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VKI: Sammelaktion gegen Lyoness - Lösungsweg führt in die Niederlande

Holländisches Verfahren soll für Betroffene weltweit Schadenersatz bringen

Der Verein für Konsumenteninformation (VKI) führt im Auftrag des Sozialministeriums eine Verbandsklage gegen die Lyoness Europe AG. Gegenstand sind 61 gesetzwidrige Klauseln in den Allgemeinen Geschäftsbedingungen des Unternehmens. Nachdem die Einkaufsgemeinschaft gegen ein Urteil des Handelsgerichts Wien Berufung einlegte und ein rechtskräftiges Urteil erst 2016 zu erwarten ist, wird der VKI nun anderweitig aktiv. Zusammen mit dem Prozessfinanzierer Advofin und Rechtsanwalt Mag. Eric Breiteneder wird Geschädigten die Teilnahme an einer Sammelaktion ermöglicht - wobei auf eine Rechtsform aus den Niederlanden zurückgegriffen wird.

"In den Niederlanden existiert ein Verfahren für die Abwicklung von Massenschäden, das sowohl für Geschädigte als auch für den Schädiger Vorteile mit sich bringt", erklärt VKI-Chefjurist Peter Kolba. "Leider wurden in Österreich bisher keine vergleichbaren Instrumente geschaffen."

Das niederländische Gesetz für Vergleiche bei Massenschäden ("Wet Collectieve Afwikkling Massaschade", WCAM) bietet eine Möglichkeit für Unternehmen, internationale Rechtssachen schnell und umfassend beizulegen. Eine unabhängige Stiftung agiert dabei als direkter Verhandlungspartner mit dem Schädiger. Kommt dabei ein Vergleich zustande, kann die Stiftung diesen durch ein Gericht für bindend erklären lassen. Innerhalb der EU hat die Entscheidung damit dieselbe Wirkung wie ein Gerichtsurteil.

"Für den Schädiger liegt der Vorteil darin, dass dieses Verfahren die Möglichkeit einer Gesamtbereinigung bietet", erklärt der Wiener Rechtsanwalt Mag. Eric Breiteneder, der derzeit zahlreiche Geschädigte persönlich vertritt. "Nur jene Betroffene, die mit dem Vergleich nicht einverstanden sind, optieren aus der Bindungswirkung hinaus und können versuchen, im Individualprozess eine bessere Lösung zu erzielen." Kommt dagegen kein Vergleich zustande, kann die Stiftung in den Niederlanden ein Feststellungsverfahren führen.

"Das Prozesskostenrisiko ist dabei nicht mit österreichischen Verhältnissen zu vergleichen, da ein Kostenersatz an den Gegner maximal wenige tausend Euro ausmacht - auch wenn der Streitwert mehrere Millionen Euro beträgt", so Dr. Peter Kolba, Leiter des Bereiches Recht im VKI. Ausgehend vom Feststellungsurteil kann im Weiteren in den Niederlanden eine Sammelklage geführt werden, bei der es im Wesentlichen nur noch um die Berechnung des Schadens geht. Die Forderungen können dabei problemlos zusammengefasst werden.

Im nächsten Schritt bieten VKI, Mag. Breiteneder und Advofin der beklagten Einkaufsgemeinschaft Lyoness daher einen umfassenden Vergleich mit der sich in Gründung befindlichen Stiftung "Stichting Lyoness Claim" an. Nimmt das Unternehmen die Option wahr und kommt es zu einem Vergleich, werden die bekannten Geschädigten direkt benachrichtigt. Weitere Geschädigte müssen sich innerhalb einer Frist von drei Monaten vom Verfahren abmelden (opt out). Andernfalls sind auch sie Teilnehmer des Vergleiches und bekommen über die Stiftung teilweise Schadenersatz.

Ab sofort haben Geschädigte die Gelegenheit, sich unter www.advofin.at zur Sammelaktion gegen Lyoness anzumelden. Die Beteiligung ist gegen eine Erfolgsquote von 25 bzw. 36 Prozent ohne weitere Kosten und persönliches Risiko möglich.

"Wir werden alle Geschädigten dem anhängigen Strafverfahren als Privatbeteiligte anschließen und auch mit den Mitteln des Zivilrechtes deren Ansprüche verfolgen", erklärt Franz Kallinger, Vorstand des Prozessfinanzierers Advofin AG.

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