Zum Inhalt

VW-Abgasskandal: Zulassungszeitpunkt bestimmt Eintritt des (Rechtsschutz-)Versicherungsfalls

Wieder hatten sich die Gerichte mit einer Klage im Zusammenhang mit Schadensersatzansprüchen wegen manipulierter Motorsteuerungssoftware zu befassen. Der OGH bestätigt nunmehr, dass es für die Deckungspflicht der Rechtsschutzversicherung auf das Bestehen des Versicherungsvertrages zum Zeitpunkt der Zulassung ankommt.

Im Oktober 2015 wurde die Klägerin per Schreiben darüber informiert, dass an ihrem Personenkraftwagen wegen manipulierter Motorsteuerungssoftware Nachbesserungen erforderlich seien. Das Fahrzeug war für die Klägerin im Dezember 2010 zum Verkehr zugelassen worden.

Auf Grundlage des von ihr im Jahr 2011 abgeschlossenen KFZ-Rechtsschutzversicherungsvertrags begehrte sie in weiterer Folge von ihrer Rechtsschutzversicherung Deckung für die klagsweise Durchsetzung von deliktischen Schadensersatzansprüchen gegen den Autoproduzenten.
Die Versicherung lehnte mit der Begründung ab, dass das betreffende Fahrzeug vor Abschluss des Versicherungsvertrags gekauft worden sei und daher Vorvertraglichkeit vorliege.

Die Beurteilung teilte die Klägerin nicht und brachte Klage ein: Sie habe erst durch das Schreiben im Jahr 2015 Kenntnis vom schadensbegründenden Ereignis erlangt, zuvor sei auch keine Wertminderung eingetreten. Der Schaden sei daher erst nach Abschluss des Rechtsschutzversicherungsvertrags, nämlich im Jahr 2015, eingetreten.

Die Unterinstanzen gaben der Rechtsschutzversicherung Recht und wiesen das Begehren ab; der OGH bestätigte diese Entscheidung nunmehr:

Gegenstand des Begehrens sei ein reiner Vermögensschaden. Der für den Eintritt des Versicherungsfalls maßgebliche Zeitpunkt sei daher der tatsächliche oder behauptete Verstoß des Versicherungsnehmers, Gegners oder eines Dritten gegen Rechtspflichten oder Rechtsvorschriften (Art. 2.3 ARB). Ob der Handelnde Kenntnis vom Verstoß habe, sei unerheblich.

Nach Befund des OGH sei zwar der Beginn der Rechtsverletzung grundsätzlich der Einbau einer nicht rechtskonformen Abschalteinrichtung in den Motor, also lange vor Kauf des Fahrzeugs. Allerdings könne ein lange vorangehender Gesetzes- oder Pflichtenverstoß den Versicherungsfall erst auslösen und damit den Zeitpunkt des Verstoßes in Bezug auf den konkrete Versicherungsnehmer festlegen, wenn dieser erstmals davon betroffen bzw in seinen Rechten beeinträchtigt sei. Maßgeblicher Zeitpunkt sei daher die Zulassung des Fahrzeugs für den Betroffenen.

Daran ändere auch Versuch der Fahrzeugproduzentin nichts, den gesetzeswidrigen Zustand durch ein Softwareupdate zu beseitigen. Dass das Software-Update den Mangel nicht beheben konnte, stelle keinen selbständigen neuen Verstoß dar; vielmehr handle es sich um einen fehlgeschlagenen Versuch, den (gesetzwidrigen) Dauerzustand zu beenden und damit eine Fortsetzung des bestehenden (gesetzwidrigen) Dauerzustands.

Mit dem Urteilt stellt der OGH erfreulich deutlich klar, dass der maßgebliche Zeitpunkt für den Eintritt des (Rechtsschutz-)Versicherungsfalls bei vom "Abgasskandal" betroffenen Fahrzeugen der Zeitpunkt der Zulassung des Fahrzeugs ist.

