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VKI-Sammelklagen gegen AWD - OLG Wien weist Rekurs des AWD zurück

Sammelklage I wird fortgesetzt - Verzögerungstaktik des AWD erneut gescheitert

Der VKI führt gegen den AWD fünf Sammelklagen wegen systematischer Fehlberatung im Zusammenhang mit der Vermittlung von Aktien der Immofinanz und Immoeast. Es sind rund 2.500 Geschädigte beteiligt, der Streitwert beträgt rund 40 Millionen Euro. Nachdem alle fünf Sammelklagen vom Handelsgericht Wien rechtskräftig als zulässig erklärt wurden, versucht der AWD jetzt, durch Rechtsmittel gegen verfahrensleitende Beschlüsse ein inhaltliches Eingehen des Gerichts auf den Vorwurf der Fehlberatung zu verzögern. Kürzlich hat das Oberlandesgericht Wien (OLG) einen solchen Rekurs des AWD - konkret: gegen die bloß teilweise Offenlegung einer Urkunde - zurückgewiesen. Daher ist in Sammelklage I nun endlich zur Sache zu verhandeln.

Im Zuge der Finanzkrise im Herbst 2008 wandten sich rund 7.000 AWD-Kunden mit Beschwerden an den VKI: Ihnen seien von AWD-Beratern Immobilienaktien als "so sicher wie ein Sparbuch", als "mündelsicher" oder gar als "Immobilienfonds" vermittelt worden. Entgegen all diesen Zusagen waren die Aktien-Kurse 2008 ins Bodenlose gestürzt und haben sich bislang nur sehr bescheiden erholt. Viele Kunden verloren durch die Beratung des AWD einen Gutteil Ihres Vermögens. Daher schlossen sich 2.500 Geschädigte den Sammelklagen des VKI gegen den AWD an.

Die erste Sammelklage wurde bereits Ende Juni 2009 bei Gericht eingebracht. Bis heute wurde aber - aufgrund der Vorgangsweise des AWD, zunächst alle formalen Voraussetzungen für die Klage zu bestreiten - noch kein einziger Geschädigter vom Gericht vernommen. Vielmehr musste erst das Argument des AWD, Sammelklagen wären in Österreich nicht zulässig, widerlegt werden. Seit Herbst 2010 steht fest, dass alle fünf Sammelklagen rechtskräftig zugelassen sind.

Nun bestreitet der AWD die Rechtswirksamkeit der Abtretungen der Schadenersatz-Ansprüche an den VKI mit dem Argument, die Vereinbarung einer Erfolgsquote für einen Prozessfinanzierer wäre in Österreich verboten. Im Zuge dieser Auseinandersetzung legte der VKI im Auftrag des Gerichtes eine Vereinbarung zwischen VKI und dem Prozessfinanzierer FORIS vor, berief sich aber gleichzeitig darauf, dass diese Urkunde auch Geschäftsgeheimnisse enthalte und daher dem AWD nicht zur Gänze offen gelegt werden dürfe. Das Gericht schloss sich dem VKI-Standpunkt an und legte dem AWD nur jene Teile der Urkunde offen, die es zur Frage der Zulässigkeit der Prozessfinanzierung als entscheidungswesentlich erachtete. Obwohl derartige (verfahrensleitende) Beschlüsse laut Gesetz unanfechtbar sind, erhob der AWD wiederum jedes Mal Rekurs. In Sammelklage I hatte der Erstrichter einen derartigen Rekurs als unzulässig zurückgewiesen. Darin wurde er nun durch das OLG Wien bestätigt. Daher sollte jetzt endlich zur Sache verhandelt werden.

Derweilen schließt der AWD mit jenen Klägern, die rechtsschutzversichert sind und daher nicht an der Sammelklage teilnehmen, sondern einzeln geklagt hatten, Geheimvergleiche, um klagsstattgebende Urteile zu vermeiden.

"Es ist eine alte Taktik des AWD, Beschwerden erstens zu leugnen und zweitens als Einzelfälle abzutun. Da diese Taktik bei den Sammelklagen nicht greift, versucht der AWD, die Klärung der Vorwürfe so gut es geht mit Formalargumenten zu verzögern", sagt Dr. Peter Kolba, Leiter des Bereiches Recht im VKI.

Auch die jüngsten massiven Vorwürfe in den deutschen TV- und Print-Medien (ARD, Spiegel, Focus, etc.) gegen den AWD im Zusammenhang mit der Beratung vergleichbarer Anlageprodukte aus dem Immobilienbereich zeigen, dass die Fälle in Österreich nicht alleine dastehen, sondern wohl die Spitze des Eisberges darstellen. Vielmehr birgt ein Multi-Level-Marketing- oder Strukturvertriebs-System wie jenes des AWD tendenziell die Gefahr, dass es zu Fehlberatungen kommt.

"Es ist ein großer Unterschied, ob man im Wege des Strukturvertriebes Plastikgeschirr verkauft oder sich rühmt, als ,unabhängiger Finanzoptimierer‘ für die Kunden die jeweils individuell beste Lösung zu finden - das ist nämlich mit Verkaufs- und Provisionsdruck nicht in Einklang zu bringen", bringt Dr. Kolba den derartigen Vertriebssystemen immanenten Interessenskonflikt auf den Punkt. "Davor müssen in Finanzfragen unbedarfte Kunden unbedingt geschützt werden."

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