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Verbraucher können bei unlauterer Geschäftspraktik auf Schadenersatz klagen

Ein Verbraucher, der infolge einer wettbewerbswidrigen (hier: irreführenden) Handlung einen Vermögensschaden erlitten hat, kann den Unternehmer klagen.

Die Kläger brachten vor, sie seien Opfer eines Diebstahls in ihrer Privatwohnung geworden, in der sich ein von der Beklagten in Verkehr gebrachter Safe befunden habe. Zum Zeitpunkt des Diebstahls habe sich ein Betrag von mehr als 60.000 EUR an Bargeld im Safe befunden. Für die Kläger sei für den Ankauf gerade dieses Safes wichtig gewesen, dass er die Sicherheitsklasse EN-1 laut den Bedingungen ihrer Versicherung erfülle, um so auf eine Versicherungssumme von 60.000 EUR für darin verwahrtes Geld bzw Wertgegenstände zu kommen. Auf Website der Beklagten sei der Safe so beschrieben worden, dass er die Sicherheitsstufe EN-1 erfülle. Die Deckung des den Klägern durch den Einbruch entstandenen Schadens sei von der Haushaltsversicherung aber abgelehnt worden, weil der Safe nicht der Sicherheitsklasse EN-1 entspricht.

Die ersten beiden Instanzen wiesen die Klage ab. Der OGH erklärte die gegen das zweitinstanzliche Urteil erhobene Revision für berechtigt:

Der Senat hat in der Entscheidung 4 Ob 53/98t zum ersten (und bisher einzigen) Mal die aktive Klagelegitimation eines Verbrauchers bejaht, der infolge einer wettbewerbswidrigen Handlung einen Vermögensschaden erlitten hat. Der Senat hielt die Argumente im Schrifttum für überzeugend, dass auch ein Verbraucher, der das Opfer unlauteren Wettbewerbs geworden ist, Schadenersatzansprüche nach dem UWG gegen den unlauteren Wettbewerber besitzt. Mit der UWG-Nov 2007, mit der auch die RL-UGP umgesetzt wurde, entfiel das Tatbestandselement „Handeln zu Zwecken des Wettbewerbs“, das zuvor einige Autoren als Hindernis zur Begründung eines Individualanspruchs des Verbrauchers auf Schadenersatz erachteten. Die Sanktionenanordnung in § 1 Abs 1 UWG bezieht sich sowohl auf Z 1 (mitbewerberschützendes Lauterkeitsrecht), als auch klar auf Z 2 (verbraucherschützendes Lauterkeitsrecht) und umfasst darüber hinaus gemäß § 1 Abs 3 UWG unmissverständlich §§ 1a und 2 UWG.

Der hier erkennende Senat sieht keinen Anlass, von seiner in der Entscheidung 4 Ob 53/98t vertretenen Rechtsansicht zur Klagelegitimation des Verbrauchers, der durch unlautere Geschäftspraktiken geschädigt wurde, abzugehen. Als besonders gewichtig hervorzuheben sind folgende Argumente:

Im Kartellrecht war es die Rechtsprechung des EuGH (C-453/99, Courage und Crehan, Rn 26, wiederholt in C-295/04, Manfredi, Rn 60), die (unter Hinweis auf den Effektivitätsgrundsatz) jedem Geschädigten die Aktivlegitimation für Schadenersatzansprüche zuerkannt hat.

Der österreichische Gesetzgeber führte deshalb in Umsetzung der Richtlinie 2014/104/EU (vgl § 37a Abs 2 KartG) mit dem KaWeRÄG 2012 § 37a in der erklärten Absicht in das KartG ein, das „Private Enforcement“ nach Wettbewerbsverstößen zu stärken. Diese Bestimmung stellt kein in sich abgeschlossenes Regelungsgebäude für Schadenersatzansprüche nach Wettbewerbsverstößen bereit, sondern baut auf den §§ 1294 ff ABGB auf und modifiziert diese nur punktuell. Für wesentliche Grundsatzfragen (Kausalität, Haftungszurechnung, Zurechnung des Verhaltens von Erfüllungsgehilfen, Solidarhaftung, Beweismaßstab, Beweiserleichterung uä) kann und muss auf die allgemeinen Regelungen des ABGB zurückgegriffen werden.

