht nur dann, wenn ein Repräsentant vor Ort für die Reisenden leicht erreichbar ist und KundInnen entsprechend informiert werden (schriftlich), wobei diese Obliegenheit nicht zu einem Ausschluss ihrer Gewährleistungsrechte führen darf (§ 31e Abs 2 KSchG); darüber muss korrekt aufgeklärt werden (§ 6 Abs 3 KSchG).

2. Ansprüche aufgrund mangelhafter Erbringung vertraglich geschuldeter Reiseleistungen sind innerhalb eines Monats nach der vertraglich vorgesehenen Beendigung der Reise ausschließlich gegenüber holdays.ch AG geltend zu machen. Reiseleitung und Personal sonstiger Leistungsträger sind nicht berechtigt, Ansprüche gegen holidays.ch AG entgegenzunehmen oder anzuerkennen.

Gewährleistungsansprüche von VerbraucherInnen dürfen nicht verkürzt werden (§ 9 KSchG).

3. Ansprüche des Reisenden aus Reisevertrag aufgrund Verletzung des Lebens, des Körpers oder der Gesundheit, die auf einer fahrlässigen Pflichtverletzung von holidays.ch AG beruhen oder einer vorsätzlichen oder fahrlässigen Pflichtverletzung eines gesetzlichen Vertreters oder Erfüllungsgehilfen beruhen, verjähren in zwei Jahren. Dies gilt auch für Ansprüche auf den Ersatz sonstiger Schäden, die auf einer grob fahrlässigen Pflichtverletzung von holidays.ch AG oder auf einer vorsätzlichen oder fahrlässigen Pflichtverletzung eines gesetzlichen Vertreters oder Erfüllungsgehilfen beruhen. Alle übrigen Ansprüche aus Reisevertrag verjähren in einem Jahr.

4. Die vertragliche Haftung von holidays.ch AG für Schäden, die nicht Körperschäden sind, ist auf den dreifachen Reisepreis beschränkt, soweit ein Schaden nicht des Reisenden weder vorsätzlich noch grob fahrlässig herbeigeführt worden ist, oder soweit holidays.ch AG für einen dem Reisenden entstehenden Schaden alleine wegen eines Verschuldens eines Leistungsträgers verantwortlich ist.

5. Gelten für eine von einem Leistungsträger zu erbringende Reiseleistung internationale Übereinkommen oder auf solchen beruhende gesetzliche Vorschriften, nach denen ein Anspruch auf Schadensersatz unter bestimmten Voraussetzungen oder Beschränkungen entsteht oder geltend gemacht werden kann oder unter bestimmten Voraussetzungen ausgeschlossen oder beschränkt ist, so kann sich auch holidays.ch AG gegenüber de, Reisenden hierauf berufen.

Für die Klauseln 3+4+5 gilt: Eine Haftungsbegrenzung des Unternehmens für Personenschäden und für grob fahrlässig oder vorsätzlich verursachte andere Schäden ist unzulässig (§ 6 Abs 1 Z 9 KSchG).

6. Die Bezahlung per Kreditkarte ist bis 7 Tage vor Reiseantritt mit einem einmaligen Zahlungstransaktionsentgelt von EUR 10 verbunden. Eine Rückerstattung des Entgelts nach Stornierung findet nicht statt. Bei Buchung 6 Tage und weniger vor Abreise ist die Nutzung von Kreditkarten gebührenfrei möglich. Für Kunden mit Wohnsitz außerhalb Deutschland oder Österreich ist ausschließlich eine Bezahlung per Kreditkarte möglich, daher entfällt hier die Kreditkartengebühr.

Für die Verwendung eines bestimmten Zahlungsmittels darf kein Entgelt verrechnet werden (§ 27 Abs 6 ZaDiG).

7. Stornogebühren Zusatzleistungen wie z.B. Reiseversicherung, Mietwagen/Transfer

Maßgebend sind die Allgemeinen Geschäftsbedingungen des jeweiligen Reiseleistungserbringers. Zuzüglich zu den Stornogebühren des jeweiligen Reiseleistungserbringers erhebt holidays.ch AG zur Abgeltung des eigenen Zusatzaufwandes 30 EUR Bearbeitungsgebühr pro betroffene Reiseleistung und pro betroffenen Reiseteilnehmer.

