Zum Inhalt

VW-Skandal: Erste Urteile geben VerbraucherInnen Recht

Das LG Linz entschied auf Irrtumsanfechtung und Rückabwicklung des Kaufvertrages.

Das LG München ging sogar vom Vorliegen einer arglistigen Täuschung bezüglich der Angaben zum Schadstoffausstoß auf Verkäuferseite aus.

Ein oberösterreichischer Autofahrer hatte - RA Mag. Poduschka zur Seite - seinen Händler wegen Irrtums geklagt und recht bekommen. Laut Gericht hätte der Kläger den besagten Pkw nicht gekauft, wenn er gewusst hätte, dass das Fahrzeug manipuliert war. Er darf es zurückgeben und bekommt den Kaufpreis großteils wieder.

Das Landesgericht Linz folgte bei der Irrtumsanfechtung der Argumentation des Klägers, wonach niemand ein manipuliertes Fahrzeug gekauft hätte. Hätte der Kläger gewusst, dass im Pkw eine Software verbaut ist, wonach es zwei Modi gibt, die zwischen Prüfstand und Realbetrieb unterscheiden, und dass es wegen dieser zwei programmierten Modi Probleme mit der Zulassungsfähigkeit geben könnte, so hätte er den Pkw nicht gekauft.

Wie viel der 2014 gekaufte VW Touran tatsächlich ausgestoßen und wie sich das auf die Fahrleistung ausgewirkt hat, war für das Gericht gar nicht relevant. Es sei lebensnah, dass auch ein langjähriger Kunde (wie wohl jeder durchschnittliche Konsument) manipulierte Fahrzeuge nicht kaufen würde, auch wenn die ‚Manipulation‘ womöglich gar keinen Einfluss auf relevante Eigenschaften haben könnte, haftet einem solchen Fahrzeug doch ungeachtet dessen der Makel des Ungewissen und Unredlichen an.

Was das Geld betrifft, setzte sich der Kläger aber nicht ganz durch. Er hatte Mitte 2014 31.750 Euro für seinen Touran gezahlt, bekam aber nur 23.000 Euro plus Zinsen, insgesamt 25.000 Euro, zugesprochen.

LG Linz 13.6.2016, 45 Gg 35/15h

Der Käufer eines am 20.05.2014 erworbenen Seat Ibiza, mit dem im Rahmen des VW-Abgasskandals relevant gewordenen Motorentyp EA 189, verlangte unter Fristsetzung bis zum 13.11.2015 Mangelbeseitigung vom Verkäufer, andernfalls trete er vom Vertrag zurück. Nach Einspruch des Händlers erklärte der Käufer mit Schreiben vom 2.3.2016 die Anfechtung des Kaufvertrags wegen arglistiger Täuschung.

Das Gericht ging vom Vorliegen einer arglistigen Täuschung bezüglich der Angaben zum Schadstoffausstoß auf Verkäuferseite aus, auf den nachrangigen Anspruch wegen Rücktritt vom Kaufvertrag käme es nicht mehr an. Dem Händler sei dabei das Wissen der Volkswagen AG zuzurechnen, weil das Un-ternehmen über eine durchgehende Beteiligungskette zum Volkswagenkonzern gehöre. Jedenfalls müsse sich der Händler aber aus Gründen des Rechtsscheins als 100%ige Konzerntochter behandeln und das Wissen der Volkswagen AG zurechnen lassen. Zudem werbe der Händler in seinem Internetauftritt mit Gemeinsamen Wurzeln und bezeichne sich dort als 100%ige Tochter des Konzerns und Teil des erfolgreichsten europäischen Automobilherstellers.

Wer bewusst nach außen werbend besonderes Vertrauen als 100%ige Volkswagentochter in Anspruch nehme, müsse sich dann auch an bewusst unrichtigen Angaben der VW AG zu Schadstoffemissionen festhalten lassen.

Da zudem eine Beschaffenheitsvereinbarung über den Schadstoffausstoß getroffen worden sei, die Arglist der Beklagten erschwerend hinzukomme und auch ein verbleibender merkantiler Minderwert nicht ausgeschlossen werden könne, sei in Summe von einem erheblichen Mangel des Fahrzeugs auszugehen.

