Zum Inhalt

Urteil: Welches Luftfahrtunternehmen muss bei Verspätung zahlen?

Ausgleichspflichtig wegen Flugverspätungen wird das "ausführende Luftfahrtunternehmen". Vermietet ein Luftfahrtunternehmen einem anderen Luftfahrtunternehmen ein Flugzeug samt Besatzung, trägt der Vermieter aber nicht die operationelle Verantwortung für den Flug, so ist er nicht "ausführendes Luftfahrtunternehmen", auch wenn er Buchungsbestätigung als solches genannt wurde.

Die klagenden Fluggäste verfügten über eine Buchungsbestätigung für einen Flug von Hamburg nach  Cancún (Mexiko) und einer Flugnummer, deren Code TUIfly identifizierte. In dieser Bestätigung hieß es, dass die Buchungen von TUIfly vorgenommen würden, der Flug aber von Thomson Airways "ausgeführt" werde. Aufgrund eines Vertrags über die Vermietung eines Flugzeugs mit Besatzung ("wet lease") charterte die TUIfly GmbH von Thomson Airways ein Flugzeug samt Besatzung für eine bestimmte Anzahl von Flügen. Die operationelle Verantwortung (Bodenabfertigung einschließlich Abfertigung der Fluggäste, Wohlergehen der Fluggäste zu jeder Zeit, Frachtabfertigung, Sicherheit in Bezug auf Fluggäste und Gepäck, Organisation von Dienstleistungen an Bord) trug die TUIfly GmbH.

Da es bei diesem Flug zu einer Verspätung über drei Stunden kam, verlangten die Kläger von Thomson Airways die Zahlung der Ausgleichsleistung nach der Fluggastrechte-VO (VO Nr. 261/2004). Nach der Fluggastrechte-VO trifft die Pflicht zur Zahlung dieser Ausgleichsleistung das ausführende Luftfahrtunternehmen. In diesem Verfahren ging es nun um die Frage, wer hier die Ausgleichsleistung zu zahlen hat. Die Klage war gegen die Thomson Airways gerichtet.

Der Begriff "ausführendes Luftfahrtunternehmen" ist nach dem Wortlaut von Art 2 lit b der Fluggastrechte-VO so zu verstehen ist, dass er das Luftfahrtunternehmen bezeichnet, "das im Rahmen eines Vertrags mit einem Fluggast oder im Namen einer anderen - juristischen oder natürlichen - Person, die mit dem betreffenden Fluggast in einer Vertragsbeziehung steht, einen Flug durchführt oder durchzuführen beabsichtigt". Diese Definition stellt demnach zwei kumulative Voraussetzungen (dh beide müssen vorliegen) für die Einstufung eines Luftfahrtunternehmens als "ausführendes Luftfahrtunternehmen" auf, nämlich zum einen die Durchführung des betreffenden Fluges und zum anderen das Bestehen eines mit einem Fluggast abgeschlossenen Vertrags.

Es ist jenes Luftfahrtunternehmen als ausführendes Luftfahrtunternehmen anzusehen, das im Rahmen seiner Tätigkeit der Beförderung von Fluggästen die Entscheidung trifft, einen bestimmten Flug durchzuführen - die Festlegung seiner Flugroute eingeschlossen. Eine solche Entscheidung zu treffen bedeutet nämlich, dass dieses Unternehmen die Verantwortung für die Durchführung dieses Fluges, einschließlich insbesondere seiner etwaigen Annullierung oder einer etwaigen großen Verspätung bei seiner Ankunft, übernimmt. Im vorliegenden Fall steht fest, dass Thomson Airways sich darauf beschränkt hat, das Flugzeug samt Besatzung zu vermieten, mit dem der gegenständliche Flug durchgeführt wurde, dass aber die Festlegung der Flugroute und die Durchführung dieses Fluges von TUIfly entschieden wurden.

Thomson Airways war daher bei gegenständlichem Flug nicht das ausführende Luftfahrtunternehmen iSd Fluggastrechte-VO.

