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VRUN: Neue Regeln für Verbandsklagen in Kraft

Am 18. Juli 2024 war es so weit: Die lange erwartete Umsetzung der EU-Verbandsklagen-Richtlinie (VK-RL) ist in Kraft. Der VKI informiert über die wesentlichen Inhalte dieser Verbandsklagen-Richtlinie-Umsetzungs-Novelle (VRUN; BGBl I 2024/85):

Der Inhalt der VRUN lässt sich in drei Themenbereiche gliedern:

  • Bundesgesetz über Qualifizierte Einrichtungen zur kollektiven Rechtsverfolgung (Qualifizierte Einrichtungen Gesetz - QEG);
  • Verbandsklage auf Unterlassung (§§ 619-622 ZPO);
  • Verbandsklage auf Abhilfe (§§ 623-635 ZPO).

Das QEG bildet dabei einen allgemeinen Teil für das neue Verbandsklageregime und beinhaltet im Wesentlichen materiell-rechtliche Bestimmungen zu den ab sofort klageberechtigten Qualifizierten Einrichtungen.

Die prozessualen Bestimmungen zur Verbandsklage auf Unterlassung sowie zur Verbandsklage auf Abhilfe sind jeweils in der Zivilprozessordnung (ZPO) umgesetzt. 

Das neue Verbandsklage-Regime tritt neben die bestehenden Klagemöglichkeiten und verdrängt diese nicht. Es wird also weiterhin möglich sein, Unterlassungsklagen etwa auf §§ 28 ff KSchG und/oder §§ 15 ff UWG zu stützen und Ansprüche im Wege einer „Sammelklage österreichischer Prägung“ geltend zu machen.

 

Qualifizierte Einrichtungen

Nach österreichischem Recht errichtete juristische Personen können bei Erfüllung der folgenden Voraussetzungen die Anerkennung als Qualifizierte Einrichtung für grenzüberschreitende Verbandsklagen beantragen, wobei der Bundeskartellanwalt über die Anerkennung entscheidet. Folgende Voraussetzungen sieht das Gesetz vor (§ 1 QEG):

  • Zwölfmonatige öffentliche Tätigkeit zum Schutz von Verbraucherinteressen und legitimes Interesse am Schutz der Verbraucherinteressen als Satzungszweck (Z 1);
  • Keine Verfolgung eines Erwerbszweckes (Z 2);
  • Keine Eröffnung eines Insolvenzverfahrens über ihr Vermögen (Z 3);
  • Unabhängigkeit; insbesondere keine Beeinflussung von Personen, die ein wirtschaftliches Interesse an der Erhebung einer Verbandsklage haben (Z 4);
  • Einhaltung diverser Veröffentlichungspflichten (Z 5).

Für die Beantragung der Anerkennung als Qualifizierte Einrichtung für innerstaatliche Verbandsklagen sind zusätzliche Erfordernisse im Hinblick auf die Finanzierung zu berücksichtigen (§ 2 QEG).

§ 3 QEG verleiht den bereits bisher klagebefugten Einrichtungen, namentlich der Wirtschaftskammer Österreich, der Bundesarbeitskammer, dem Österreichischen Landarbeiterkammertag, der Präsidentenkonferenz der Landwirtschaftskammern Österreichs, dem Österreichischen Gewerkschaftsbund, dem Verein für Konsumenteninformation und dem Österreichischen Seniorenrat den Status einer gesetzlich anerkannten Einrichtung für die Erhebung innerstaatlicher Verbandsklagen; Wirtschaftskammer und Bundesarbeitskammer sind darüber hinaus auch gesetzlich anerkannten Qualifizierte Einrichtungen für die Erhebung grenzüberschreitender Verbandsklagen.

Die Unterscheidung zwischen grenzüberschreitenden und innerstaatlichen Verbandsklagen richtet sich dabei nach dem Klageort. Klagen österreichischer Qualifizierter Einrichtungen gegen ausländische Unternehmer:innen vor österreichischen Gerichten sind demnach innerstaatliche Verbandsklagen.

