Zum Inhalt

VW-Dieselskandal: EuGH-Generalanwalt beurteilt Thermofenster als unzulässig

VW droht Supergau: betroffene Fahrzeuge sind laut EU-Recht nicht vertragsgemäß!

Der Generalanwalt beim Europäischen Gerichtshof (EuGH) hat mit seinen heutigen Schlussanträgen eine weitere Klarstellung zum VW-Abgas-Skandal vorgenommen. Die verwendete temperaturgesteuerte Abschalteinrichtung ist illegal. Folgt der EuGH in seinem Urteil – welches für die nächsten Monate erwartet wird – dieser Entscheidung, dann ist auf europäischer Ebene klargestellt, dass auch diese Manipulation von VW EU-rechtswidrig war. 

 

Mitte September 2015 hatte VW eingestanden, bei Dieselmotoren der Marken VW, Audi, SEAT und Skoda aus der Konstruktionsserie EA 189 mit Hilfe einer unzulässigen Motorsteuerungssoftware, Abgastests manipuliert zu haben. Der EuGH stellte mit Urteil vom 17.12.2020 erstmalig fest, dass die von VW eingebaute Software dem EU-Recht widerspricht und unzulässig ist.

Nun beurteilte der Generalanwalt des EuGH das Thermofenster ebenfalls für unzulässig, nachdem der Oberste Gerichtshof (OGH) im März 2020 dem EuGH Fragen zum Diesel-Abgasskandal, in Bezug auf das sogenannte Thermofenster, vorgelegt hatte.

Nach Auffassung von Generalanwalt Rantos ist der Einbau einer integrierten Software, mit der entsprechend der Außentemperatur und der Höhenlage die Höhe der Schadstoffemissionen eines Fahrzeugs verändert wird - das sogenannte Thermofenster -, unionsrechtswidrig. 

Der Generalanwalt geht davon aus, dass es sich bei der oben beschriebenen Software um eine Abschalteinrichtung im Sinne der Verordnung Nr 751/2007 handelt, da sie bei normalen Nutzungsbedingungen und normalen Fahrzeugbetrieb die Wirksamkeit des Emissionskontrollsystems verringert. Abzustellen ist laut Generalanwalt auf den realen Fahrbetrieb und nicht auf (Labor-) Bedingungen des NEFZ (Neuen Europäischen Fahrzyklus).
Unionsrechtswidrig sei das Thermofenster deshalb, weil es nicht mit dem Schutz des Motors vor Beschädigung oder Unfall und dem sicheren Betrieb des Fahrzeugs gerechtfertigt werden kann, da diese temperaturgesteuerte Abschalteinrichtung vornehmlich der Schonung von Anbauteilen wie AGR-Ventil, AGR-Kühler und Dieselpartikelfilter dient.

Erfreulich äußert sich der Generalanwalt auch dahingehend, dass ein normal informierter, angemessen aufmerksamer und verständiger Durchschnittsverbraucher erwarten darf, dass die rechtlichen Anforderungen eingehalten werden. Daher ist ein solches Fahrzeug seiner Meinung nach nicht vertragsgemäß im Sinne der Richtlinie 1999/44. Auch kann eine Vertragswidrigkeit, die darin besteht, dass das betreffende Fahrzeug mit einer unzulässigen Abschalteinrichtung ausgestattet ist, selbst dann nicht als “geringfügig” angesehen werden, wenn der Verbraucher das Fahrzeug selbst bei Kenntnis des Vorhandenseins dieser Einrichtung (gemeint Thermofenster) und ihrer Wirkungsweise erworben hätte.

Diese Einschätzung des Generalanwalts ist höchst begrüßenswert. Sie stärkt die Position der Verbraucher in zahlreichen anhängigen Gerichtsverfahren und erhöht den Druck auf VW.

Die Schlussanträge des Generalanwalts sind nicht bindend. In der überwiegenden Anzahl folgt der EuGH den Empfehlungen des Generalanwalts. Wann die endgültige Entscheidung ergeht, ist noch offen.