Das Kartellrecht dient ähnlichen Regelungszwecken wie das Lauterkeitsrecht; der Schutz erfasst in beiden Fällen Mitbewerber, Verbraucher und andere Marktteilnehmer auf der Marktgegenseite sowie die Allgemeinheit.

Der aufgezeigte enge Zusammenhang beider Rechtsgebiete (Lauterkeitsrecht und Kartellrecht) und der Effektivitätsgrundsatz verlangen zur Vermeidung von Wertungswidersprüchen auch im Bereich der Sanktionen einen Gleichklang. Diese Lücke im Gemeinschaftsrecht hat der Unionsgesetzgeber mit der „Omnibus-Novelle“ 2019/2161 erkannt und geschlossen. Im nationalen Recht besteht kraft der allgemein gefassten Anordnungen in § 1 Abs 1 UWG („… kann … bei Verschulden auf Schadenersatz in Anspruch genommen werden“) und des § 16 („Wer auf Grund dieses Gesetzes berechtigt ist, einen Anspruch auf Schadenersatz zu stellen …“) keine Lücke. Warum (auch bereits de lege lata) nach einem Lauterkeitsverstoß zwar der geschädigte Mitbewerber, nicht aber auch der geschädigte Verbraucher Schadenersatz begehren können soll, ist wertungsmäßig nicht nachvollziehbar.

Der EuGH stellt bei der Auslegung der Bestimmungen der RL-UGP (die allein das verbraucherschützende Lauterkeitsrecht regelt) ganz offenbar auf den einzelnen Verbraucher ab, wenn er ausführt, dass diese Bestimmungen im Wesentlichen aus der Sicht „des Verbrauchers als des Adressaten und Opfers unlauterer Geschäftspraktiken“ konzipiert sind (EuGH C-388/13, Rn 52; C-59/12, Rn 36).

Auch in den Materialien zur UWG-Novelle 2007 wird ausgeführt, dass § 1 Abs 1 Z 2 UWG ausdrücklich den individuellen Verbraucher schützen will (ErläutRV 144 BlgNR 23. GP 3).

Den von den Gegnern der Aktivlegitimation der Verbraucher ins Treffen geführten Wertungswidersprüchen zum allgemeinen zivilrechtlichen Haftungsregime ist der Wortlaut und der den individuellen Verbraucher umfassende Schutzzweck des UWG (insbesondere verstärkt seit der Novelle 2007) entgegen zu halten. § 1 UWG ist als Sondernorm zu werten, vergleichbar etwa mit jener des § 22 Abs 1 KMG, welche im Rahmen der Prospekthaftung ebenfalls vertragsunabhängige Ansprüche von Verbrauchern (Anlegern) gegen ua Emittenten wegen unrichtiger oder unvollständiger Angaben zuerkennt.

Das mit dieser Entscheidung bestätigte Auslegungsergebnis des OGH wird in seiner Grundwertung im Übrigen mittlerweile auch vom RL-Gesetzgeber geteilt:

Die Omnibus-RL 2019/2161 sieht in ihrem Art 11a Abs 1 vor, dass durch unlautere Geschäftspraktiken geschädigte Verbraucher Zugang zu angemessenen und wirksamen Rechtsbehelfen „einschließlich Ersatz des dem Verbraucher entstandenen Schadens“ haben müssen.

Zusammenfassend ist somit festzuhalten, dass die Kläger legitimiert sind, den von ihnen verfolgten Anspruch auf Ersatz eines Vermögensschadens, der ihnen als Verbraucher infolge einer unlauteren Geschäftspraktik eines Unternehmers (Irreführung) entstanden sein soll, gerichtlich geltend zu machen. Die Haftung der Beklagten für Personen im Betrieb ihres Unternehmens ist dabei nicht auf ihre Repräsentanten beschränkt, sondern richtet sich nach § 18 UWG.

Die Rechtssache wurde an das Erstgericht zurückverweisen, das nach Ermittlung des zugrunde liegenden Sachverhalts über die Berechtigung des Anspruchs zu entscheiden haben wird.

OGH 16.12.2021, 4 Ob 49/21s

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