Das QEG stellt eine Reihe an Informations- und Berichtspflichten für Qualifizierte Einrichtungen auf (§ 7, 9, 10 QEG). Über die Aktivitäten der Qualifizierten Einrichtung ist jährlich ein Tätigkeitsbericht zu erstellen (§ 8 QEG).

Die Finanzierung von Verbandsklagen durch Dritte ist zulässig; es besteht auch keine prozentuelle Schranke für den Beitrag an Prozessfinanzierer (§ 6 QEG). Unzulässig ist allerdings die Drittfinanzierung durch Wettbewerber des beklagten Unternehmers oder von diesem wirtschaftlich oder rechtlich abhängige Personen. Qualifizierte Einrichtungen dürfen für den Beitritt zu einer Verbandsklage auch eine Beitrittsgebühr verlangen; diese darf allerdings weder höher als 20 Prozent der geltend gemachten Anspruchssumme sein, noch darf diese 250 Euro überschreiten (§ 9 Abs 4 QEG).

 

Verbandsklage auf Unterlassung

Die Verbandsklage auf Unterlassung nach der VRUN unterscheidet sich von den bisher bestehenden Unterlassungsklagemöglichkeiten darin, dass nunmehr jeder Rechtsverstoß eines Unternehmers, welcher die kollektiven Interessen von Verbraucher:innen beeinträchtigt oder zu beeinträchtigen droht, Klagegegenstand sein kann (§ 619 Abs 1 ZPO). Damit sind in vielen Rechtsbereichen, in denen Unterlassungsklagen bisher nur stark eingeschränkt möglich waren (insb: Vorliegen einer AGB-Klausel), künftig ohne Weiteres Unterlassungsklagen möglich. Dies betrifft etwa Verstöße gegen das allgemeine Zivilrecht, aber auch Telekommunikations-, Produktsicherheits- oder Datenschutzrecht.

Ein Vorteil für die betroffenen Verbraucher:innen ist, dass die Einbringung einer Verbandsklage auf Unterlassung den Lauf der Verjährungsfrist für die mit dem Streitgegenstand der Klage in Zusammenhang stehenden Verbraucher:innenansprüche gegen die beklagte Partei bis zur rechtskräftigen Verfahrensbeendigung hemmt (§ 619 Abs 4 ZPO). Achtung: Dies gilt nicht für das (weiterhin fakultative) außergerichtliche Abmahnverfahren.

Ab rechtskräftiger Beendigung des Unterlassungsverfahrens verbleibt den Verbraucher:innen jedenfalls noch eine Frist von sechs Monaten, um ihren Anspruch mit Individualklage oder Beitritt zu einem Verbandsklageverfahren auf Abhilfe geltend zu machen.

Eine Vereinfachung bringt die VRUN für das Zuständigkeitsrecht: In erster Instanz ist ausschließlich das Handelsgericht Wien zuständig; entgegenstehende Vereinbarungen sind unzulässig (§ 620 Abs 1, 2 ZPO). Die Beteiligung von fachkundigen Laienrichter:innen ist ausgeschlossen.

Wie auch im bestehenden System kann das Gericht der obsiegenden Partei auf ihren Antrag die Befugnis zuzusprechen, das Urteil, Teile des Urteils oder eine berichtigende Erklärung auf Kosten des Gegners zu veröffentlichen (§ 621 ZPO).

 

Verbandsklage auf Abhilfe

Mit der Verbandsklage auf Abhilfe ist es Qualifizierten Einrichtungen nunmehr möglich, Ansprüche von zumindest 50 Verbraucher:innen aufgrund im Wesentlichen gleichartiger Sachverhalte gegen einen Unternehmer geltend zu machen (§ 624 Abs 1 ZPO). 

