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VW-Sammelklagen: Zwei Erstgerichte verneinen Zuständigkeit

Nach zahlreichen bejahenden Zuständigkeitsentscheidungen lehnen das Landesgericht Korneuburg und das Landesgericht Wr. Neustadt eine Zuständigkeit für die vom Verein für Konsumenteninformation (VKI) eingebrachten Sammelklagen gegen VW ab. Die Ansprüche seien in Deutschland geltend zu machen. Der VKI hält diese Rechtsansicht für verfehlt und hat gegen die Beschlüsse Rekurs eingebracht.

Der VKI hat im September 2018 für rund 10.000 Geschädigte des VW Dieselskandals bei allen Landesgerichten Österreichs 16 Sammelklagen mit einem Gesamtstreitwert von 60 Millionen Euro eingebracht. Nunmehr haben zwei Erstgerichte überraschend eine Zuständigkeit für die Klagen verneint und meinen, man dürfe die Klagen nicht in Österreich einbringen.

Die beiden Gerichte folgen einem von VW beauftragten Gutachten von Univ. Prof. Dr. Paul Oberhammer, nach dem im Ergebnis nur das Gericht in Braunschweig für VW Klagen zuständig sein soll. Dabei wird argumentiert, dass der Schaden beim Generalimporteur eingetreten sei. Auch sei für VW nicht vorhersehbar gewesen, wegen des Dieselskandals in Österreich geklagt zu werden.

Nach Ansicht des VKI ist diese Rechtsansicht verfehlt:

Bei der Begründung der Gerichte bleibt unerfindlich, warum der Generalimporteur der VW-Konzernmarken, der nota bene zur Gänze dem Hersteller gehört, oder irgendein anderer Zwischenhändler auch nur den geringsten Schaden erlitten haben soll. Im Gegenteil, sowohl der Generalimporteur als auch jeder andere Zwischenhändler verkauften bis zum Bekanntwerden des VW-Dieselskandals die manipulierten Fahrzeuge ohne jeglichen Abschlag, im Gegenteil, sogar noch mit Gewinn an die österreichischen Konsumenten weiter.

Dass es für VW überraschend gewesen sein soll, in Österreich auf Schadenersatz geklagt zu werden, falls die Manipulationen ans Licht kommen, kann nicht wirklich ernst gemeint sein. Dennoch finden solche Argumente Niederschlag in den Entscheidungen.

Die beiden Entscheidungen stellen sich gegen die einhellige bisherige Rechtsprechung der österreichischen Justiz, die bisherigen bejahenden Zuständigkeitsentscheidungen von Erst- und Rekursgerichten, darunter alle vier Oberlandesgerichte Österreichs, waren durchwegs sorgfältig begründet.

Würde man den Entscheidungen folgen, hätte das folgende Konsequenzen: Da in einem Verfahren in Deutschland das Heimat-Schadenersatzrecht der jeweiligen Geschädigten anzuwenden wäre, müssten deutsche Richter sich nicht nur in österreichisches Haftungsrecht sondern auch - wenn man die Entscheidungen auf andere Länder überträgt - in das Haftungsrecht zahlreicher anderer Rechtsordnungen Europas vertiefen, in die VW seine manipulierten Fahrzeuge geliefert hatte. Geschädigte aus aller Herren Länder müssten sich möglicherweise zu zehn oder hunderttausenden auf den Weg nach Braunschweig machen und Sachverständige müssten den Schaden jeweils in den einzelnen betroffenen Ländern bewerten.

Das wäre nicht nur keine Verfahrensvereinfachung, so wie das die Zuständigkeitsregelungen vor Augen haben. Es würde vielmehr zu einer Vervielfachung des Verfahrensaufwands und überdies zu einer Aufspaltung von Gericht und anzuwendendem Recht führen. Die Zuständigkeitsregelungen haben aber anderes vor Augen, nämlich die Grundsätze der Fairness und Vorhersehbarkeit, der Prozesseffizienz und darüber hinaus grundsätzlich den Einklang von zuständigem Gericht und anzuwendendem Recht.

Warum VW Interesse daran hat, die Verfahren in Deutschland zu führen, ist nachvollziehbar; in erster Linie wohl deswegen, weil die Erfolgswahrscheinlichkeit beim Gericht in Braunschweig gegen VW zu gewinnen nach einer Statistik des ADAC bisher gering ist. Dabei ist zu beachten, dass die Erfolgschancen bei anderen Gerichten in Deutschland nach dem ADAC bei 7:1. liegen und somit gut sind. Ein Schelm, wer Böses dabei denkt.

Wesentlich erscheint überdies auch folgender Punkt: Das Landesgericht Wr. Neustadt begründet seine Entscheidung auch damit, dass allein durch die nunmehr parallel anhängigen Sammelverfahren gegen VW offenkundig wäre, dass die Zuständigkeit der Gerichte für die VW Klagen nicht mehr gegeben wäre. Warum die Zuständigkeit bisher in hunderten Einzelverfahren bejaht wurde und nun in Massenverfahren verneint wird, bleibt unerfindlich. Natürlich sind Massenverfahren mehr Arbeit für die Justiz, und es fehlt in Österreich seit langem an einem tauglichen Instrument, um Massenverfahren fair, kostengünstig und effizient abzuwickeln. Das darf aber kein Argument sein, die einheitlichen europäischen Zuständigkeitsregelungen bei gleicher Sachlage ungleich anzuwenden.

Der VKI hat gegen die Beschlüsse Rechtsmittel eingebracht.

LG Korneuburg 29.1.2019, 4 Cg 77/18s (nicht rk)
LG Wr. Neustadt 12.2.2019, 26 Cg 109/18m (nicht rk)


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