Bevorstehender Reiseantritt - Pauschalreise
Wurde eine Pauschalreise (also eine Kombination von mehreren Reiseleistungen, wie Beförderung und Unterbringung, zB gemeinsam gebuchter Flug und Hotel) gebucht, können Reisende vor Beginn der Pauschalreise ohne Zahlung einer Entschädigung vom Pauschalreisevertrag zurücktreten, wenn am Bestimmungsort oder in dessen unmittelbarer Nähe unvermeidbare und außergewöhnliche Umstände auftreten, die die Durchführung der Pauschalreise oder die Beförderung von Personen an den Bestimmungsort erheblich beeinträchtigen (§ 10 Abs 2 PRG). Zu solchen Umständen zählen auch Naturkatastrophen, wie Hochwasser oder Witterungsverhältnisse (ErwGr 31 Pauschalreise-RL 2015/2302). Auch Waldbrände werden hierunter fallen.
Damit ein kostenloses Rücktrittsrecht vom Reisevertrag besteht, wird jedenfalls eine gewisse Nähe zu den gefährdeten Regionen gegeben sein müssen. So sprach etwa das Handelsgericht Wien in seiner Entscheidung im Jahr 2008 aus, dass ein Waldbrand mit einer Entfernung von 60 km noch kein kostenloses Rücktrittsrecht begründe.
Eine offizielle "Reisewarnung" des Außenministeriums ist ein klares Indiz für eine Gefahr und rechtfertigt den kostenlosen Reiserücktritt jedenfalls. Der Umkehrschluss (kein Reiserücktritt wenn keine Reisewarnung vorliegt) wurde aber vom OGH ausdrücklich verneint. Es reicht aus, wenn diese Gefahr im Lichte seriöser Medienberichte als gegeben erscheint – auch ohne Reisewarnung kann man dann kostenlos zurücktreten.
Im Fall eines kostenlosen Rücktritts können Verbraucher:innen ohne Zahlung einer Stornogebühr oder dergleichen zurücktreten. Die Verbraucher:innen erhalten in diesem Fall volle Erstattung aller ihrer für die Pauschalreise geleisteten Zahlungen, haben aber keinen Anspruch auf darüber hinausgehende Entschädigung (zB kein Ersatz für entgangene Urlaubsfreude).
Die Beweislast, dass die gesetzlichen Voraussetzungen wirklich vorliegen, dh vor allem, dass am geplanten Urlaubsort Waldbrände herrschen, liegt bei den Reisenden.
Wie lange im Voraus der Rücktritt erklärt werden kann, ist gesetzlich nicht geregelt und derzeit (iZm COVID-19) Gegenstand von Gerichtsverfahren.
Was tun, wenn Pauschalreisende bereits Vorort sind?
Kann ein erheblicher Teil der Reiseleistungen nicht vertragsgemäß erbracht werden (zB durch die Waldbrände ist bei einem geplanten Strandurlaub der Strand nicht nutzbar oder die Luft sehr rauchig), hat der Reiseveranstalter den Reisenden Alternativen zur Fortsetzung der Reise anzubieten; bei Qualitätsverlust steht den Reisenden ein Preisminderungsanspruch zu. Reisende können die vorgeschlagenen anderen Vorkehrungen nur dann ablehnen, wenn diese nicht mit den im Pauschalreisevertrag vereinbarten Leistungen vergleichbar sind oder die gewährte Preisminderung nicht angemessen ist (§ 11 Abs 5 PRG).
Bei erheblichen Auswirkungen auf die Durchführung der Pauschalreise, die nicht durch den Reiseveranstalter (etwa durch die Unterbringung woanders) innerhalb einer vom Reisenden gesetzten angemessenen Frist behoben werden, können Reisende ohne Zahlung einer Entschädigung vom Pauschalreisevertrag zurücktreten und Preisminderung verlangen.
Ist die Beförderung Teil der Pauschalreise muss der Veranstalter die durch eine verfrühte Abreise entstandenen Mehrkosten tragen. Dh die Reisende haben einen Anspruch auf unverzüglichen Rücktransport zum Abreiseort ohne Mehrkosten und auf Preisminderung hinsichtlich der beeinträchtigten Reiseteile.
Reisende haben allein aufgrund der Waldbrände aber keinen Anspruch auf einen zusätzlichen Schadenersatz (wegen entgangener Urlaubsfreude). Das Gesetz schließt nämlich einen solchen Schadenersatzanspruch des Reisenden aus, wenn die „Vertragswidrigkeit“ auf unvermeidbare und außergewöhnliche Umstände zurückzuführen ist.
Der Veranstalter hat den Reisenden in Schwierigkeiten Beistand zu leisten und zwar unverzüglich und in angemessener Weise (§ 14 PRG); so muss er zB geeignete Informationen bereitstellen, den Reisenden bei der Evakuierung helfen, und für eine Unterkunft sorgen.
Ist die im Pauschalreisevertrag vereinbarte Rückbeförderung des Reisenden aufgrund unvermeidbarer und außergewöhnlicher Umstände nicht möglich, so hat der Reiseveranstalter die Kosten für die notwendige Unterbringung des Reisenden für einen Zeitraum von höchstens drei Nächten zu tragen (§ 11 Abs 7 PRG).
Individualreisen
Bei einer Individualreise werden zB die Unterkunft und die Beförderung (zB Flug) ganz separat gebucht.
Der OGH hat folgende Grundsätze zum Rücktritt wegen Wegfalls der Geschäftsgrundlage entwickelt:
Ein kostenloses Rücktrittsrecht (wegen Wegfalls der Geschäftsgrundlage) besteht, wenn die Gefahr – auch im Lichte seriöser Medienberichte – so hoch erscheint, dass ein durchschnittlicher Reisender die Reise nicht antreten würde.
Der OGH verlangt hier, dass Reisende, deren Abreise noch weiter in der Zukunft liegt, zunächst abwarten, wie sich die Sicherheitslage entwickelt.
Auch billigt der OGH dem Reiseveranstalter zu, dass er einem Wunsch nach kostenlosem Rücktritt ein Angebot auf eine zumutbare (und kostenlose) Umbuchung entgegenhält. Gibt es nicht gute Gründe, die Umbuchung abzulehnen (schriftlich dokumentieren!), dann muss man diese akzeptieren, andernfalls sind Stornogebühren zu bezahlen.
Aber Achtung: Diese Rechtsprechung kommt zur Anwendung, wenn österreichisches Recht auf den Vertrag anwendbar ist. Wurde aber zB direkt bei einem Hotel im Ausland gebucht, das sich nicht (etwa durch eine .at-Domain auch nach Österreich ausrichtet), kommt meist das Recht des Landes, in dem das Hotel liegt, zur Anwendung.