Sollte der EuGH die Einschätzung des Generalanwalts teilen, bringt dies weiteren Rückenwind für die 16 VKI-Sammelklagen gegen VW.

 

Links

Diesen Beitrag teilen

Facebook Twitter Drucken E-Mail

Das könnte auch interessant sein:

zupfdi.at: VKI informiert über mögliche Rückforderungsansprüche betroffener Verbraucher:innen

zupfdi.at: VKI informiert über mögliche Rückforderungsansprüche betroffener Verbraucher:innen

Der OGH hat mit Beschluss vom 25.01.2024 (4 Ob 5/24z) das Geschäftsmodell der gewerblichen „Besitzschützer“ hinter der Website www.zupfdi.at für rechtswidrig erkannt. Das HG Wien hat in VKI-Verbandsverfahren ua die Unzulässigkeit von Klauseln über die Abtretung der Besitzschutzansprüche und die Einräumung von Mitbesitz an den bewachten Liegenschaften bestätigt. Nach Rechtsauffassung des VKI ergeben sich aus diesen Entscheidungen Rückforderungsansprüche der betroffenen Verbraucher:innen, die Zahlungen an „Zupf di“ getätigt haben.

Unterlassungserklärung der Sanag Health Care GmbH

Der VKI hat – im Auftrag des Sozialministeriums – die Sanag Health Care GmbH wegen acht Klauseln in ihrem Mietvertrag für ein Leihgerät abgemahnt. Die Sanag Health Care GmbH hat zu allen Klauseln eine Unterlassungserklärung abgegeben.

EuGH: keine Tragung von Verfahrenskosten durch Verbraucher:innen bei missbräuchlichen Vertragsklauseln

EuGH: keine Tragung von Verfahrenskosten durch Verbraucher:innen bei missbräuchlichen Vertragsklauseln

Der Europäische Gerichtshof (EuGH) äußerte sich kürzlich zu offenen Auslegungsverfahren der Klausel-Richtlinie (RL 93/13/EWG) und der Verbraucherkredit-Richtlinie 2008 (RL 2008/48/EG). Das Urteil vom 21.03.2024 (C-714/22, Profi Credit Bulgaria) betrifft ein bulgarisches Vorlageverfahren; die Aussagen des Gerichtshof sind jedoch auch für österreichische Verbraucher:innen von Relevanz.

LG Klagenfurt: Verbandsklagen-Richtlinie unmittelbar anwendbar

LG Klagenfurt: Verbandsklagen-Richtlinie unmittelbar anwendbar

Der Verein zum Schutz von Verbraucherinteressen (VSV) hatte die Energie Klagenfurt GmbH auf Unterlassung der Verrechnung einer Gemeindebenützungsabgabe geklagt. Das Landesgericht Klagenfurt wies die Klage inhaltlich ab, bestätigte aber die Aktivlegitimation der klagenden Partei gestützt auf die (von Österreich nicht umgesetzte) EU-Verbandsklagen-Richtlinie. Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig.

zupfdi.at: „Besitzschutz“-Website – 6 Klauseln in AGB unzulässig

zupfdi.at: „Besitzschutz“-Website – 6 Klauseln in AGB unzulässig

Der Verein für Konsumenteninformation (VKI) hatte im Auftrag des Sozialministeriums die Fumy – The Private Circle GmbH wegen sechs unzulässiger Klauseln in deren AGB/Vertragsformblättern für die Nutzung des über die Website „zupfdi.at“ betriebenen Abmahnservices bei behaupteten Besitzstörungen durch Kfz geklagt. Betreffend drei dieser Klauseln war bereits am 5.12.2023 ein Teilanerkenntnisurteil des Handelsgerichts Wien (HG Wien) ergangen. Nunmehr erkannte das HG Wien in seinem Endurteil auch die drei übrigen Klauseln für rechtswidrig. Das Endurteil ist rechtskräftig.

unterstützt durch das

Sozialministerium
Zum Seitenanfang