In einem ersten Verfahrensabschnitt prüft das Gericht die allgemeinen und besonderen Prozessvoraussetzungen (etwa Anzahl der Verbraucher:innen) und erlässt einen Beschluss über die Durchführung des Verfahrens (§ 626 ZPO). Dieser Beschluss ist in der Ediktsdatei zu veröffentlichen (§ 627 ZPO). 

Mit den jeweils ersten Schriftsätzen der Parteien können diese einen Zwischenantrag auf Feststellung in Bezug auf Rechte oder Rechtsverhältnisse von deren Bestehen oder Nichtbestehen die Entscheidung des Rechtsstreits ganz oder zum Teil abhängt, und die alle vom geltend gemachten Anspruch betroffenen Verbraucher:innen in derselben Weise betrifft, einbringen (§ 624 Abs 2 ZPO). So können einzelne Aspekte vor die Klammer des Verfahrens gezogen werden, und zwar im Unterschied zum Zwischenantrag auf Feststellung nach § 236 ZPO auch dann, wenn die Entscheidung nicht über den anhängigen Prozess hinauswirkt. Die Entscheidung über die Zwischenfeststellungsanträge bildet einen zweiten Verfahrensabschnitt und ist ebenfalls in der Ediktsdatei zu veröffentlichen (§ 634 Abs 1 Z 2 ZPO). Im dritten Verfahrensabschnitt ist über die einzelnen Leistungsbegehren abzusprechen.

In der Klage kann die Qualifizierte Einrichtung auch die Erklärung abgeben, dass weitere Verbraucher:innen dem Verfahren beitreten können (§ 624 Abs 3 ZPO). Ein solcher Beitritt kann bis drei Monate nach Veröffentlichung der Entscheidung über die Durchführung des Verfahrens (Ende des ersten Verfahrensabschnittes; § 628 Abs 3 ZPO) erfolgen. Der Beitritt kann von der Qualifizierten Einrichtung ohne Angabe von Gründen abgelehnt werden (§ 628 Abs 1 ZPO), jedoch vom Verbraucher nicht zurückgenommen werden (§ 628 Abs 5 ZPO). Der Beitritt zu einer Verbandsklage auf Abhilfe hemmt den Ablauf von Verjährungsfristen rückwirkend mit dem Zeitpunkt der Einbringung der Verbandsklage bei Gericht (§ 635 ZPO). Nach Zurückweisung einer Verbandsklage auf Abhilfe verbleibt beigetretenen Verbraucher:innen jedenfalls noch eine Frist von drei Monaten ab Rechtskraft der Zurückweisungsentscheidung, um ihren Anspruch in einem Einzelverfahren oder durch Beitritt zu einer Verbandsklage geltend zu machen. 

Wie im Verbandsklageverfahren auf Unterlassung ist auch im Verbandsklageverfahren auf Abhilfe das Handelsgericht Wien in erster Instanz unprorogabel ausschließlich zuständig (§ 630 ZPO).

Die Qualifizierte Einrichtung und die beklagte Partei können auch einen Vergleich über den Streitgegenstand schließen, der auch die beigetretenen Verbraucher:innen bindet. Wirksamkeitsvoraussetzung ist allerdings die Zustimmung des Gerichts (§ 631 ZPO). Bestätigte Vergleiche sind in der Ediktsdatei zu veröffentlichen (§ 634 Abs 1 Z 4 ZPO).

Obwohl die Qualifizierte Einrichtung, nicht die einzelnen Verbraucher:innen, Verfahrenspartei ist, sieht die VRUN als Grundsatz vor, dass das beklagte Unternehmen bei Unterliegen an die Verbraucher:innen zu leisten hat. Auf Antrag der Qualifizierten Einrichtung bis zum Schluss der mündlichen Verhandlung erster Instanz, hat das Gericht jedoch auszusprechen, dass schuldbefreiend nur an die Qualifizierte Einrichtung geleistet werden kann (§ 633 ZPO).

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