Daran ändert sich auch dadurch nichts, dass in der den Klägern ausgestellten Buchungsbestätigung angegeben war, dass der Flug von dem Luftfahrtunternehmen "ausgeführt" wird, das das Flugzeug samt Besatzung vermietet hat, dh hier die Thomson Airways. Dieser Hinweis kann die Identifizierung des "ausführenden Luftfahrtunternehmens" iSd der Fluggastrechte-VO nicht vorwegnehmen.


EuGH 4.7.2018, C-532/17 (Wirth, Mülder/Thomson Airways Ltd)

Das Urteil im Volltext.

Lesen Sie mehr:

Diesen Beitrag teilen

Facebook Twitter Drucken E-Mail

Das könnte auch interessant sein:

Unzulässige Klauseln in Allgemeinen Geschäftsbedingungen der Belvilla AG

Unzulässige Klauseln in Allgemeinen Geschäftsbedingungen der Belvilla AG

Der VKI hat – im Auftrag des Sozialministeriums – die Bellvilla AG (Belvilla), ein Schweizer Unternehmen im Bereich der Ferienunterkunftvermietung, wegen 25 Klauseln in ihren Allgemeinen Geschäftsbedingungen geklagt. Da Belvilla zu der für den 19.3.2024 anberaumten Verhandlung nicht erschienen ist, erging über Antrag des VKI ein (nicht rechtskräftiges) Versäumungsurteil.

Gesetzwidrige Klauseln eines Pauschalreiseveranstalters

Die Bundesarbeiterkammer klagte ein Reiseveranstaltungsunternehmen; dieses veranstaltet insbesondere Maturareisen in Form von Pauschalreisen. Im Verbandsverfahren wurden alle 11 eingeklagten Klauseln für unzulässig erklärt.

Unzulässige Klauseln in Entschädigungsbedingungen der WESTbahn

Der VKI hat Westbahn wegen drei Klauseln in ihren Entschädigungsbedingungen abgemahnt, ua. eine Klausel, die einen Höchstbetrag von EUR 80 für das Hotel im Fall einer Übernachtung wegen Ausfall, Verspätung oder Versäumnis des letzten Anschlusses am selben Tag vorsieht. Die Westbahn hat zu allen Klauseln eine Unterlassungserklärung abgegeben.

Rückerstattungsklauseln bei SWISS sind gesetzwidrig

Rückerstattungsklauseln bei SWISS sind gesetzwidrig

In der EU haben Fluggäste eine Vielzahl an Schutzrechten. Bei gestrichenen Flügen kommt es dennoch öfter zu Problemen. Rückzahlungen kommen mitunter nicht bei den Verbraucher:innen an. Bei einigen Fluglinien regeln eigene Klauseln, wie eine Rückerstattung erfolgen soll – so auch bei der Swiss International Air Lines AG (SWISS). Drei dieser Rückerstattungsklauseln wurden vom Verein für Konsumenteninformation (VKI) im Auftrag des Sozialministeriums beanstandet. Das Oberlandesgericht (OLG) Wien hat die Ansicht des VKI jetzt bestätigt. Das Urteil ist rechtskräftig.

Weitere Klauseln von Laudamotion unzulässig

Der VKI hatte die Laudamotion GmbH wegen insgesamt 24 Klauseln aus deren Allgemeinen Beförderungsbedingungen geklagt. Bereits in der 2.Instanz wurden vom OLG Wien 19 Klauseln rechtskräftig für unzulässig befunden. Nun erklärte der OGH 4 weitere Klauseln für gesetzwidrig.

OGH: EasyJet verweigerte zu Unrecht die Beförderung

Die Fluggesellschaft EasyJet UK Limited („EasyJet“) verweigerte einem irakischen Staatsbürger zu Unrecht – wie der Oberste Gerichtshof (OGH) nunmehr rechtskräftig entschied – die Beförderung von Wien nach London. Obwohl seine Ehefrau den Flug in Anspruch nehmen hätte können, stellte die Beförderungsverweigerung ihres Ehemannes auch einer Beförderungsverweigerung ihr gegenüber dar.

unterstützt durch das

Sozialministerium
Zum Seitenanfang