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Urteil: Was ist ein geringfügiger Mangel?

In einer aktuellen Entscheidung hat der OGH einen nur minimal vibrierenden Schaltknüppel als geringfügigen Mangel gemäß § 932 Abs 4 ABGB eingestuft und dem Kläger infolgedessen einen Anspruch auf Wandlung versagt.

Ein Konsument kaufte im März 2003 einen fabrikneuen Pkw Audi A4 Avant 1,9TD, der ihm am 3.4.2003 übergeben wurde. Nach bereits 1000 km Laufleistung begann der Schaltknüppel zu vibrieren. Nachdem ein Austausch des Schaltknüppels durch die Beklagte zu keiner Besserung führte, baute diese kostenlos einen sog. Komfortschaltgriff ein, wodurch die Vibrationen vermindert wurden. Nunmehr waren nur noch bei kaltem Motor im ersten und dritten Gang - insbesondere beim Beschleunigen - deutliche Vibrationsgeräusche zu vernehmen. Lediglich bei atypisch langsamen Schaltvorgängen in den ersten oder zweiten Gang war darüber hinaus ein leises Geräusch zu vernehmen. Der ordentliche Gebrauch des Kraftfahrzeugs ist durch diese Vibrationsgeräusche aber nicht behindert. Weder ist ein vorzeitiger Verschleiß des Getriebes noch ein Nachteil beim Gebrauch oder für die Lebensdauer des Pkw zu befürchten.

Der Kläger erklärte gleichwohl die Wandlung des Kaufvertrags und begehrte die Rückzahlung von 33.630,85 € samt Anhang. Nachdem das Erstgericht die Klage abgewiesen hatte, hob das Berufungsgericht die erstinstanzliche Entscheidung auf und verwies die Rechtssache zur Ergänzung des Verfahrens und zur neuerlichen Entscheidung an das Erstgericht zurück.

Der OGH hielt in seinem Urteil fest, dass die Qualifikation eines Mangels als geringfügiger, die Wandlung gemäß § 932 Abs 4 ABGB ausschließender Mangel auf der Grundlage einer umfassenden Interessenabwägung unter Berücksichtigung aller Umstände des konkreten Einzelfalls vorzunehmen ist. Insbesondere seien die durch den zwischenzeitlichen Gebrauch aufgetretenen Nachteile und der dadurch eingetretene Wertverlust der Sache zu berücksichtigen. Mit diesem Bewertungsmaßstab rezipiert der OGH zum einen die herrschenden Lehrmeinungen, die für die vorzunehmende Interessenabwägung - mit jeweils unterschiedlicher Gewichtung - auf die Unangemessenheit, auf die Unverhältnismäßigkeit der Folge der Vertragsauflösung und die finanziellen Nachteile des Übergebers in Anbetracht der Schwere des Mangels abstellen. Zum anderen schließt sich der OGH damit auch der Auslegung der deutschen Rechtslehre für den äquivalenten Begriff der unerheblichen Pflichtverletzung (§ 323 Abs 5 deutsches BGB) an.

Vorliegend nahm der OGH diese Interessenabwägung sodann wie folgt vor: Im Anlassfall seien weder eine Funktionsbeeinträchtigung des Pkws, noch eine Verkürzung seiner Nutzungsdauer zu befürchten gewesen. Der allenfalls geringere Wiederverkaufspreis könne zudem durch eine Preisminderung ausgeglichen werden. Zwar empfinde der Kläger die Vibrationsgeräusche subjektiv als störend, im Vergleich zum Interesse der Verkäuferin, nicht den Neupreis des Pkws sowie Aufwendungen ersetzen zu müssen, aber beim Wiederverkauf des Fahrzeugs als Gebrauchtwagen erhebliche Gewinneinbußen hinnehmen zu müssen, habe das klägerische Interesse hier zurückstehen. Als Resultat dieser Interessenabwägung sah der OGH eine Vertragsauflösung im vorliegenden Fall als unverhältnismäßige Sanktion der Beklagten an. Folglich qualifizierte er die maßgebenden Vibrationsgeräusche als geringfügiger, die Wandlung gemäß § 932 Abs 4 ABGB ausschließender Mangel.

Im Ergebnis gab der OGH dem Rekurs der Beklagten Folge und änderte den angefochtenen Beschluss dahin ab, dass das Urteil des Erstgerichts wiederhergestellt wird.

OGH 24.05.2005, 1Ob 14/05y

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