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VW erstes Urteil
VW-Abgasskandal: niedriger Schadenersatz - Urteil in St. Pölten. Bild: NordStock/Shutterstock

Erstes Urteil in den VW Sammelklagen - Schadenersatz weit unter Messlatte

Der zugesprochene Schadenersatz steht in Widerspruch zum Ergebnis von mehr als 100 Einzelverfahren und BGH – der VKI geht in Berufung

Der VW-Dieselskandal hält die Autobranche seit bald acht Jahren in Atem. Seit September 2018 beschäftigen 16 Sammelklagen des Vereins für Konsumenteninformation (VKI) alle Landesgerichte Österreichs. Die Haftung von VW wegen Arglist wurde vom deutschen Bundesgerichtshof (BGH) bereits im Mai 2020 rechtskräftig festgestellt. Der Europäische Gerichtshof (EuGH) signalisierte im Sommer 2022 außerdem, dass das von VW verwendete Thermofenster unzulässig ist. Seit Februar 2023 liegt auch die erste Entscheidung des Obersten Gerichtshofes (OGH) zu einem österreichischen Fall vor, wonach VW das betroffene Fahrzeug auf Wunsch zurücknehmen und den Kaufpreis zurückzahlen muss.

Nun liegt die erste Entscheidung des Landesgerichts (LG) St. Pölten in einer der 16 Sammelklagen des VKI vor. Das Gericht bejaht zwar die Haftung von VW und weist alle Einwendungen von VW zur angeblich nicht bestehenden Haftung zurück. Es bestätigt außerdem, dass es sich bei der ursprünglichen „Umschaltlogik“ um eine unzulässige Abschalteinrichtung handelt, ebenso beim Thermofenster. Der Schaden ist dem Gericht zufolge außerdem wie vom VKI argumentiert zum Ankaufszeitpunkt zu bestimmen und eine allfällige Vorteilsanrechnung findet nicht statt.

Das Gericht spricht aber durchschnittlich nur 4 Prozent des Kaufpreises als Schadenersatz zu. Besitzer:innen mancher Skoda- und Seat-Modelle sollen außerdem keinen oder nur einen sehr geringen Schadenersatz bekommen. Der Ersatz geht nach dem Sachverständigengutachten in vielen Fällen oft nicht über 200 Euro hinaus. Damit weicht das Gericht massiv von zahlreichen weitaus höheren Zusprüchen anderer österreichischer Gerichte in Einzelverfahren ab. Auch die aktuelle Rechtsprechung des BGH zum Schadenersatz bei Thermofenstern vom LG St. Pölten wird nicht berücksichtigt.

Ein so geringer Schadenersatz ist in vielerlei Hinsicht nicht nachvollziehbar. Wie der VKI bereits im Zuge des Verfahrens aufgezeigt hat, weist das dem Urteil zugrunde liegende Sachverständigen-Gutachten einige Mängel auf: Wesentliche Punkte rund um die Datenbasis aus der sogenannten Eurotax-Liste wurden nicht berücksichtigt. Nicht umsonst kommen Sachverständige in zumindest 100 österreichischen Einzelverfahren zu Schadenersatz zwischen 10 und 30 Prozent des bezahlten Kaufpreises. Das ist im Schnitt das Fünffache des vom LG St. Pölten zugesprochenen Betrages.

Vollkommen unerklärbar bleibt zudem, dass nach dem Urteil viele Betroffen keinen oder fast keinen Schadenersatz erhalten sollen.

Auch das vor kurzem erfolgte Urteil des deutschen Bundesgerichtshofes (BGH) vom 26.06.2023 bleibt in der Entscheidung des LG St. Pölten unberücksichtigt. Demnach würde Betroffenen bereits bei fahrlässigem Einbau eines Thermofensters – auch wegen des gebotenen Abschreckungseffekts – 5 bis 15 Prozent des Kaufpreises als Schadenersatz zustehen. Wenn schon bei fahrlässiger Schädigung durch das Thermofenster 5 bis 15 Prozent des Kaufpreises als Schadenersatz zustehen, dann muss der Schadenersatz bei vorsätzlicher Schädigung im Zusammenhang mit der ursprünglichen Manipulation der Software insgesamt zwingendermaßen höher sein.

Schlussendlich ist der zugestandene Schadenersatz auch nicht mit dem von VW in Deutschland geschlossenen Massenvergleich mit 260.000 Fahrzeugbesitzern in Einklang zu bringen. Denn dort wurden im Durchschnitt rund 15 Prozent des Schadens von VW bezahlt. Offensichtlich ein Betrag, den auch VW selbst als angemessen erachtet.

Der VKI wird weiter um eine angemessene Entschädigung für die Betroffenen kämpfen und Berufung gegen das Urteil erheben. Es ist auch kein Grund ersichtlich, warum von VW geschädigte Kund:innen in Österreich schlechter gestellt werden sollten als in Deutschland.

Das Verfahren beim Landesgericht St. Pölten (LG St. Pölten) ist eine von 16 Sammelklagen, die vom VKI im Auftrag von Sozialministerium (BMSGPK) und Bundesarbeitskammer (BAK) und mit Finanzierung von Omni Bridgeway bei den jeweiligen Landesgerichten Österreichs eingebracht wurden. Insgesamt beträgt der Streitwert dieser Sammelklagsaktion 60 Millionen Euro. Rund 10.000 Geschädigte werden dabei vom VKI vor Gericht vertreten. Im Verfahren beim LG St. Pölten vertritt der VKI 700 Betroffene, für die ein Schaden von rund 4 Millionen Euro geltend gemacht wird. Eingeklagt wurden wie in allen Sammelklagen des VKI 20 Prozent des bezahlten Kaufpreises.

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