Die Telekom Austria klagte bei einer Netzteilnehmerin einen Betrag von € 14.898,-- ein. Dieser Betrag bezog sich auf Telefonsex-Gespräche, welche der Lebensgefährte der Netzteilnehmerin geführt hatte. Die Netzteilnehmerin hatte wegen ihrer ausbildungsbedingten längeren Abwesenheit ihrem Lebensgefährten gestattet, in ihrer Wohnung zu wohnen.
Der OGH setzt sich zunächst umfassend mit der Sittenwidrigkeit von Telefonsex-Verträgen und der dazu ergangenen Judikatur des BGH auseinander. Nach Ansicht des OGH sprechen gewichtige Gründe gegen eine Sittenwidrigkeit, da nicht der Intimbereich der Anbieterin zur Ware degradiert werde, sondern lediglich eine davon losgelöste stimmlich darstellerische Leistung. Eine abschließende Beurteilung sei aber nicht notwendig, da es in diesem Fall nicht entscheidend auf die Frage der Sittenwidrigkeit ankomme.
Beim vorliegenden Sachverhalt sind nämlich zwei Verträge zu unterscheiden. Zum einen der Telefondienstvertrag des Kunden mit dem Netzbetreiber und zum anderen der Mehrwertdienstvertrag des jeweiligen Benutzers mit dem Anbieter der Dienste. Die Tatsache, dass der Netzbetreiber gemeinsam mit den Gesprächsentgelten auch das Entgelt für den Mehrwertdienst kassiert, kann für sich allein nicht zum Verlust der Einwendungen aus dem Vertrag mit dem Mehrwertdienst führen. Dies gilt auch für den Fall der hier anzunehmenden Inkassozession.
Nach den zugrundeliegenden AGB Telefon (§ 16 Abs 3) seien zwar Einwendungen des (Netz-) Kunden, die nicht die Höhe des Verbindungsentgeltes, sondern die Leistung eines anderen Anbieters betreffen, nicht der Telekom, sondern dem anderen Anbieter entgegenzuhalten. Diese Bestimmung stellt allerdings eine gröbliche Benachteiligung im Sinn des § 879 Abs 3 ABGB dar, da der Kunde damit um die sonst bestehende Möglichkeit gebracht wird, mit Forderungen gegen den Inkassozedenten aufzurechnen. Gleichzeitig kommt es durch diese Bestimmung in den AGB aber auch zum Ausschluss aller, die Gültigkeit des Vertrags betreffenden Einwendungen gegenüber dem die Rechte aus diesem geltend machenden Netzbetreiber, was auch nach § 937 ABGB und § 6 Abs 1 Z 14 KSchG unzulässig ist.
Der Kunde kann sich daher darauf berufen, dass er nicht Vertragspartner des Mehrwertdiensteanbieters geworden ist. Dem steht nicht § 11 Abs 1 der AGB Telefon entgegen, wonach der Kunde für Entgeltforderungen, die durch die Inanspruchnahme von Leistungen durch Dritte entstanden sind, haftet. Eine Haftung des Kunden für Forderungen zwischen beiderseits Vertragsfremden (Mehrwertdiensteanbieter und ein vom Netzkunden unterschiedlicher Nutzer) kann dadurch nämlich nicht begründet werden.
Eine Anscheins- bzw. Duldungsvollmacht setzt voraus, dass das Vertrauen des Dritten seine Grundlage im Verhalten des Vollmachtgebers hat, dass diesen äußeren Tatbestand geschaffen hat. Diese Voraussetzungen sind mit aller Strenge zu prüfen, weil sie die Gefahr von Scheinbegründungen in sich birgt. Die bloße Tatsache, dass der Netzkunde über einen Telefonanschluss verfügt, den auch andere Personen benützen können, kann schon deshalb nicht den Anschein der Bevollmächtigung erwecken, weil der Gesprächspartner im Regelfall gar nicht weiß, ob er mit dem Anschlussinhaber oder einem Dritten kontrahiert. Es fehlt damit für die Annahme einer Anscheinsvollmacht an der Offenkundigkeit. Die Überlassung einer Wohnung wird zwar in der Regel die stillschweigende Bevollmächtigung auch zur Inanspruchnahme von Leistungen des Netzbetreibers erstrecken, allerdings nur auf jene Leistungen, die mit den Verbindungsentgelten abgegolten sind. Es kann nämlich nicht unterstellt werden, dass ein Anschlussinhaber einen Dritten auch dazu bevollmächtigen würde, auf seine Kosten Mehrwertdienstleistungen in Anspruch zu nehmen.
Der Netzkunde schuldet daher auf Grund des Vertrages mit dem Netzbetreiber nur das auf die strittigen Telefonate entfallende Verbindungsentgelt und nicht das aus dem Rechtsverhältnis zum Mehrwertdienstleister entfallende Entgelt. Das vorliegende Verfahren wurde daher an das Erstgericht zurückverwiesen, um dem Kläger eine Aufschlüsselung des Klagebegehrens zu ermöglichen.
OGH 27.5.2003, 1 Ob 244/02t