OGH 04.07.2018, 7 Ob 32/18h

 

Diesen Beitrag teilen

Facebook Twitter Drucken E-Mail

Das könnte auch interessant sein:

zupfdi.at: VKI informiert über mögliche Rückforderungsansprüche betroffener Verbraucher:innen

zupfdi.at: VKI informiert über mögliche Rückforderungsansprüche betroffener Verbraucher:innen

Der OGH hat mit Beschluss vom 25.01.2024 (4 Ob 5/24z) das Geschäftsmodell der gewerblichen „Besitzschützer“ hinter der Website www.zupfdi.at für rechtswidrig erkannt. Das HG Wien hat in VKI-Verbandsverfahren ua die Unzulässigkeit von Klauseln über die Abtretung der Besitzschutzansprüche und die Einräumung von Mitbesitz an den bewachten Liegenschaften bestätigt. Nach Rechtsauffassung des VKI ergeben sich aus diesen Entscheidungen Rückforderungsansprüche der betroffenen Verbraucher:innen, die Zahlungen an „Zupf di“ getätigt haben.

Unterlassungserklärung der Sanag Health Care GmbH

Der VKI hat – im Auftrag des Sozialministeriums – die Sanag Health Care GmbH wegen acht Klauseln in ihrem Mietvertrag für ein Leihgerät abgemahnt. Die Sanag Health Care GmbH hat zu allen Klauseln eine Unterlassungserklärung abgegeben.

EuGH: keine Tragung von Verfahrenskosten durch Verbraucher:innen bei missbräuchlichen Vertragsklauseln

EuGH: keine Tragung von Verfahrenskosten durch Verbraucher:innen bei missbräuchlichen Vertragsklauseln

Der Europäische Gerichtshof (EuGH) äußerte sich kürzlich zu offenen Auslegungsverfahren der Klausel-Richtlinie (RL 93/13/EWG) und der Verbraucherkredit-Richtlinie 2008 (RL 2008/48/EG). Das Urteil vom 21.03.2024 (C-714/22, Profi Credit Bulgaria) betrifft ein bulgarisches Vorlageverfahren; die Aussagen des Gerichtshof sind jedoch auch für österreichische Verbraucher:innen von Relevanz.

LG Klagenfurt: Verbandsklagen-Richtlinie unmittelbar anwendbar

LG Klagenfurt: Verbandsklagen-Richtlinie unmittelbar anwendbar

Der Verein zum Schutz von Verbraucherinteressen (VSV) hatte die Energie Klagenfurt GmbH auf Unterlassung der Verrechnung einer Gemeindebenützungsabgabe geklagt. Das Landesgericht Klagenfurt wies die Klage inhaltlich ab, bestätigte aber die Aktivlegitimation der klagenden Partei gestützt auf die (von Österreich nicht umgesetzte) EU-Verbandsklagen-Richtlinie. Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig.

zupfdi.at: „Besitzschutz“-Website – 6 Klauseln in AGB unzulässig

zupfdi.at: „Besitzschutz“-Website – 6 Klauseln in AGB unzulässig

Der Verein für Konsumenteninformation (VKI) hatte im Auftrag des Sozialministeriums die Fumy – The Private Circle GmbH wegen sechs unzulässiger Klauseln in deren AGB/Vertragsformblättern für die Nutzung des über die Website „zupfdi.at“ betriebenen Abmahnservices bei behaupteten Besitzstörungen durch Kfz geklagt. Betreffend drei dieser Klauseln war bereits am 5.12.2023 ein Teilanerkenntnisurteil des Handelsgerichts Wien (HG Wien) ergangen. Nunmehr erkannte das HG Wien in seinem Endurteil auch die drei übrigen Klauseln für rechtswidrig. Das Endurteil ist rechtskräftig.

unterstützt durch das

Sozialministerium
Zum Seitenanfang