Landgericht München I, Urteil vom 17.05.2016, Az. 23 O 23033/15

Anmerkung: In beiden Fällen sind die Fahrzeuginhaber gegen ihre Vertragspartner (also VW-Händler) vorgegangen und haben sich auf Gewährleistung, Irrtum und Arglist berufen. Diese Ansprüche sind nicht Teil der Sammelaktion des VKI, weil zuviele verschiedene Händler betroffen wären und eine Sammlung nicht möglich wäre. Dagegen richtet sich die Sammelaktion des VKI gegen VW und ist auf Schadenersatz - ua auch wegen des merkantilen Minderwertes der Fahrzeuge - gerichtet. Man kann immer noch kostenlos daran teilnehmen.

Diesen Beitrag teilen

Facebook Twitter Drucken E-Mail

Das könnte auch interessant sein:

zupfdi.at: VKI informiert über mögliche Rückforderungsansprüche betroffener Verbraucher:innen

zupfdi.at: VKI informiert über mögliche Rückforderungsansprüche betroffener Verbraucher:innen

Der OGH hat mit Beschluss vom 25.01.2024 (4 Ob 5/24z) das Geschäftsmodell der gewerblichen „Besitzschützer“ hinter der Website www.zupfdi.at für rechtswidrig erkannt. Das HG Wien hat in VKI-Verbandsverfahren ua die Unzulässigkeit von Klauseln über die Abtretung der Besitzschutzansprüche und die Einräumung von Mitbesitz an den bewachten Liegenschaften bestätigt. Nach Rechtsauffassung des VKI ergeben sich aus diesen Entscheidungen Rückforderungsansprüche der betroffenen Verbraucher:innen, die Zahlungen an „Zupf di“ getätigt haben.

Unterlassungserklärung der Sanag Health Care GmbH

Der VKI hat – im Auftrag des Sozialministeriums – die Sanag Health Care GmbH wegen acht Klauseln in ihrem Mietvertrag für ein Leihgerät abgemahnt. Die Sanag Health Care GmbH hat zu allen Klauseln eine Unterlassungserklärung abgegeben.

EuGH: keine Tragung von Verfahrenskosten durch Verbraucher:innen bei missbräuchlichen Vertragsklauseln

EuGH: keine Tragung von Verfahrenskosten durch Verbraucher:innen bei missbräuchlichen Vertragsklauseln

Der Europäische Gerichtshof (EuGH) äußerte sich kürzlich zu offenen Auslegungsverfahren der Klausel-Richtlinie (RL 93/13/EWG) und der Verbraucherkredit-Richtlinie 2008 (RL 2008/48/EG). Das Urteil vom 21.03.2024 (C-714/22, Profi Credit Bulgaria) betrifft ein bulgarisches Vorlageverfahren; die Aussagen des Gerichtshof sind jedoch auch für österreichische Verbraucher:innen von Relevanz.

LG Klagenfurt: Verbandsklagen-Richtlinie unmittelbar anwendbar

LG Klagenfurt: Verbandsklagen-Richtlinie unmittelbar anwendbar

Der Verein zum Schutz von Verbraucherinteressen (VSV) hatte die Energie Klagenfurt GmbH auf Unterlassung der Verrechnung einer Gemeindebenützungsabgabe geklagt. Das Landesgericht Klagenfurt wies die Klage inhaltlich ab, bestätigte aber die Aktivlegitimation der klagenden Partei gestützt auf die (von Österreich nicht umgesetzte) EU-Verbandsklagen-Richtlinie. Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig.

zupfdi.at: „Besitzschutz“-Website – 6 Klauseln in AGB unzulässig

zupfdi.at: „Besitzschutz“-Website – 6 Klauseln in AGB unzulässig

Der Verein für Konsumenteninformation (VKI) hatte im Auftrag des Sozialministeriums die Fumy – The Private Circle GmbH wegen sechs unzulässiger Klauseln in deren AGB/Vertragsformblättern für die Nutzung des über die Website „zupfdi.at“ betriebenen Abmahnservices bei behaupteten Besitzstörungen durch Kfz geklagt. Betreffend drei dieser Klauseln war bereits am 5.12.2023 ein Teilanerkenntnisurteil des Handelsgerichts Wien (HG Wien) ergangen. Nunmehr erkannte das HG Wien in seinem Endurteil auch die drei übrigen Klauseln für rechtswidrig. Das Endurteil ist rechtskräftig.

unterstützt durch das

Sozialministerium
Zum Seitenanfang