Dass ein Bearbeitungsentgelt unabhängig davon verrechnet werden soll, dass dem Reiseveranstalter tatsächlich ein Aufwand entstand, macht die Klausel gröblich benachteiligend und überraschend (§§ 879 Abs 3 und 864a ABGB).

8. Holidays.ch AG behält sich vor, den ausgeschriebenen und in der Buchungsbestätigung festgehaltenen Reisepreis im Falle der Erhöhung der Beförderungskosten oder der Abgaben für bestimmte Leistungen wie Hafen- oder Flughafengebühren oder einer Änderung der für die betreffenden Reise geltenden Wechselkurse in dem Umfang zu ändern, wie sich deren Erhöhung pro Person bzw. pro Sitzplatz auf den Reisepreis auswirkt, sofern zwischen Vertragsschluss und dem vereinbarten Reisetermin mehr als 4 Monate liegen. Im Falle einer nachträglichen Änderung des Reisepreises oder einer Änderung einer wesentlichen Reiseleistung ist der Reisende unverzüglich, spätestens jedoch 21 Tage vor Reiseantritt, davon in Kenntnis zu setzen.

Eine Reisepreisänderung ist nur unter bestimmten Voraussetzungen zulässig, insbesondere muss sie zweiseitig ausgestaltet sein und genaue Angaben zur Berechnung des neuen Preises enthalten; darüber hinaus darf nur einer Änderung von bestimmten Kosten und Gebühren Rechnung getragen werden (§ 31c Abs 1 KSchG).

9. Wird der Hinflug nicht wahrgenommen, zieht dies regelmäßig auch eine Stornierung des Rückfluges nach sich.

Es ist nicht erkennbar, in welchen Fällen eine Stornierung des Rückfluges tatsächlich erfolgt (§ 6 Abs 3 KSchG); darüber hinaus ist diese Rechtsfolge gröblich benachteiligend (§ 879 Abs 3 ABGB).

10. Gleiches gilt bei Unterlassen einer von Fluggesellschaften geforderten Bestätigung des Rückfluges.

Siehe Begründung zu Klausel 9. Zudem wird einer unterlassenen Rückbestätigung ein Erklärungswert unterstellt (§ 6 Abs 1 Z 2 KSchG).

11. Die Meldung eines Gepäckschadens/-verlustes hat gegenüber dem Anfertigungsagenten des ausführenden Luftfrachtführers am Zielflughafen unmittelbar durch Aufnahme eines Schadenprotokolls (P.I.R.) zu erfolgen. Bei Gepäckschäden/-verlust ist jede Klage ausgeschlossen, wenn der Berechtigte nicht unverzüglich nach Entdeckung des Schadens, bei internationalen Reisen jedenfalls aber spätestens sieben Tage nach Erhalt des Gepäcks schriftlich Anzeige an den Luftfrachtführer erstattet. Das gleiche gilt für die verspätete Auslieferung von Gepäck mit der Maßgabe, dass dieses Anzeige unverzüglich, jedenfalls aber spätestens 21 Tage nach Andienung des Gepäcks zu erstatten ist. Die Anzeige bedarf der Schriftform und muss innerhalb der vorgenannten Fristen abgesandt werden.

Die Meldung eines Gepäckschadens/-verlusts kann auch gegenüber dem Reiseveranstalter erklärt werden; zudem gelten die Fristen bei Arglist nicht. Das wird hier verschleiert (§ 6 Abs 3 KSchG). 

Darüber hinaus würden die Reiseveranstalterin nach Ansicht des Gerichts auch reisevertragliche Gewährleistungspflichten bei Flugmängeln treffen (§ 31e KSchG).

12. Höhere Gewalt
Wird die Reise infolge höherer Gewalt (z.B. innerer Unruhen oder Naturkatastrophen) erheblich erschwert, gefährdet oder beeinträchtigt, so können sowohl holidays.ch AG als auch der Reisende den Vertrag kündigen. Die Kündigung kann nach Antritt der Reise durch holidays.ch AG konkludent durch schlüssiges Verhalten erfolgen. Wird der Vertrag gekündigt, so kann holidays.ch AG für die bereits erbrachten oder zur Beendigung der Reise noch zu erbringenden Reiseleistungen eine angemessene Entschädigung verlangen. Erfolgt die Kündigung nach Antritt der Reise, ist holidays.ch AG verpflichtet, die notwendigen Maßnahmen zu treffen, insbesondere, falls der Vertrag die Rückbeförderung umfasst, den Reisenden zurückzubefördern. Die Mehrkosten für die Rückbeförderung sind von den Parteien je zur Hälfte zu tragen. Im Übrigen fallen die Mehrkosten dem Reisenden zur Last.

Die Rückreise muss in diesem Fall kostenlos erfolgen (§ 31e Abs 1 KSchG).

13. Datenverwendung und Datenschutz
holidays.ch AG erhebt und verwendet Ihre Daten gemäß den datenschutzrechtlichen Bestimmungen zu Bewerbung, Verkauf, Vermittlung und Durchführung von Reisen und damit verbundenen Leistungen. Nur soweit gesetzlich zulässig, werden Ihre Daten an Dritte übermittelt, z.B. Veranstalter, Fluggesellschaft, Hotel, Auftragnehmer.

Der Umfang der Datenverwendung und der Datenempfänger bleibt unklar (§ 6 Abs 3 KSchG).

14. Es gilt Schweizer Recht.

Da mit dieser Klausel auch die Anwendung zwingender Schutzvorschriften des österreichischen Rechts ausgeschlossen wird, ist sie unzulässig (§ 6 Abs 3 KSchG).

15. Gerichtsstand für Rechtsstreitigkeiten gegen holidays.ch AG ist Basel.

Mit der Klausel werden gesetzlich normierte, VerbraucherInnen zur Verfügung stehende Gerichtsstände ausgeschlossen (§ 14 KSchG, Art 16 und 17 LGVÜ).

16. Leistungsänderungen
Abänderungen und Abweichungen einzelner Reiseleistungen von den vertraglichen Vereinbarungen sind seitens holidays.ch AG nur zulässig, wenn sie nach Vertragsabschluss erforderlich werden, nicht gegen Treu und Glauben durch holidays.ch AG veranlasst sind und im übrigen nicht den Gesamtzuschnitt der Reise beeinträchtigen. Kurzfristige Änderungen der Flugzeiten, der Streckenführung wie auch kurzfristige Wechsel von Fluggeräten oder Fluggesellschaften bleiben ausdrücklich vorbehalten.

Sofern Leistungsänderungen überhaupt zulässig sind, muss Reisenden das Wahlrecht eingeräumt werden, eine in Aussicht genommene Reiseplanänderung anzunehmen, oder den kostenlosen Rücktritt vom Vertrag zu erklären (§ 31c Abs 2 KSchG).

17. Rücktritt
Im Falle des Rücktritts einer von holidays.ch AG veranstalteten Reise gilt: 

Bei Rücktritt bis 30 Tage vor Reiseantritt: 40% des Reisepreises.

Ab 29. bis 15. Tag vor Reiseantritt: 70% des Reisepreises.

Ab 14. Tag vor Reiseantritt: 90% des Reisepreises.

Am Tag des Reiseantritts: 95% des Reisepreises.

Der Kunde ist berechtigt, die Entstehung eines geringeren Schadens nachzuweisen. Holidays.ch AG ist berechtigt, im Einzelfall gegen Nachweis einen die Rücktrittspauschale übersteigenden Rücktrittschaden geltend zu machen.

Bei einer Pauschalierung müssen die gewöhnlich ersparten Aufwendungen und anderweitig erzielbaren Erträge berücksichtigt werden; es gibt keinen Hinweis darauf, dass dies vorliegend geschehen wäre, weshalb die Klausel unzulässig ist.

Holidays.ch AG wurde eine viermonatige Leistungsfrist zur Unterlassung der hier genannten Klauseln gesetzt, die jedoch erst ab Rechtskraft des Urteils zu Laufen beginnen wird. Ob das Unternehmen ein Rechtsmittel gegen die Entscheidung erheben wird, bleibt abzuwarten.

Das Urteil ist rechtskräftig.

HG Wien 16.12.2016, 19 Cg 26/16v
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Klagevertreter: Dr. Stefan Langer, RA in Wien

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